Text: Volker Mehnert / Fotos: Profi-Grill
„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt“ - das war einmal, trotz Grönemeyer-Hymne. Heute ist die Rede vom „neuen Ruhrgebiet“: Zwischen Duisburg und Dortmund haben Grüngürtel die Rauchschwaden ersetzt, statt Industrie ist Dienstleistung gefragt. Das Revier feiert Revival, der Pott kocht, und eine neue Liebe zum alten Industriestandort ist erwacht. Raimund Ostendorp hat dafür sogar eine hoffnungsvolle Karriere als Gourmet-Koch beendet und sich mit einer Imbissbude voll ins Ruhrpott-Leben gestürzt.
Diesen Imbiss braucht man eigentlich nicht zu beschreiben, wir kennen ihn alle. Er könnte irgendwo in Deutschland stehen, in Mönchengladbach und Magdeburg genauso wie in Erlangen oder Eisenhüttenstadt. Aber er steht eben im Bochumer Stadtteil Wattenscheid, an der Bochumer Straße, geflickter Asphalt, Kopfsteinpflaster, Straßenbahnschienen - Ruhrpott pur. Und nach Ruhrpott pur sieht es auch innen aus, deswegen hier vielleicht doch ein paar Details: fünf Tische mit karierten Plastikdecken, der Tresen mit Fritteuse und Bratpfannen, Spielautomat, Zigarettenautomat und ein uralter Kaugummispender, aus dem man heute für fünfzig Cent irgendeine Süßigkeit herausdrehen kann.
Raimund Ostendorp bei der Arbeit
Die Frikadelle für einsfünfzig
Und wo haben Sie letztlich noch einen halben Liter Bier für 1,50 Euro bekommen, wo eine Bratwurst für einsachtzig, die Frikadelle für einsfünfzig? Und man denke nicht, das wären Sparportionen, im Gegenteil. Schnitzel und Spagetti gibt es ebenfalls, an manchen Tagen auch mal was Besonderes wie Linsensuppe.
Doch die Gäste wollen in der Regel das Gewohnte, keine Experimente. Es sind freilich nicht nur Rentner, Fernfahrer, Arbeiter und Arbeitslose, die sich hier treffen. Ein bisschen Ruhrpott-Kult hat sich längst um diese Adresse gebildet, und deshalb steht schon mal ein Mercedes vor der Tür, ein prominenter Politiker oder Schauspieler schaut herein oder eine Gruppe Studenten fällt über einen Berg Fritten her.
Vom Kaviar zur Currywurst
Und was hat ein 3-Sterne-Koch in einer solchen Umgebung verloren? Raimund Ostendorp weiß, warum er hier ist. Seine Laufbahn in anerkannten Gourmet-Häusern wie dem Düsseldorfer „Schiffchen“ hat er eines Tages abrupt beendet: zu elitär, zu stressig, zu gewaltig der Qualitätsdruck, und vor allem zu groß die Distanz zu den Gästen. Die Karriereleiter hätte ihn vielleicht nach Hamburg, Lausanne oder Paris geführt, doch Ostendorp hat den Übergang gewagt von Gänseleber und Kaviar zu Currywurst und Pommes Frites.
Ostendorp mit Antwerpes
Von weit oben ist er abgesprungen und doch weich gelandet: in der Imbissstube seines Vorgängers Kurt Kotzlowski, der in Wattenscheid vierzig Jahre lang ein eigenes Erfolgsrezept praktiziert hatte. „Kurts Frikadelle“ und „Kurts Soße“ verlangen die Stammgäste noch heute, obwohl der alte Mann längst begraben ist. Sie sind eben mit diesem Geschmack aufgewachsen. Ostendorp hält die Erinnerung wach, auch wenn Kurts Rezepte den eigentümlichen Geschmack der sechziger Jahre haben und die Imbissstube nun „Profi-Grill“ heißt.
Schmeckt lecker wie immer
Und seine eigenen Kreationen? – „Nichts Besonderes, Standard“, behauptet der ehemalige 3-Sterne-Koch. Und das stimmt. Große Extravaganzen kann er sich hier nicht leisten, die Leute verlangen solide Kost. Aber sie haben immerhin nichts dagegen, wenn das Schnitzel, statt lieblos in der Fritteuse zu schmurgeln, anständig in der Pfanne gebraten wird. Auch gegen Porzellan- statt Pappteller haben sie nichts einzuwenden, nichts gegen frische Petersilienblätter als Garnierung, nichts gegen das Bier von „Fiege“ aus der Bügelflasche und auch nichts gegen den frischen Kohl für den Krautsalat aus Vater Ostendorps Garten. Aber viel mehr geht nicht. Sonst kommen sie nicht zurück, die Stammesser.
Blick auf die Salatbar
Und genau auf die kommt es Ostendorp an. Ein kurzes Schwätzchen, eine bodenständige Fachsimpelei, ein „Schmeckt-lecker-wie-immer“ - das ist der Ruhrpott, für den es sich gelohnt hat, die große Küche aufzugeben. Da kommt keine Wehmut auf nach der Haute Cuisine und den Yuppies, die nach einem perfekten Menü gelangweilt den Geldbeutel zücken, aber nicht mal nach dem Koch fragen, der das alles gezaubert hat. Ein wohlwollendes Schulterklopfen ist dem Koch von der Bochumer Straße mehr Wert als ein Stern von Michelin oder eine Kochmütze von Gault Millau.
Profi-Grill
Bochumer
Straße 96
Bochum-Wattenscheid. Geöffnet
täglich von 11 bis 22 Uhr.
Website: www.profi-grill.de
Ruhrgebiet-Info:
Ruhrgebiet Tourismus,
Königswall 21
44137
Dortmund
Tel.: 01805/18 16 20
Fax: 0231/18 16 188
www.ruhrgebiettouristik.de
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