Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab
Yorkshire – ein Name, den viele fast unweigerlich mit den gleichnamigen Terriern gleichsetzen; aber auch mit dem kaum minder bekannten Yorkshire Pudding, jener englischen Sättigungsbeilage zum Sonntagsbraten, die aus Mehl, Milch, Eiern, Fett, Salz und Pfeffer in einer Auflaufform zubereitet wird. Yorkshire steht aber auch für unberührte Natur, liebliche Hügel und unendliche Weiten, die in den TV-Abenteuern des Fernseharztes James Harriot in der Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ prächtig in Szene gesetzt wurden. Derweil lieben Naturfreunde Yorkshire für seine abwechslungsreichen Wanderwege wie etwa den Cleveland Way von Helmsley nach Filey. Was die wenigsten aber wissen, ist die Tatsache, dass Yorkshire auch für Kulturbeflissene ganz Besonderes zu bieten hat.
Galerie The Hepworth in Wakefield
So hat sich die im Mai 2011 eröffnete Galerie The Hepworth in Wakefield (1) binnen kürzester Zeit zu einem Mekka für Kunstliebhaber entwickelt. Dabei setzt die nach Bildhauerin Barbara Hepworth benannte Galerie nicht nur architektonische Akzente in der 75.000-Seelen-Gemeinde im Westen der Grafschaft, sondern lenkt auch bewusst den Fokus auf zeitgenössische Kunst. Der Bau selber wurde nach Plänen von Stararchitekt David Chipperfield errichtet und umfasst zehn repräsentative Räume mit einer Ausstellungsfläche von 650 Quadratmetern. Den Grundstock für die Dauerausstellung bilden 40 Arbeiten von Namensgeberin Barbara Hepworth, die von ihren Nachfahren gestiftet wurden.
Die 1975 verstorbene Künstlerin, die auch zweimal im Rahmen der documenta in Kassel ausstellte, hatte 1903 in Wakefield das Licht der Welt erblickt und den Großteil ihrer Jugend hier verbracht. Nach St. Ives in Cornwall, wo Barbara Hepworth seit 1980 ein eigenes Museum mit Skulpturengarten gewidmet ist, setzte nun auch ihre Geburtsstadt Wakefield seiner wohl berühmtesten Tochter mit der Galerie ein begeisterndes Denkmal. Ein Denkmal, in dem das Werk von Barbara Hepworth den Schwerpunkt der Sammlung bildet. Ergänzt wird die Dauerausstellung unter dem Titel „Yorkshire in Pictures“ von einer Reihe sehenswerter Gemälde aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie von Wechselausstellungen mit zeitgenössischer Kunst.
Yorkshire Sculpture Park
Nur wenige Kilometer außerhalb von Wakefield liegt der 1977 gegründete Yorkshire Sculpture Park (2). Allein in der 200 Hektar großen Parkanlage warten gut 60 Skulpturen so namhafter Künstler wie Henry Moore, Barbara Hepworth, Antony Gormley, Andy Goldsworthy, Jonathan Borofsky und David Nash darauf, entdeckt zu werden. Das Wandeln zwischen den Skulpturen wird dabei nicht selten zum Gang zwischen Kunst, Kötteln und grasenden Wollknäueln. Denn rings um die Kunstwerke betätigen sich zahllose Schafe als vierbeinige Rasenmäher und bilden einen tierischen Kontrast zu den Exponaten aus Metall, Stein und Holz.
„Wir machen Kunst im wahrsten Sinne des Wortes begehbar – und dies völlig kostenfrei“, verkündet Nina Rogers, Marketing Officer des YSP nicht ohne Stolz mit Blick auf die mehr als 300.000 Besucher im Jahr. Wie sehr die Kunstfreunde im Yorkshire Sculpture Park mit den Füßen abstimmen, hängt sicherlich auch damit zusammen, dass in der angeschlossenen Galerie immer wieder absolut sensationelle Ausstellungen - wie etwa die Installationen des spanischen Künstlers Jaume Plensa - zu sehen sind.
