Cornwall

Zu Gast bei König Artus

Text: Elke Sturmhoebel
Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther & Elke Sturmhoebel

"Das sieht ja aus wie Lummerland." Der 13-jährige Hanno erinnert sich offenbar an abendliche Vorlesegeschichten, denn Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, kommen ihm in den Sinn. Auf die Erwachsenen wirkt die Insel eher wie eine kleine Ausgabe des Mont St. Michel in Frankreich. Das winzige Eiland liegt ja auch nicht mitten im weiten, endlosen Ozean, sondern direkt vor der Südküste Cornwalls. Die Felseninsel heißt St. Michael's Mount, und in dem Schloss auf dem Berg wohnt nicht König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte, sondern Lord und Lady St. Levan.

England / Cornwall - St. Michael's Mount

Hoch oben auf dem Fels ein Grafenschloss: St Michael's Mount

Im Moment ist Ebbe. Das Wasser hat sich weit zurückgezogen, den Weg zur Insel freigegeben, so dass wir von Marazion aus auf dem Meeresgrund dorthin spazieren können (Foto rechts: St. Michael's Mount bei Ebbe, Foto: Elke Sturmhoebel). Wir haben Glück. Am Schlossportal wartet ein freundlicher älterer Herr. Es ist nicht der Butler, wie die Kinder zunächst meinen, denn der sieht ja aus wie du und ich, es ist der Lord himself. Tobias glaubt das erst, als er seine Lordschaft auf Ölgemälden identifiziert. Während des Rundgangs klärt der Schlossherr über die Geschichte der Insel auf. St. Michael's Mount war ursprünglich ein Geschenk von Eduard dem Bekenner an die Benediktinerabtei Monte-Saint-Michel in der Normandie. Auf dem Gipfel der Insel errichteten die Mönche ein Tochterkloster. 1535 wurde die Insel der Krone übereignet und zu einer Festung ausgebaut. 1659 schließlich kaufte sie ein Vorfahre des heutigen Lords. Außer ihm und Mylady wohnen auf der Insel 35 Leute, die vier Kinder gehen in Marazion zur Schule.

England / Cornwall - St. Michael's Mount 2Der Lord hat ein Gespür dafür, was den Nachwuchs unter den Besuchern interessiert. Er zeigt die Mumie einer ägyptischen Katze, öffnet das Verlies unter der Klosterkirche, in dem das Skelett eines 2,15 Meter großen Mannes gefunden wurde, und erzählt von dem räuberischen Riesen, der an dem Schloss mitbaute und den Leuten von Marazion das Vieh stahl.

Südwestengland, das sagenhafte Land von König Artus, den Rittern seiner Tafelrunde und dem Wunderschwert Excalibur, ist voller Mythen und Legenden. Die bizarre Küste von Devon und Cornwall, die Dörfer, die an Felsen kleben, und die einsamen Hochmoore sind ein nicht versiegender Quell für Geschichten um Geister, Schmuggler, Strandräuber und Piraten. Eine unerschöpfliche Fundgrube für Schriftsteller. Conan Doyle schickte Sherlock Holmes ins Dartmoor, um den detektivischen Spürsinn am Hund der Baskervilles zu proben. Daphne du Maurier schmiedete im cornischen Küstenort Fowey die geheimnisvolle Story um Rebecca.

In der 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen die ersten Maler nach Cornwall. Sie stellten in St. Ives ihre Staffelei auf, weil das Licht und die Landschaft ihnen so mediterran erschienen.

England / Cornwall - St. Ives

Sommerfrische und Künstlerrefugium: St. Ives

An Motiven gab es keinen Mangel: Weiße Strände, smaragdgrünes Meer, kleine Häfen mit bunten Fischerbooten, Dörfer auf Klippen, die auch in Italien, Portugal oder an der Côte d'Azur stehen könnten.

Vor allem Devon und Cornwall, der äußerste westliche Zipfel im Süden Großbritanniens, ist das klassische Ferienland der Engländer. Als es noch keine Charterketten nach Malta, Madeira oder Spanien gab, sahen sich die Briten nach der Sonne im eigenen Land um. Und die scheint im Süden nun mal am zuverlässigsten. Der Golfstrom, der an Südengland vorbeidümpelt, sorgt für ein mildes Klima mit Temperaturen, die im Winter nur selten unter null Grad absacken. Subtropische Pflanzen wie Palmen gedeihen mühelos an den Strandpromenaden und in Vorgärten. Und die ausladenden Zedern sehen auch nicht viel anders aus als die Pinien am Mittelmeer. Der wesentliche Unterschied zu den mediterranen Gestaden: das Wasser wird selten wärmer als 18 Grad Celsius. Für die Kinder kein Grund, nicht zu baden, wenn die Sonne scheint. Und wenn sich der Himmel bewölkt, kann man so herrlich die flachen Steine übers Wasser ditschen.

