Text und Fotos: Beate Schümann
Der Gang zur Fischbude ist an der Küste obligatorisch. Neben den Brötchen mit Krabben, Lachs, Aal, Schillerlocke und Makrele türmen sich die mit Bismarck-Hering am höchsten. Von Eckernförde über Travemünde bis nach Wismar und Rügen schiebt man sich den zwischen Salatblatt und Zwiebelringen Eingeklemmten von der Hand in den Mund. Nicht nur, weil er eine Delikatesse ist, sondern auch, weil er gegen den Kater hilft.
Der sauer eingelegte Bismarck-Hering kam erst 1871 durch hoheitliche Gnaden ans Licht der Welt. Obwohl der kleine Silberfisch einmal ein vornehmes Gericht war, gehörte er sauer nicht zu den erklärten Lieblingsspeisen des Eisernen Kanzlers Otto von Bismarck. Dennoch erhielt der preußische Staatsmann eines Tages originelle Post von Johann Christian Friedrich Wiechmann, dem Besitzer einer Fischkonservenfabrik in Stralsund: Es handelte sich dabei um ein Holzfass voller Original Stralsunder Heringe zum Geburtstag.
Wie kam der Hering zu Bismarck?
Der frische, entgrätete Ostseehering, den seine Frau in einem sauren Aufguss einlegte, zählte zu den Delikatessen des Fischhändlers. Bismarck übermittelte dem Gratulanten ein höfliches Dankschreiben, woraufhin der clevere Geschäftsmann mit einem zweiten Fass nachsetzte. Im Begleitschreiben trug er ihm an, Namenspatron der schmackhaften Fischspezialität zu werden. Bismarck willigte ein, und Wiechmann machte mit dem kleinen Fisch großes Geld.
Wiechmanns Fischfabrik und auch Bismarcks handschriftliches Dokument verbrannten im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf Stralsund. Damit hätte die Geschichte ein Ende gefunden, wenn nicht der Stralsunder Fischhändler Henry Rasmus die Urenkel Wiechmanns ausfindig gemacht und von ihnen das verschollen geglaubte Rezept für die Original Stralsunder Bismarck-Heringe erhalten hätte. Nun tritt Rasmus in die Fußstapfen seines Vorgängers.
Ein Königreich für den Hering
Der Hering als Speisefisch hat Höhen und Tiefen erlebt. Lange vor Bismarck galt der nahrhafte Fisch als typisches Arme-Leute-Essen. Nicht der Geschmack war dafür maßgeblich, sondern sein Überangebot.
Das sogenannte „Silber“ der Ostsee war zur Hansezeit für den Aufstieg und Fall ganzer Küstenstriche verantwortlich, oft genug sogar ein Garant von Königreichen und Handelsimperien. Und das Silber klingelte, denn der Hering tritt in Schwärmen von bis zu zweitausend Stück pro Kubikmeter auf, was es so leicht macht, ihn zu fischen.
Im Frühjahr wandert der Verwandte von Sprotte, Sardine und Sardelle von der Beltsee, dem Skagerrak und dem Kattegatt zu seinen brackigen Laichplätzen. Wenn der Salzgehalt des Wassers bei fünf bis acht Promille liegt, was in der Kieler Bucht, in der Schlei-Mündung, dem Nord-Ostsee-Kanal und der Mecklenburgischen Boddenlandschaft der Fall ist, fühlt sich der clupea harengus so richtig wohl.
Pökeln für die Christenheit
Deshalb bricht ab April unter Anglern das Heringsfieber aus. Dicht an dicht drängen sich dann die Petrijünger auf der 540 Meter langen Brücke über den Strelasund, einem der beliebtesten Herings-Angelplätze an der Ostsee. Alle wollen sie die ersten Heringsschwärme auf dem Weg zum Greifswalder Bodden abpassen. Aus jedem Boot, aus jeder Yacht auf dem Sund hängen die Paternosterangeln.
Richtig gut schmeckt nur der fangfrische Hering, der „Grüne Hering“, wussten schon früher die Fischer. Da sein fettes Fleisch schnell verdirbt, musste er entweder sofort verzehrt oder früh konserviert werden. Im Mittelalter erfand der Flame Wilhelm Bökel den Salzhering, für Millionen Christen die delikate Antwort auf das Einerlei aus Kohl und Mehlspeisen während der Fastenzeit. Die Konservierungsmethode des Salzens wurde deshalb später auch „pökeln“ genannt.
Gepökelt konnte der Hering nach ganz Europa verkauft werden. In den Buden und Restaurants an der Küste bekommt man ihn heute auch gebraten, geräuchert oder, besonders delikat, als Matjes. Und wie einst Wiechmann, so schickte der pommersche Geschäftsmann Rasmus einmal ein Fässchen „Original Stralsunder Bismarck-Heringe“ Richtung Berlin, diesmal an den zu dem Zeitpunkt noch amtierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Räucherfisch in der Räucherkammer
Information
Fischhandel Henry Rasmus
Heilgeiststraße 10
18439 Stralsund
Tel. 03831/281538
Website der Autorin: http://www.beate-schuemann.de
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