Lübeck

Zurück ins Mittelalter

Das Europäische Hansemuseum in Lübeck lädt zu einer Zeitreise ins Mittelalter ein. Verschiedene Stationen gibt es bis Ende des Jahres auch in LEGO-Dioramen zu bestaunen.

Text und Fotos: Dagmar Krappe

 

Hansemuseum Lübeck - Kaufleute im 16. und 17. Jahrhundert

Kaufleute im 16. und 17. Jahrhundert

Gebratene Hühner und Stare, geröstetes Schafsfleisch, gesottener Stör, Wildbret und kalter Rinderbraten, Gebäck, Käse, Früchte, Most, Wein und lübisches Bier. So üppig klingt der Speiseplan. Die Vertreter aus 21 Städten lassen es sich gut gehen auf dem „Hansetag“ anno 1518. Vor dem Lübecker Rathaus herrscht Volksfeststimmung. Trompeter, Fiedler, Flötenspieler und Gaukler heißen die Kaufleute willkommen. Fast vier Wochen lang werden sie diskutieren, streiten, schließlich Lösungen finden und Beschlüsse fassen, um ihre Waren zukünftig noch rentabler zu vermarkten und zu verkaufen. Im extra für diese Zusammenkünfte eingerichteten „Hansesaal“ sitzen die Delegierten auf fein geschnitztem Gestühl. Über ihren Köpfen flackern Kerzen auf geschmiedeten runden Leuchtern. Die Liste der Tagesordnungspunkte ist lang. Nicht die Mehrheit entscheidet, Beschlüsse müssen einstimmig erfolgen. Bei nur einer Gegenstimme geht die Beratung weiter, bis sich alle einig sind. Oder das Thema wird bis zum nächsten „Hansetag“ vertagt.

Hansemuseum Lübeck - der Hansesaal aus dem Lübecker Rathaus ging durch Umbauten verloren

Der Hansesaal aus dem Lübecker Rathaus ging durch Umbauten verloren

Im 12. Jahrhundert waren es zunächst einzelne niederdeutsche Fernhändler, die über holprige Straßen, ungezähmte Flüsse und durch Meere, die durch keinerlei Seezeichen erschlossenen waren, reisten. Sie trugen Rüstungen und waren schwer bewaffnet. Zum Schutz vor Räubern und Piraten bildeten sie Fahrtgemeinschaften und schlossen sich schließlich in der „Hanse“ zusammen, um auch ihre wirtschaftlichen Interessen besser vertreten zu können. Seit sechs Jahren kann man die komplexe Geschichte dieses Handelsbündnisses im „Europäischen Hansemuseum“ in Lübeck erkunden. Am Anfang der interaktiven Museumstour können sich Besucher an einem Terminal für eine bestimmte Hansestadt entscheiden. So erhalten sie an Touchscreens und Hörstationen speziell zugeschnittene Informationen.

„Ein Gründungsdatum gibt es nicht“, erzählt Museumdirektorin Felicia Sternfeld: „Die „Hanse“ blieb ein loses Bündnis, dem im Laufe der Jahrhunderte 200 Städte angehörten. 500 Jahre hielt dieses Netzwerk für den Handel im Norden Europas bis in die Küstenstädte am Mittelmeer.“ Von den jeweiligen Herrschern erhielten die Händler „Privilegien“. Dies waren Zollvergünstigungen oder die Erlaubnis, Niederlassungen, die Kontore, zu gründen.

Hansemuseum Lübeck - Koggen am Ufer der Newa im Jahr 1193

Koggen am Ufer der Newa im Jahr 1193

Vier große Auslandskontore in Russland, Flandern, England und Norwegen bilden die Pfeiler der Ausstellung: Am schilfbestandenen Ufer der Newa liegen schwer beladene Koggen mit Silber, Kupfer, Heringen, Salz und Tuch. Alles ist in Ballen verschnürt oder in Fässern verstaut. Fässer waren die Container des Mittelalters. Nowgorod in Russland ist das Ziel der Männer. Im „Peterhof“ tauschen sie ihre Waren gegen Pelze, Bienenwachs und Honig. Abnehmer für diese Produkte finden sie beim europäischen Adel und in Kirchen.