England / Cornwall - Palmen

Mildes Klima lässt in Cornwalls Gärten auch Palmen gedeihen

Wir sind mit Kindern im West Country unterwegs. An Cornwalls Nordküste, in einem Hotel in Porth bei Newquay, das ausschließlich Familien mit Kindern aufnimmt, haben wir Quartier bezogen. Hier gibt es alles, was das Kinderherz begehrt: Schwimmbad, Spielkeller, Tischtennis, Tischfußball, Poolbillard. Squash, Basketball und Minigolf können die Kids spielen, die Jüngsten besuchen den Teddybärklub. Vom Babyphon bis zum Buggy ist alles vorhanden. Von morgens bis abends wird ein Animationsprogramm für verschiedene Altersgruppen geboten. Das Rundum-Programm hat einen Nachteil. Um die Kinder aus dem Hotel zu lotsen, bedarf es einiges an Überredungskünsten: Wir wollen nach Lands End, wo England auskleckert; nach Gweek zum Seehund-Krankenhaus; nach Polperro, einem alten Schmugglernest; entlang des Camel-Flusses Rad fahren; zu einem Ort mit dem komischen Namen Mousehole - und Cornish Ice-Cream wollen wir auch essen, das leckerste Eis im ganzen Königreich ...

England / Cornwall - Polperro

Muscheln als Fassadendekor in Polperro, dem alten Schmugglernest

Das Herumfahren braucht Zeit. Denn in Cornwall kommt man nur im Zockeltempo voran. An die motorisierten Touristenströme im Sommer wurden keine Konzessionen gemacht. Auf den kurvenreichen schmalen Fahrbahnen mit mannshohen Hecken am Straßenrand muss man ständig runterschalten, den Fuß vom Gas nehmen. Cornwall ist unverbaut: keine Autobahnen, keine Industrie, kein Ort mit mehr als 20 000 Einwohnern und keine Bettenburgen.

Dafür grüne Hügel, auf denen Schafe und Kühe weiden, und eine spektakuläre über dreihundert Meilen lange Küstenlinie mit mehr als 300 Stränden. Die traditionsbewussten Cornish People sind stolz auf ihre Heimat, die bleiben soll, wie sie ist. Unterstützt werden sie von einem einflussreichen Verbündeten: Prince Charles, Duke of Cornwall. Ihm gehört ein Drittel des Herzogtums. Aus Farmen und Ländereien bezieht er sein Einkommen. Dass aus Land's End, der südwestlichsten Klippe Englands, ein eintrittspflichtiger Rummelplatz geworden ist, hat er jedoch nicht verhindern können. Land's End war ein Ort voller Emotionen. Hierhin ging man, um an Vorfahren zu denken, die nach Amerika ausgewandert sind und nie wiedergesehen hat.

England / Cornwall - Land's End

Land's End (Foto: Elke Sturmhoebel)

England / Cornwall - MouseholeDoch einheimischen Protesten zum Trotz überließ 1987 Maggy Thatcher das Ende Englands einem Multimillionär. Jeder muss nun Eintritt hinblättern, auch wenn er nur zu den kantigen Felsen will. Kinder zahlen die Hälfte, und die indes sind begeistert von dem Vergnügungspark. Sie stürmen das Schiffswrack, die nachgebaute Galeere, bestaunen das Muschel-Museum und streicheln die Bauernhoftiere. 

Mousehole (Foto rechts: Elke Sturmhoebel) wirkt noch so, als sei an dem Ort niemals Hand angelegt worden. Winzige Häuser schmiegen sich rund um den Hafen, in dem bunte Fischerboote schaukeln. Hinter den Häusern verbirgt sich ein Gassenlabyrinth, das sich im Sommer für manche Autofahrer als Mausefalle erweist. Am besten geht man zu Fuß hinein. Von der Hafenmole ist schon von weitem die markante Silhouette von St. Michael's Mount zu sehen.

 

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