REIHE UNTERWEGS

Darum ist es am Rhein so schön…

Unterwegs auf dem Rheinterrassenweg

Text und Fotos: Dagmar Krappe

Der Rheinterrassenweg verläuft durch Deutschlands größtes Weinanbaugebiet Rheinhessen und verbindet die Städte Mainz und Worms.

Rheinterrassenweg - Kaiserdom Sankt Martin in Mainz

Kaiserdom Sankt Martin in Mainz

Im Schatten des Mainzer Doms brodelt das Leben. Hinter dem romanischen Sandsteinkoloss erstreckt sich die Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, die kuriose Namen wie Leichhofstraße, Heiliggrabgasse oder Nasengässchen tragen. In urigen Weinstuben rund um die Augustiner-Fußgängerzone lassen die „Määnzer“ den Feierabend ausklingen mit „Weck, Worscht un Woi“, „Spundekäs“ oder „Handkäs mit Musik“. „Ohne diese „Dreifaltigkeit“ kann kein Ur-Mainzer überleben“, meint Gästeführerin Claudia Strehl und erklärt uns Nichteinheimischen, dass es sich bei ersterem um Brötchen (Weck), warme Fleischwurst und Wein handelt. Ein Spundekäs ein Frischkäse mit Paprika und Zwiebeln ist, zu dem kleine Brezeln gereicht werden, und wer einen Kümmel-Sauermilchkäse mit Musik bestellt, diesen in einer speziellen Essig-Öl-Zwiebel-Marinade serviert bekommt.

Spundekäs - Rheinhessische Spezialität

Spundekäs

Das bevorzugte Getränk in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ist der Wein, der bekannteste Spross ist Johannes Gutenberg, der Erfinder der modernen Druckerkunst. „Er wurde um 1400 als Johannes Gensfleisch auf dem Hof zum Gutenberg geboren“, erzählt Claudia Strehl: „Zwar stammt er aus einer Patrizier- und Kaufmannsfamilie, aber Pressen waren ihm sicherlich aus der weinreichen Region bekannt. So war die Konstruktion seiner Druckerpresse vermutlich eine Weiterentwicklung einer Spindelpresse wie sie auch bei der Most- und Weinherstellung eingesetzt wurde. Zwei weitere Elemente seiner Erfindung waren bewegliche Metalllettern und Farben.“ Umfangreiche Informationen zu Gutenbergs Leben und Wirken gibt es im gleichnamigen Museum in der Nähe des Marktplatzes. Auch zwei der berühmten 42-zeiligen Gutenberg-Bibeln sind hier ausgestellt.

Rheinterrassenweg - Gutenberg-Denkmal in Mainz

Gutenberg-Denkmal in Mainz

An den Ruinen des Römischen Theaters, das einst 10.000 Zuschauern Platz bot, beginnt der 60 Kilometer lange Rheinterrassenweg, der entlang der Rheinebene die beiden Städte Mainz und Worms miteinander verbindet. Auf diesem Abschnitt gibt es keine Burgen, keine Loreley und auch keine von Amerikanern, Japanern und Kegelclubs überlaufene Drosselgasse. Der Weg schlängelt sich durch Weinreben und beschauliche Orte mit großen Namen wie Nacken-, Oppenheim oder Nierstein. Rheinhessen ist mit seinen 26.500 Hektar Rebfläche das größte deutsche Weinanbaugebiet zwischen Bingen, Mainz, Worms und Alzey. Ein von der Sonne verwöhntes Gebiet mit milden Wintern. Hier kommt man meist ohne Regenschirm aus. Höhenzüge wie Hunsrück, Taunus und Odenwald schützen vor kalten Winden.

Rheinterrassenweg - Rebstöcke

Rebstöcke am Rheinterrassenweg

Nachdem wir den Mainzer Stadtpark durchquert haben, verläuft die Route zunächst am Fluss entlang bis zur Laubenheimer Höhe. Jetzt dominieren Rebstöcke soweit das Auge reicht. Pralle Dolden mit roten und weißen Trauben leuchten in der Sonne. Müller-Thurgau, Riesling, Silvaner, Scheurebe, Weiß- und Grauburgunder überziehen die sanften Hänge. Tiefer einsteigen in die Weine Rheinhessens können wir auf dem Weinerlebnispfad nahe Bodenheim – dem ersten Etappenziel nach 15 Kilometern. Hier präsentieren sich alle Rebsorten der Region auf schmalen Parzellen mit Hinweistafeln und kurzen Erläuterungen. Früher ein reines Weißweingebiet, macht der Rotwein in Rheinhessen inzwischen über 30 Prozent aus. Die vorherrschende rote Traubensorte ist der Dornfelder. Aber auch Spätburgunder und Portugieser fühlen sich hier heimisch.

