Emden
Kunsthalle
DEM HIMMEL SO NAH - Wolken in der Kunst
bis 2. November 2025
Heiner Altmeppen, Norddeutsche Landschaft, 1980/81, Acryl auf Holz. Kunsthalle Emden © Heiner Altmeppen
Seit Jahrhunderten inspirieren Wolken die Kunst. Sie stehen für Göttliches, erhabene Naturschönheit und Atmosphäre, für Vergänglichkeit und Sehnsucht – und heute auch für Klimawandel, Umweltzerstörung und Krieg. Dabei kann man konstatieren, dass jenseits der meteorologischen Wetteraufzeichnungen Künstler ähnlich akribisch ihre Beobachtungen notiert haben. Man denke dabei an die Wolkenstudien des dänischen Christoffer Wilhelm Eckersberg, die vor Jahren in einer Sommerausstellung in Hamburg zu sehen waren. Diesmal jedoch sind es andere Künstler, die mit ihren Wolkenskizzen zu überzeugen verstehen, so auch Nasan Tur mit seinen E-Prints-Wolkenbildern aus Mumbai (Indien).
Sven Drühl SDNN (volcano), 2016, Lack auf Leinwand. Kunsthalle Emden © der Künstler und VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Nein, man muss kein Experte in Sachen Wolken sein, muss auch nicht wissen, um welche Wolkenform es sich bei Cirrus, Cumulus und Stratus handelt, um die Ausstellung zu begreifen. Wolken sind als isolierte Phänomene von Künstlern ebenso erfasst worden wie als Teil der Landschaftsmalerei, auch in einem humoristischen Kontext wie bei Carl Spitzwegs „Adlerjäger“. Dieser wartet vergeblich darauf, den hoch in den Wolken schwebenden Greif vor die Flinte zu bekommen. Und auch Andreas Achenbach bannt die Wolken über Neuss auf die Leinwand. Dabei erfasst er allerdings vordergründig ein geschäftiges Treiben auf dem Fluss. Dabei könnte es sich angesichts der Breite des Flusses um die Erft handeln, die in den Rhein mündet. Es liegt ein Lastensegler mit Heu am Ufer; es nutzen Rindviecher den Fluss als Tränke. Neuss ist in der Ferne mehr oder minder als Silhouette zu sehen. Bei dem gezeigten Gemälde handelt sich um eine Arbeit in Öl. Achenbach hat aber auch in Aquarell auf Papier ein Ansicht von Neuss, entstanden 1852, der Nachwelt hinterlassen, aber nicht Teil der Ausstellung ist. Und auch hier spielen die Wollen eine zentrale bildgebende Rolle. Das Ölgemälde von Achenbach ist insoweit kein Einzelwerk, das Wolken thematisiert!
Daniel Hausig, Wetterleuchten #5, 2020. Zweiseitig strahlende LED-Installation aus der Serie Tubes & Stripes, Aluminiumkonstruktion, Acrylglas, programmierte Lichtsequenzen, Loop 16 min, 200 × 336 × 20 cm, @Hausig / /VG Bildkunst, Bonn 2020
Nicht allein im 19. Jahrhundert, sondern auch heute beschäftigen sich Künstler, wenn auch mit anderen Materialien als Öl auf Leinwand mit dem Thema Wolken. Man denke an die vielen Hundert Zeichnungen, die zu Nanne Meyers (*1953) Arbeit „Leicht bewölkt“ (2000) zählen und einen ganzen Raum ausfüllen. Aus Japanpapierschnipseln hat die Künstlerin eine Wolkenstudie geschaffen.
