REIHE UNTERWEGS

Wie viel Liter Wein trank August der Starke?

Dresden und seine Wein-Kultur

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Natürlich ist das herrliche Dresden, die deutsche Perle des Barock, eine Reise wert, das weiß doch jeder!

Dresden / Semperoper

Semperoper

Zwinger, Semper-Oper, Frauenkirche, das Standardprogramm der pompösen großen Drei, die historische Triangel umzingelt von Touristen in Busstärke! Die Stadt am Strom, an der Elbe, Elbflorenz also. Und auch vom Bier, vom Radeberger Pilsener nämlich, weiß man gemeinhin oder vom Dresdener Stollen. Doch Weine? Großes Fragezeichen! - Wir geben die Antwort.

Dresden / Zwinger

Dresdener Zwinger

Man gibt sich selbstbewusst nahe der Radeberger Bierstadt: Die Elbe fließt mehr als dreißig Kilometer durch die sächsische Landeshauptstadt und somit mitten durch das kleinste und nordöstlichste Weinbaugebiet Deutschlands, wo schon seit 1660 Wein angebaut wird. Trockene Weißweine gibt es hier, hauptsächlich Müller Thurgau, Riesling und Weißen Burgunder, aber auch Elbling, die älteste Rebsorte, oder die nur hier zu findende Spezialität Goldriesling, die aus Riesling und Courtellier Ende des vorigen Jahrhunderts im Elsass gezüchtet wurde.

Dresden / Weinlädchen

Wettiner Weinlädchen

Selbstbewusste Sachsen

Das dreizehnte deutsche Weinbaugebiet kann schon protzen mit seiner Rebherrlichkeit, die sich links und rechts die Elbhänge hinaufzieht. „Nu, setzen Se sich ner derzu,“ meint dann einer gleich am ersten Abend zu mir im „Wettiner Keller“ inmitten von Dresden - Drääsden. Hier wird für den sächsischen Wein ganz selbstbewusst auf sächsisch geworben: „Werde Gäsde, kehrn ´se ein zu nem Glässchen sächschen Wein, gemietlich hier bei Gerzenschein. Mid Leggereien vom heißn Steene fiehln se sich bei uns wie daheeme,“ sagt das Schild an der Hauswand. Weiter geht´s zu späterer Stunde ins „Café 100“ im Szeneviertel Neustadt, wo sich eine Kneipe an die nächste reiht. Dreihundert Weine soll es hier zum Verkosten geben, und ich wundere mich, denn irgendwie muss ich hier falsch sein. Ich hebe das Durchschnittsalter, und zwar deutlich. Alles Schüler und Studenten hier, und alle trinken Bier! Nun gut - die freundliche Bedienung klärt auch dieses Missverständnis rasch auf: „Nu, da müssen Se in Gellor runtergehn!“. Ach so! Und wirklich, hier im schummerigen, von Kerzen beleuchteten Kellergewölbe aus rotem Backstein gibt es alles, was das Weintrinkerherz begehrt und ich lande bei einem Gläschen sächsischem Riesling. Oder zwei?

Dresden / Markthalle / Weinkontor

Nach dem herrlichen Frühstück geht´s am nächsten Morgen gleich weiter: Wein einkaufen nämlich zur schmiedeeisernen „Neustädter Markthalle“, einem wahren Kunstwerk aus der Gründerzeit und wohl mit Abstand die schönste Markthalle Deutschlands. Hier befindet sich das „Weinkontor“ (Foto oben), das es in Dresden aber gleich mehrmals gibt.

Milchgrappa oder ein „Schälchen Heeßen“?

Und wer mal genug hat vom Wein, der kann sich nahe der Radeberger Bierstadt natürlich auch am Bier gütlich tun, vielleicht sogar eine Brauereiführung mitmachen. Oder ins Radeberger Biertheater gehen? Oder er fällt in „Pfund´s Molkerei“ ein, wo es natürlich nicht nur Milch gibt, sondern auch Käse, den leckeren Dresdener Kuchen, ´n Schälchen Heeßen und vieles mehr. Wie wär´s mit einen Milchgrappa, der eigens für „Pfund´s Molkerei“ nach einem geheimen Rezept in Italien produziert wird. Und selbstbewusst, wie man hier eben ist, wird damit geworben, dass man sich nun im schönsten Milchladen der Welt befinde. Scheint zu stimmen, denn die Fliesenmalereien in diesem Jugendstil-Kabinett sind wirklich prächtig.