UNESCO Weltkulturerbe Saltaire
Lohnend ist auch ein Abstecher vor die Tore der Industriemetropole Bradford zum UNESCO Weltkulturerbe Saltaire (3). Die im Auftrag des Textilfabrikanten Titus Salt Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Siedlung mit Fabrikanlage und Wohnhäusern gilt als Musterbeispiele einer englischen Arbeitersiedlung. In aller Bescheidenheit taufte Salt diese Fleckchen Erde in Anlehnung an seinen Nachnamen und die Lage am River Aire in „Saltaire“. Die Straßen benannte er nach sich, seiner Frau Caroline, den elf Kindern, Queen Victoria und den Architekten Henry Lockwood und Richard Mawson. Und während die Fabrik seit zweieinhalb Jahrzehnten Geschichte ist, zeigt in Teilen der einstigen Fertigungshallen heute die grandiose Galerie 1853 die Werke des 1937 in Bradford geborenen Malers, Grafikers und Bildhauers David Hockney.
Arbeiten von David Hockney
„Saltaire ist fraglos eines der prächtigsten Industriedenkmäler in Großbritannien, auch wenn sich an der Person von Titus Salt die Geister scheiden“, so Keith Mulhearn. Auch der 45-jährige Hobbyhistoriker und Buchautor aus York ist gleichermaßen fasziniert wie schockiert vom Lebenswerk des späteren Bürgermeisters von Bradford. Bereits 1853 wurde Salts Mill, eine sechsstöckige Textilfabrik, in der mehr als 3.000 Beschäftigte an 1.200 Webstühlen arbeiteten, eröffnet. Äußerlich war das monumentale Bauwerk der Kirche Santa Maria Gloriosa in Venedig nachempfunden.
Salts Mill
20 weitere Jahre sollten ins Land gehen, ehe das Dorf mit seinen Cottages, Schulen, einem Krankenhaus, einer Kirche, einem Badehaus, einer Polizeiwache, einem Freizeitzentrum, einer Bücherei, einem Seniorenwohnheim und Geschäften fertig gestellt wurde. Jede Arbeiterfamilie erhielt ein eigenes Häuschen mit Garten.
„Titus Salt war ein absoluter Kontrollfreak“, urteilt Mulhearn im Rückblick. Denn die Häuser der Vorarbeiter verfügten über kleine Türme, von denen aus das Dorf überwacht werden konnte. Salt sorgte unter dem Vorwand, dass der Genuss von Alkohol der Arbeitskraft schaden und zu Unfällen in der Produktion führen könnte, dafür, dass in „seiner Stadt“ kein Pub errichtet wurde.
Saltaire from Leeds and Liverpool Canal
„Dies hatte nichts damit zu tun, dass Salt Antialkoholiker gewesen wäre, sondern weil er schlicht nicht wollte, dass sich Leute trafen, um über ihn und die Arbeit zu lästern“, so die Überzeugung von Mulhearn. In dieses Bild passen auch die Verhaltensregeln, die der Stadtgründer den Bewohnern auferlegte. So waren Menschenansammlungen von mehr als acht Personen auf der Straße strikt untersagt. Außerdem empfahl Salt den Bewohnern, sich mindestens zweimal pro Woche zu waschen. Und wer montags oder donnerstags morgens ungewaschen erwischt wurde, musste eine Strafe entrichten.
„Schon zu Lebzeiten war Salt umstritten. Einerseits sorgte er - gemessen an der damaligen Zeit - für erstklassige Lebensbedingungen, andererseits versuchte er das Geld in den eigenen Reihen zu halten“, geht Mulhearn hart mit Salt ins Gericht. Zumal die Arbeiterfamilien gezwungen waren, ausschließlich in den Geschäften von Saltaire zu kaufen, in der Kantine zu Mittag zu essen, Schulgeld an ihn zu entrichten und für die Häuser Miete an ihn zu zahlen.
1876 verstarb Titus Salt im Alter von 73 Jahren. Seine Fußstapfen waren für seine Erben zu groß. Die Krise in der Textilindustrie tat ein Übriges. Die Fabrik schloss 1986 endgültig ihre Pforten. Jonathan Silver übernahm 1987 die leer stehenden Gebäude und siedelte hier mit großem Erfolg High-Tech-Unternehmen, Geschäfte, Restaurants und Kunsthändler an; und eben jene viel beachtete 1853 Gallery, die sich vornehmlich dem Leben und Werk von David Hockney widmet.
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