Hansemuseum Lübeck - Fässer sind die Container des Mittelalters

Fässer sind die Container des Mittelalters

In der „Oude Halle“ am Groten Markt in Brügge stapeln sich bunte Tuche, edle Pelze, glänzende Rüstungen, poliertes Messinggeschirr und allerlei Gewürze. Im „Stallhof“ am Themse-Ufer in London laufen überlebensgroße Portraits einiger Kaufleute über die Museumswände. Hier wird klar, die „Pfeffersäcke“ waren nicht immer so ehrbar und ehrlich, sondern häufig arrogant, und sie trugen ihren Wohlstand zur Schau. In der „Tyske Bryggen“ im norwegischen Bergen türmt sich die Fastenspeise Stockfisch, also getrockneter Kabeljau, auf Tischen und in Regalen. In den Kabinetten zwischen den Kontor-Räumen hängen Faksimile von Briefen, Urkunden und Verträgen mit dicken Siegeln in Vitrinen. Fundstücke wie das Modell einer Kogge, ein Steppwams oder Tuchplomben, mit denen die Händler ihre Stoffballen kennzeichneten, sind zu sehen.

Hansemuseum Lübeck - Oude Hall in Brügge im Jahr 1361

Die "Oude Halle" in Brügge im Jahr 1361

Auch die Entwicklung Lübecks zur „Königin der Hanse“ wird gezeigt. Durch den Fernhandel wurde die Stadt steinreich, sodass die feuergefährdeten Holzhäuser durch Backsteinbauten ersetzt werden konnten. 1.800 Gebäude stehen unter Denkmalschutz und seit 1987 ist der überwiegende Teil der Lübecker Altstadt UNESCO-Weltkulturerbe. „Doch die Kaufleute brachten nicht nur Reichtum in den Ort, Mitte des 14. Jahrhunderts wurde Lübeck von der Pest heimgesucht“, berichtet Felicia Sternfeld: „An der Ausbreitung war der rege Warenaustausch sicherlich nicht ganz unschuldig. Fast ein Drittel der Bevölkerung in Europa starb.“

Hansemuseum Lübeck - Auch Handel mit Salz und Heringen machte die Lübecker Kaufleute reich

Auch Handel mit Salz und Heringen machte die Lübecker Kaufleute reich

Das 2015 fertig gestellte Hauptgebäude des Hansemuseums ist ebenfalls aus Ziegelsteinen errichtet. Die Seitenansicht repräsentiert ein giebelständiges Bürgerhaus. Die Vorderfront erinnert an die mittelalterliche Stadtmauer, die am Fuße des Burghügels verlief. Auf diesem stehen die verbliebenen Teile des einstigen Burgklosters, das bis zur Reformation die Dominikaner bewohnten. Danach wurde es vielseitig genutzt. Inzwischen ist es Teil des Museums. Hinter den alten Mauern finden Sonderausstellungen statt.

Hansemuseum Lübeck - Der Ziegelbau von 2015 soll an die ehemalige Stadtmauer erinnern, dahinter liegt das einstige Burgkoster

Der Ziegelbau von 2015 soll an die ehemalige Stadtmauer erinnern, dahinter liegt das einstige Burgkoster

Bis November d.J. leuchten dort mehrere hunderttausend LEGO-Steine. „Hanse steinreich“ lautet das Motto. René Hoffmeister, der einzige zertifizierte LEGO-Modellbauer in Deutschland, hat mit einem sechsköpfigen Team in seiner Werkstatt im brandenburgischen Niemegk die Kontore und den „Hansetag“ von 1518 in Miniaturformat nachgebaut.

Hansemuseum Lübeck - Diorama Kontor Tyske Bryggen in Bergen, Norwegen

Diorama Kontor Tyske Bryggen in Bergen, Norwegen

Sechs Dioramen sind mit Lichteffekten und Geräuschen versehen. Hinzu kommen Großmodelle wie ein Hansekaufmann, eine Kogge und ein aufgeschnittenes Kaufmannshaus. „So wollen wir das komplexe Thema „Hanse“ Kindern ab sieben Jahren und junggebliebenen LEGO-Fans leichtfüßig näherbringen“, sagt Kurator André Dubisch: „Einige Szenen sind mit den bunten Kunststoffsteinchen viel ausführlicher dargestellt als in der Dauerausstellung. Wir haben sehr viel Wert auf historische Genauigkeit gelegt.“ Hansekaufmann Winni Warendorp und die Schülerin Juna sind LEGO-Figuren, die anhand von Rätseln durch die Zeitreise lotsen.

Hansemuseum Lübeck - Diorama Einmarsch zum Hansetag 1518 ins Lübecker Rathaus

Diorama Einmarsch zum Hansetag 1518 ins Lübecker Rathaus

Bleibt die Frage, warum scheiterte die „Union des Mittelalters“?