Rheinterrassenweg - Rote Trauben

Rote Trauben

Gleich hinter Nackenheim kommt wieder Vater Rhein in Sicht. Hier wurde 1896 der später in Mainz aufgewachsene Schriftsteller Carl Zuckmayer geboren. Sein Theaterstück „Der fröhliche Weinberg“, das 1925 in Berlin uraufgeführt wurde, spielt allerdings in einem fiktiven Winzerdorf. Als einziger der kleineren Orte entlang des Wanderwegs liegt Nierstein direkt am Rheinufer. Die „Glöck“ unterhalb der Sankt Kilianskirche ist die älteste urkundlich erwähnte deutsche Weinbergslage. Je näher wir der verträumten Kleinstadt kommen, desto mehr rote Erde knirscht unter den Stiefeln. Am „Roten Hang“ bewirtschaftet Winzer Jochen Schmitt zweieinhalb Hektar Rebfläche. Mit Sohn Laurenz ist er dabei, den letzten Beschnitt vor der Ernte zu tätigen.

Rheinterrassenweg - Blick vom Brudersberg Weinlage am Roten Hang

Blick vom Brudersberg am "Roten Hang"

„Seit 1628 betreiben wir Weinbau. Heute bereits in der 17. Generation“, sagt Schmitt stolz: „Der offizielle Name des Roten Hangs lautet Niersteiner Horst. Es handelt sich um eisenhaltigen Ton- und Sandstein und Kalkeinlagerungen aus dem mittleren Tertiär. Zusammen mit den klimatischen Bedingungen verleihen die Mineralien den Weinen einen einzigartigen Charakter.“ Er selbst trinke am liebsten Weißwein, weshalb er auch nur einen seiner 13 Hektar Ackerland mit Rotweinreben bestückt habe, so Schmitt. Erntehelfer benötige er nicht viele. „Trauben von den ebenen Flächen werden innerhalb einer Woche mit einem Vollernter eingebracht. Nur eineinhalb Hektar Steillage lesen wir per Hand.“ Den perfekten Rheinblick und hinüber ins Hessische Ried genießen wir vom Brudersberg, dem Filetstück des Roten Hangs. In der Ferne unweit des Taunus glitzert die Hochhaussilhouette Frankfurts am Horizont, zur anderen Seite erhebt sich der dunkle Odenwald.

Oppenheimer Krötenbrunnen heißt die Großlage oberhalb der Nachbargemeinde mit der weithin sichtbaren gotischen Katharinenkirche. Doch auch in die Unterwelt der historischen Altstadt steigen wir hinab. Nachdem die Stadt vor über 1.000 Jahren Marktrechte erhalten hatte, wurden mehr Lagerstätten benötigt. Problemlos ließen sich Gänge und Keller in die Kalk- und Lößschicht graben. In Kriegszeiten dienten sie als Versteck und Fluchtwege.

Rheinterrassenweg - Oppenheim mit der weithin sichtbaren gotischen Katharinenkirche

Oppenheim mit der gotischen Katharinenkirche

Auch in Guntersblum, dem Ziel des dritten Tages, gibt es eine über einen Kilometer lange, höher gelegene Straße, in der sich Weinkeller aneinander reihen. Über Jahrhunderte haben Winzer in den vor Grund- und Hochwasser sicheren Kelterhäusern und tiefen Kellern ihre Weine ausgebaut und gelagert. Eine weitere Besonderheit in Guntersblum ist die evangelische Kirche St. Viktor mit ihren Heiden- oder Sarazenentürmen. „Vier romanische Kirchen dieser Art gibt es in Rheinhessen“, erklärt Pastor Johannes Hoffmann: „Im Nachbarort Alsheim, in Dittelsheim und in Worms. Der Ursprung der orientalisch anmutenden Turmhelme geht vermutlich auf die Zeit der Kreuzzüge zurück.“

Rheinterrassenweg - Kaiserdom Sankt Peter in Worms

Kaiserdom Sankt Peter in Worms

Kurz vor Worms verlassen wir die Welt der Reben und wandern auf den letzten Kilometern zwischen Feldern und Wiesen. Die vier Türme des kleinsten der drei Kaiserdome entlang des Rheins (die beiden anderen stehen in Mainz und Speyer) weisen den Weg ins Wormser Zentrum. In der Stadt der Nibelungen stritten sich die Sagengestalten Kriemhild und Brunhild. Hier schmiedete Hagen seinen Plan zur Ermordung Siegfrieds. Brunnen und Denkmäler sind ihnen gewidmet. Letzteres auch dem Reformator Martin Luther. Embleme und Figuren zeigen die Reformationsgeschichte. Im Mittelpunkt steht der Reichstag zu Worms von 1521. Weniger dramatisch geht es am Winzerbrunnen in der Kämmererstraße zu. Er versinnbildlicht, dass auch Worms im Wonnegau ein bedeutender Weinbauort ist.

Rheinterrassenweg - Martin-Luther-Denkmal von 1868 von Ernst Rietschel in Worms

Martin-Luther-Denkmal von Ernst Rietschel (1868) in Worms

 

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