Zum Wein trinken aber geht der Dresdener eigentlich vor die Stadttore, nach Radebeul zum Beispiel - einem Wein- und Villenvorort an der Elbe - und trinkt dort sein Gläschen. Schließlich verläuft hier die Sächsische Weinstraße zwischen Meißen, mitten durch Dresden, und Pillnitz mit seinem Märchenschloss, einem dreigeschossigen Wasserpalais aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert! Damals besaßen die reichen Dresdener Familien ein „Plaisir“, einen Weinberg an der Bautzener Landstraße oder in der Lößnitz. Was für ein Vergnügen! Die winzerischen Aktivitäten gehen hier bis ins Mittelalter zurück. Doch nach Ende des neunzehnten Jahrhunderts machte die Reblaus, die aus dem Elsass eingeschleppt worden war, fast dem gesamten Bestand den Garaus. Von den ehemals sechstausend Hektar wurde bis heute immerhin wieder auf 420 Hektar aufgerebt. In diesem kleinsten Weinbaugebiet Deutschlands, das nördlich des 51. Breitengrades liegt, werden 37 Rebsorten angebaut.

Ein Saufbold vor dem Herrn

Autofahren ist bekanntlich nicht so das Gelbe vom Ei, wenn es raus aus der Stadt und ums Weine Verkosten gehen soll. Kein Problem, denn nach Radebeul kann man vom Zentrum Dresdens aus ganz bequem per Straßenbahn kommen und somit eine Weinwanderung in die Dresdner Weinbaufröhlichkeit starten. Angeboten werden diese Ausflüge von Augustus Tours, natürlich nach August dem Starkenbenannt, dem bedeutendsten Kurfürsten in Sachsens bewegter Geschichte. „Sein Trinkquantum pro Tag waren drei Flaschen Wein, in entsprechender Gesellschaft nahm er sechs oder sieben,“ heißt es, und: „Ein Saufbold vor dem Herrn!“ Das brauchen Sie ihm natürlich nicht gleich zu tun! Er kam übrigens nie von Dresden los. Liegt auch sein Körper neben denen anderer polnischer Könige in Krakau, sein Herz wurde in einer silbernen Kapsel in der Fürstengruft der Katholischen Hofkirche zu Dresden beigesetzt.

Dresden / August Standbild

Standbild Friedrich Augusts I., erster König von Sachsen

Ich bin für die Weinwanderung „Vivat Bacchus“ durch die Radebeuler Niederlößnitz angemeldet. Die Chefin von Augustus Tours, Frau Herrmann, ist selber Hobby-Winzerin wie mehr als dreitausend andere im Elbtal auch. Sie besitzt einen Weinberg in der Wachwitz, wenngleich man hierzulande, wie sie beteuert, nicht in Hektar, sondern in Rebstöcken rechnet. Anke Herrmann hat Betriebswirtschaft und Tourismus studiert, außerdem ist sie ausgebildete Städteführerin für Dresden. Da hat sie also die Liebe zum Wein mit ihrem Studium verbunden? „Genau!“, schmunzelt sie. Und auf einer ihrer Weinwanderungen, übrigens thematisch verschiedene Touren, könnte es sogar sein, dass man eine Weinkönigin als Weinwanderführerin erwischt.

Nun geht´s aber los! Startpunkt ist die Haltestelle „Weißes Ross“ der Schmalspurbahn in Radebeul. Erst einmal werden die Weingläser vom Weinbauverband Sachsen verteilt. „Klassisch - sächsisch - trocken“ verspricht das Trinkgefäß. Wir wandern heute auf den Spuren des Weingottes Bacchus in der Niederlößnitz über Hoflößnitz bis Schloss Wackerbarth, etwa sechs Kilometer über den Radebeuler Steinrücken, eine bekannte sächsische Weinbergslage.

Wandern im Weinberg

An der ersten Station im Herzen von Radebeul folgen wir mit Blicken der steilen Spitzhaustreppe nach oben, auf der die Fürsten in ihren Sänften hochgetragen wurden, schauen die Weinhänge hinauf zum Muschelpavillon und zum Bismarckturm, um alsdann bergan zum Weingut Hoflößnitz mit dem Weinberg Goldener Wagen zu steigen.

Dresden / Hoflößnitz

Weingut Hoflößnitz

Der Terrassenweinbau habe hier nächstes Jahr vierhundertjähriges Jubiläum, wird erklärt. Die Kunst, Trockenmauern anzulegen, die diese Terrassen halten, wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Im Weingut Hoflößnitz gibt es ökologische Weine. Wir packen unsere „Kelche“ aus und probieren einen Rivaner aus dem Jahre 2002 vom hiesigen Weingut mit feinfruchtiger und dezenter Muskatnote, die Hauptrebsorte hier in Sachsen übrigens und auch als Müller-Thurgau bekannt

Das Gut Hoflößnitz existiert seit 1401, es war der Grundstein des kurfürstlichen Weines. August der Starke war hier gern zu Gast und trank nach dem Aufstehen erst einmal 8 Liter Wein. Also variieren die Angaben über sein Trinkquantum etwas, doch hoch muss es auf jeden Fall gewesen sein. Prächtig gefeiert wurde hier auch zu Zeiten der Weinlese mit Weinlesefesten oder Winzerumzügen. Heute gibt es in den früheren Veranstaltungssälen ein Weinbaumuseum, das einzige in Sachsen. Und im ehemaligen Presshaus des Weingutes Hoflößnitz befindet sich eine Weinstube!