Der Niedergang der „Hanse“ kündigte sich bereits Ende des 15. Jahrhunderts an. Christoph Kolumbus entdeckte Amerika. Wenige Jahre später fand Vasco da Gama einen direkten Seeweg nach Indien. Höhere Gewinne wurden jetzt im Überseegeschäft gemacht. Neue Handelsnationen wie Portugal, Spanien, England, Frankreich und die Niederlande betraten die Bühne. Für die „Hanse“ blieben Nord- und Ostsee die wichtigsten Märkte, aber auch hier nahm ihnen die Konkurrenz nach und nach das Ruder aus der Hand. Die Reformation entzweite viele Städte. Schließlich versetzte der Dreißigjährige Krieg der „Hanse“ den Todesstoß. Am letzten „Hansetag“ 1669 nahmen nur noch sechs Städte teil. Der prächtige Saal ging später durch Umbauarbeiten im Rathaus verloren.

Hansemseum Lübeck - Großmodell eines Kaufmannshauses aus dem 14. Jahrhundert

Großmodell eines Kaufmannshauses aus dem 14. Jahrhundert

Doch 1980 gründete man im niederländischen Zwolle den modernen Städtebund „Die Hanse“. Ehemalige Hansestädte des Mittelalters können Mitglied werden. Ein wichtiges Ziel ist der kulturelle Austausch, um das Erbe der Hansezeit bewusster zu machen. Alle zwei Jahre wird der „Hansetag“, eine Art mittelalterliches Stadtfest, in einem anderen Ort ausgerichtet.

 

Informationen

Museum

Europäisches Hansemuseum
An der Untertrave 1
23552 Lübeck
Tel.: 0451 809099-0
E-Mail: info@hansemuseum.eu
www.hansemuseum.eu
Öffnungszeiten: täglich 10 – 18 Uhr

Für den Besuch der Dauerausstellung bzw. der Sonderausstellung „LEGO – Hanse steinreich“ (empfohlen ab 7 J.) ist die vorherige Buchung eines Zeitfensters unter www.hansemuseum.eu erforderlich. Besucher benötigen eine medizinische Maske. Ein negativer Corona-Test ist nicht erforderlich.

Preise: Dauerausstellung – Erw. 13 €; Sonderausstellung „LEGO – Hanse steinreich“ – Erw. 8 €. Kinder bis 6 Jahre frei. Für Familien gibt es unterschiedliche Familientickets, für Jugendliche ab 14 J. Ermäßigungen.

Die Dauerausstellung ist in vier Sprachen - Deutsch, Englisch, Russisch und Schwedisch - konzipiert.

Hansemuseum Lübeck - Großmodell einer Kogge aus dem 14. Jahrhundert

Großmodell einer Kogge aus dem 14. Jahrhundert

Bei der LEGO-Präsentation handelt es sich um eine Wanderausstellung, die ab 2022 auch im Braunschweigischen Landesmuseum (www.3landesmuseen-braunschweig.de), im Ostfriesischen Landesmuseum Emden (www.landesmuseum-emden.de) sowie im Stedelijk Museum Kampen in den Niederlanden (www.stedelijkmuseumkampen.nl) zu sehen sein wird.

 

Informationen über die historische und die moderne „Hanse“ bietet die Website www.hanse.org

 

Übernachten in der Altstadt und in Museumsnähe

Klassik Altstadt Hotel
Stilvoll eingerichtete Zimmer in einem Jahrhunderte alten Gebäude, die jeweils einer Persönlichkeit mit Lübeck-Bezug gewidmet sind.
Tel. 0451 702980
www.klassik-altstadt-hotel.de
Preise: EZ/F ab 76 € (mit Etagenbad ab 54 €), DZ/F ab 156€

Hotel Ko 15
Hotel mit 22 modern eingerichteten Zimmern in einem Gebäude, dessen Ursprünge auf das Jahr 1280 zurückgehen. Direkt am Koberg, der in früheren Jahrhunderten ein Marktplatz war.
Tel. 0451 77715
www.hotelko15.de
Preise: EZ/F ab 69 €, DZ/F ab 105 €, Familienzimmer/F (2 Erw/2 Ki) ab 119 €

 

Allgemeine Informationen

Lübeck und Travemünde Marketing GmbH
Holstenplatz 1
23552 Lübeck
Tel. 0451 88 99 700
E-Mail: info@luebeck-tourismus.de
www.luebeck-tourismus.de

 

 

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