Wanderungen ins Blaue

Auf literarischen Spuren und GPS-kartierten Routen entlang der Cote d’Azur

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Es ist wirklich das Land der blauen Farbe; man findet dort alle Nuancen des Blau, von den zartesten Tönen bis zu den kräftigsten, vom feinen Blau der Berge bis zum tiefen Blau des Himmels und zum Pfauenblau des Meeres…“ – so beschrieb der französische Autor Henri Morris im Jahr 1911 den Küstenabschnitt zwischen Marseille und der italienischen Grenze. Ein Teil der Mittelmeerküste, den der französische Anwalt, Literat, Beamte und Bürgermeister Stéphen Ligard im Jahr 1887 erstmals als Cote d’Azur bezeichnet hatte.

Frankreich - Cote d'Azur - Küstenbad

Nizza, Monaco, Saint-Tropez, Cannes – viele verbinden mit der Cote d’Azur vor allem die klangvollen Namen mondäner Küstenbäder. Doch die französische Riviera hat auch ein anderes, romantischeres Gesicht. Es gibt eine Cote d’Azur, die von kleinen Fischerhäfen und entlegenen Buchten geprägt ist, von schattigen Wegen durch Pinien- und Kiefernwäldern, von einsamen Buchten und gelb blühenden Ginsterbüschen.

Frankreich - Cote d'Azur - einsame Bucht

Eine Cote d’Azur, deren schönste Stellen man nicht mit dem Auto erreichen kann, sondern deren versteckten Charme man am ehesten entdeckt, wenn man sich mit Wanderstiefeln und Tagesrucksack auf schmale Küstenpfade begibt.

Frankreich - Cote d'Azur - Bucht

Die östlich von Marseille gelegenen Calanques, fjordartige Buchten, die tief in die Kalksteinfelsen eingeschnitten sind, verlocken nicht nur zum Baden, sondern bieten Wanderern, die das Auf und Ab entlang der Küste nicht scheuen, auch grandiose Panoramablicke, bei denen sich die verschiedensten Blauarten abwechseln mit türkisgrünem Wasser, gelb leuchtendem Ginster und grünen Kiefernwäldern. Der Nürnberger Autor Ralf Nestmeyer, seit Jahren ein passionierter Südfrankreich-Reisender, hat im Jahr 2009 einen Provence-Wanderführer herausgegeben, der mehr bietet, als bislang üblich war. Denn bei der Erstellung des Wanderbuches hat Nestmeyer sämtliche Touren mit einem GPS-Gerät erkundet und vermessen. Wer die Strecken nachwandert, kann sich deshalb darauf verlassen, dass die Höhenprofile im Wanderführer ganz exakt sind. Technikliebhaber, die selbst ein GPS-Gerät mit dabei haben, können anhand vorher eingegebener Koordinaten ganz genau nachvollziehen, an welchem Punkt der Strecke sie sich befinden – und ob sie sich noch auf der vorgeschlagenen Route bewegen oder davon abgekommen sind. Unbeabsichtigtes Verlaufen wird quasi unmöglich.

Frankreich - Cote d'Azur - GPS

Ralf Nestmeyers Provence-Wanderführer, der im Erlanger Michael-Müller-Verlag erschienen ist, stellt neben zahlreichen Touren durch das Binnenland der Provence auch einige der schönsten Küstenwanderungen vor. Zum Beispiel eine 14,5 Kilometer lange Rundwanderung zu den Calanques von Cassis, die vor rund 10.000 Jahren nach der letzten Eiszeit erstanden sind und heute herrliche natürliche Schwimmbecken bilden. Drei solcher Fjorde werden bei der Wandertour gestreift, darunter die Calanque de Port-Miou und die Calanque d’eu Vau.

Frankreich - Cote d'Azur - Wanderung

Oder eine Wanderung von La Ciotat zum Cap Canaille, eine Tour, die auf Felsklippen entlang der Küste führt und die von der höchsten Klippe Frankreichs aus, dem 363 Meter hohen Cap Canaille, grandiose Ausblicke auf die Bucht von Cassis und auf die Ile de Riou eröffnet.