Weisser Burgunder - Riesling - Kerner

Zweite Weinprobe: Weisser Burgunder, Hoflößnitz 2002, trocken. Frische Säure mit Burgunderaroma erfreut uns und außerdem eine lustige Geschichte: Zu DDR-Zeiten hätten die Hobbywinzer von der Genossenschaft zwanzig Flaschen pro Rebsorte bekommen, was schlicht und ergreifend dazu führte, dass die Weinbauern möglichst viele verschiedene Sorten anbauten. Daher die vielen verschiedenen Rebsorten? 85% Weiß- und 15 % Rotweine übrigens.

Die nächste Station ist das Paradies, pardon der Weinberg „Paradies“ natürlich, wo wir zunächst frische Rieslingtrauben schnabulieren, schön süß, um dann festzustellen, dass wir die Traube im 2000er Riesling von Schloss Wackerbarth mit rassiger Säure und fruchtiger Note nun wirklich nicht wiedererkennen. Der Riesling ist hierzulande die Rebsorte, die am zweithäufigsten angebaut und am spätesten gelesen wird. Die Reben wurzeln bis zu 20 m tief in der Erde, von daher ist es verboten, die Reben zu wässern, und es ist auch nicht nötig!

Weiter geht´s auf Dionysos´ Spuren den Höhenweg im Paradies entlang bis zur nächsten Station, wo wir einen Kerner aus dem Jahre 2000 vom Weingut Frank Förster verkosten. Und schon nähern wir uns dem Ende, das Wandern geht nun auch nicht mehr so einfach wie zu Anfang, und blicken von der Sternwarte aus hinunter ins herrliche Elbtal, dann noch einmal vom Weinberghäuschen Belvedere auf dem Jakobstein aus. Diese Weinberg- oder Lusthäuschen symbolisierten übrigens den Reichtum der Winzer.

Dresden / Belvedere am Jakobstein

Weinberghäuschen Belvedere am Jakobstein

Highlight: Schloss Wackerbarth

Weinkultur und Elblandschaft ergänzen sich auf prächtige Weise. „Ich blickte von dem hohen Ufer herab über das herrliche Elbtal, es lag da wie ein Gemälde von Claude Lorrain unter meinen Füßen - es schien mir wie eine Landschaft auf einen Teppich gestickt, grüne Fluren, Dörfer, ein breiter Strom, der sich schnell wendet, Dresden zu küssen“, meinte schon Heinrich von Kleist. Und unten im Tal liegt auch das wunderbare Schloss Wackerbarth.

Dresden / Schloss Wackerbarth

Schloss Wackerbarth

Es gibt eine Halle für die Wein- und Sektproduktion, eine Parkanlage nach französischem Vorbild, einen ansprechenden, lichtdurchfluteten Verkaufsraum, Führungen und Verkostungen.

Dresden / Schloss Wackerbarth / Verkaufsraum

Verkaufsräume vom Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth

Besonders erwähnenswert ist, dass man sich hier auch dem Erhalt der Kulturlandschaft verschrieben hat und darauf größten Wert legt. In den Verkaufsräumen beschließen wir unsere Weinwanderung mit einer Sektprobe: Cuvée Tradition von Schloss Wackerbarth, hergestellt nach der klassischen Flaschengärung und abgefüllt in die Lößnitzflasche, im Volksmund „Sachsenkeule“ genannt.

Und Essen? Zu einem guten Tropfen gehört schließlich eine feine Grundlage, oder nicht? Früher, am Hofe der prunkliebenden sächsischen Könige wurde wohl vornehm französisch gespeist, wie eben überhaupt Frankreich und Ludwig XIV. in allem, was Mode oder Chic betraf, den Ton angaben. Und allerhand Handel Treibende aus allen Himmelsrichtungen brachten allerhand Rezepte mit, die ins Heimische integriert wurden. Das „Leipziger Allerlei“ ist wohl das bekannteste Gericht, aber eben nach Leipzig benannt! Und Dresden? Dresden hat den Stollen, natürlich, und den Dresdner Baum- oder Spießkuchen. Typisch sächsisch sind auch Kleckselkuchen und Eierschecke. Schließlich haben die „Kaffeesachsen“ angeblich die meisten Kuchenrezepte Deutschlands zu ihrem „Scheelchen Heeßen“ vorzuweisen, oder soll man sagen „Blümchenkaffee“? Man braucht eben was zum rein“titschen“.

Ich gehe erst mal noch einen „pietschen“, einen trinken, und zwar in Altkötzschenbroda, im historischen Ortskern von Kötzschenbroda also, im romantischen Gasthaus „Zur grünen Linde“ mit bestem sächsischen Weinsortiment. Aber nicht gleich ne ganze „Bulle“!

 

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Marseille - Bouillabaisse

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