Nanne Meyer, leicht bewölkt, 2000, Mischtechnik auf Japanpapier, Leihgabe der Künstlerin © die Künstlerin
Nachstehend ein O-Ton der Künstlerin: „Jedes Stückchen Papier ein Moment, ein Augenblick, ein Gedanke, wanderndes Wünschen, ein Theater am Himmel, uralt und immer wieder neu. Wolken über Wände wuchern lassen, Zwischenräume, die der Himmel sind. Papiere aufspießen, Momente aufspießen, die Zeit anhalten, Gedanken anhalten, den Blick schweifen lassen und weiterziehen. Wie eine Wolke denken. Wolken: eine Sprache des Himmels, deren Worte die Wolken sind, die Bilder sind, die unablässig neue Bilder schaffen.“
Nanne Meyer, leicht bewölkt, 2000, Mischtechnik auf Japanpapier, Leihgabe der Künstlerin © die Künstlerin
In diesem Werk der „Wolkenschnipsel“ finden sich auf den Papierschnipseln auch eine Reihe von Zitaten, die verdeutlichen, wie umspannend das Thema Himmel und Wolken ist. Nachstehend einige Beispiele: „Es sind viele fremde Wolken wie fremde Koffer in die Stadt gekommen von überall her.“ (Herta Müller) oder: „Ich bin eine wüstenlose Wolke, ich bin eine wolkenlose Wüste“. (Adonis) oder „Wolken, die Formung des Formlosen von gesetzlichem Gestaltungswechsel im Unbegrenzt.“ (J.W. v. Goethe). Kurzum: Nachdenkliche und nachdenkenswerte Zitate, die das Bildhafte der Ausstellung durch Wortbeiträge zum Thema verlängern.
Nanne Meyer, leicht bewölkt, 2000, Mischtechnik auf Japanpapier, Leihgabe der Künstlerin © die Künstlerin
Wer die Ausstellung betritt, stößt auf drei Holzschnitte, die von Christian Rohlfs, Ludwig Meidner und Felix Vallotton stammen. Konzentrieren wir uns auf den zuletzt genannten Künstler und seine Wolkengebilde unter der schmalen Sichel des Mondes. Man könnte bei ihrem Anblick auch an abziehenden Rauch denken oder an den Rauch den eine Dampflok ausstößt. Gänzlich anders ist der Zugang des russischen Fotokünstlers Alexander Rodtschenko mit „Der Sprung“. Die Wolken spielen eigentlich eine Nebenrolle, blickt der Fotograf doch auf einen Turmspringer, der einen gehockten Salto vollführt. Unter ihm, der am oberen Rand der Aufnahme zu sehen ist, ziehen faserige Wolken dahin. Ein Sprung in die Wolken oder über den Wolken wäre auch ein guter Titel für diese Arbeit, oder?
Bjørn Melhus, Revelation, 2024, Zwei-Kanal-Video, Installation. Leihgabe des Künstlers © der Künstler und VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Nein, Reinhard Meys „Über den Wolken muss der Himmel wohl grenzenlos sein“ oder andere Wolkenmusiken "Nuages gris" (S 199) von Franz Liszt oder "Or che'l ciel e la terra" von Monteverdi spielt man in der Kunsthalle nicht als Hintergrundmusik ein. Das wäre wahrscheinlich zu viel Reizflut für die Besucher, die sich schon mit den verschiedenen Medien auseinandersetzen müssen, die die Künstler für ihre Wolkenbilder nutzen. Vielleicht hätte man das Foyer damit bespielen können?
Palla, Ursula, Clouds and Foam, 3024-29. Video © der Künstlerin
Ähnlich wie der oben erwähnte Christoffer Wilhelm Eckersberg hat sich im 19. Jh. auch Behrend Goos mit der exakten Himmelsbeobachtung befasst. Seine Naturstudien tragen nicht nur ein Datum, sondern auch den Beobachtungszeitraum wie von 1-2 Uhr oder zwischen 12 und 2 Uhr! Zu sehen sind leicht rötliche Wolken sowie Wolken über einer flachen Landschaft, die minimalisiert den unteren Bildrand einnimmt. Der Himmel jedoch ist überbordend.
Roberts Simon The-Celestials 28A, Robert Morat Galerie Berlin, © der Künstler und VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Dan Flavin oder wer? Das fragt man sich zunächst beim Anblick von durchscheinenden Röhren, die Projektionsfläche von programmierten Lichtsequenzen in Rosa- und Blau-Grün-Tönen sind. Erdacht hat sich dieses Werk, das Wetterleuchten einfängt, nicht der oben genannte Dan Flavin, sondern Daniel Hausig. Um zu präzisieren, was das Werk ausmacht, ein Zitat aus dem Pressetext der Kunsthalle zur Schau: „Hunderte, nördlich von Skagen auf den schwedischen Schäreninseln in Zeitintervallen aufgenommene Fotografien überführt Hausig in eine vielschichtige, quasi filmische Lichtinstallation. Die Bewegung der Wolkenbänder vollzieht sich dabei sowohl auf einer LED-Tafel als auch auf vorgelagerten vertikalen Leuchtröhren.“
Rondinone Ugo humanskytwo 2022, Polyurethan, © der Künstler Courtesy Galerie E. Presenhuber Zürich/Wien
Sechs Arbeiten von Gerhard Richter finden sich auch in der sehr opulenten Schau. Dabei fallen die Bildunschärfen auf, die Richter auch in anderen Arbeiten pflegt. Unter diesen Arbeiten findet man auch eine, auf der in der Ferne eine Windhose zu sehen ist, derweil die grau-schwere Gewitterfront auf den Betrachter zurollt. Seriell kann man auch die gezeigten Werke von Walter Strich-Chapell bezeichnen, darunter eine Landschaft mit Bäumen und eine Herbstlandschaft mit aufklarendem Himmel. Wenn man so will hat der Künstler unterschiedliche Himmelszustände festgehalten, dabei durchaus sich als Landschaftsmaler begreifend. Ein absoluter Hingucker ist Valentin Ruths „Der Feuersee im Kilauea Krater auf Hawaii“ von 1888. Liest man die Jahreszahl, dann reibt man sich die Augen.
Roberts Simon Cloud Negative 3, Metall-Pigmentdruck, Robert Morat Galerie Berlin, © der Künstler und VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Also schon im 19. Jahrhundert gab es die Reisenden, die nicht nur die Anden durchstreiften, die Alpen erklommen, sondern auch ins ferne Hawaii reisten, fasziniert vom Vulkanismus. Unter den Reisenden in Ferne Länder waren vor allem betuchte Bürger, Forschungsreisende und Fürsten wie Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied, der Anfang des 19. Jh. Brasilien bereiste. Doch zurück zum Hamburger Maler Valentin Ruths, der nie in Hawaii war, sondern die gemalte Szenerie aufgrund von Fotos und Beschreibungen entwarf: Feuersäulen erheben sich aus dem Kratersee, auf den man von erhöhter Position aus blickt. Feurige Rauchschwaden und Dämpfe sieht man zudem. Die unglaubliche Hitze kann man sich durchaus vorstellen. Mit Lack auf Leinwand schuf Sven Drühl seinen Vulkanausbruch, sprich die riesige Aschewolke, die über dem Vulkan in den Himmel geschossen wird.
Nolde, Emil, Dampfer auf dem Meer, 1938, 1945, Kunsthalle Emden © Nolde Stiftung, Seebüll
Aus „verknoteten“ Gummischläuchen von LKW-Reifen gestaltete Michael Sailstorfer sein Wolkenbild unter der Raumdecke. Im Dialog steht diese dreidimensionale Arbeit mit Gustav Schönlebers „Gewitter am Meer“ in Öl auf Leinwand. Dramatisch ist die Szenerie, hoch schlagen die Wellen an den aufragenden Fels und an den Küstensaum. Der Wind zerrt derweil an einem Fahnenmast, der auf dem Küstenabschnitt steht. Und was hat Jean Arps „Nadir“ eigentlich mit dem Thema „Dem Himmel so nah“ zu tun? Nadir ist der Punkt der Himmelskugel, der dem Zenit direkt gegenüberliegt und sich direkt unter dem Beobachter befindet. Na ja, da ist der Himmelsbegriff wohl sehr weitgefasst worden.
Muenter, Gabriele, Rote Wolke mit Haus, 1910, Öl auf Karton, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Courtey Galerie Utermann
Abschließend sei noch auf einige sehr stimmungsvolle Wolkenbild hingewiesen, auf Gustav Schönlebers „Gewitterstimmung bei La Panne“ (heute De Panne), Hans Timborns „Sonnenuntergang“, Erich Heckels „Spiegelnde Wolken“ (1925) und Franz Radziwills „Blick vom Deich auf Dangast“ (1932). Fazit: besonders sehenswerte und facettenreiche Ausstellung zum Thema Himmel und Wolken!
© ferdinand dupuis-panther
Information
https://kunsthalle-emden.de