Frankreich - Cote d'Azur - Wanderung

Noch nicht genug? Dann bietet sich eine der schönsten Küstenwanderungen aus Nestmeyers Wanderbüchlein an –Tour Nr. 38, eine 13,3 Kilometer lange, abwechslungsreiche Strecke, die an der Strandpromenade von Les Lecques beginnt und anschließend auf dem Sentier du Littoral, einem französischen Fernwanderweg, auf steinigen Pfaden und an imposanten Klippen entlang Richtung Osten führt. Zum Teil durchquert der Sentier du Littoral dabei Schatten spendende Kiefern- oder Pinienwälder. Auch einige Villen, die sich traumhafte Küstenblicke gesichert haben, liegen entlang des Weges, auf dem der Wanderer nach knapp acht Kilometern den Calanque du Port d’Alon erreicht. Spätestens hier ist ein Badestopp Pflicht – es sei denn, man wandert im Frühjahr und das Wasser ist noch zu frisch.

Exil in Bandol

Die Endstation der Wanderung ist das liebenswerte Städtchen Bandol, in dessen Umgebung vorzügliche Rot- und Weißweine angebaut werden. Bandol war der erste Ort in Südfrankreich, in dem sich Lion und Marta Feuchtwanger nach ihrer Emigration aus Nazideutschland in den 30er Jahren einquartierten. Das Paar lebte dort im Hotel La Reserve, bevor es eine allein stehendes Haus zwischen Bandol und Sanary entdeckte, das an einem schrägen Hang direkt am Meer lag und das das Paar für 14.000 Francs Jahresmiete beziehen konnte: die Villa Lazare. 1934 zogen die Feuchtwangers erneut um, und zwar in die Villa Valmer im Küstenort Sanary. Dort lebte das Ehepaar Feuchtwanger sechs Jahre lang. Die Ausstrahlung der Feuchtwangers trug kräftig dazu bei, dass sich Sanary-sur-Mer in den 30er Jahren zur „Hauptstadt der deutschen Literatur“ entwickelte, so Ludwig Marcuse – einer von mehr als drei Dutzend deutschen und österreichischen Exilschriftstellern, die während der Nazidiktatur zeitweise in Sanary Zuflucht gefunden hatten. Neben Feuchtwanger und Marcuse waren dies unter anderem Arnold und Stefan Zweig, Heinrich und Thomas Mann, Egon Erwin Kisch und Arthur Köstler, Theodor Wolff und Joseph Roth, Hermann Kesten und auch Franz Werfel, der in Sanary in einem Windmühlenturm gewohnt hatte. Eine im Jahr 1987 eingeweihte Gedenktafel erinnert an die Namen der wichtigsten Exilschriftsteller. Und ein Spazierweg, an dem zahlreiche Info-Tafeln aufgestellt sind, führt auf insgesamt sechs Kilometern durch den Ort. Eine der wichtigsten Stationen ist die Villa La Tranquille, der Nachbau eines 1944 gesprengten Hauses, in der Thomas Mann wichtige Passagen des Romans „Joseph und seine Brüder“ geschrieben hatte. Seine Tochter Erika und sein Sohn Klaus logierten währenddessen im Hotel de la Tour am Hafen von Sanary, ein Hotel, von dessen Dach aus man auch heute noch eine grandiose Aussicht über die Hafenpromenade und die kleine Marina des Ortes hat.

Frankreich - Cote d'Azur - Marina

Bereits vor den deutschen Autoren, die ja nicht freiwillig ausgewandert waren, hatten mehrere englische Schriftsteller den Charme von Bandol und Sanary entdeckt – darunter Aldous Huxley, der bereits 1930 ein Haus in Sanary gekauft hatte und H.D. Lawrence, der 1928 nach Bandol gezogen war, um Abstand zu Zensurstreitigkeiten in London zu gewinnen. Lion Feuchtwanger hat sich später übrigens gerne an Südfrankreich erinnert und beteuert in seinen Memoiren „die Schönheit der Landschaft und die Heiterkeit des Lebens dort mit allen Sinnen genossen“ zu haben. Dem Nürnberger Ralf Nestmeyer geht es vermutlich nicht anders, wenn er mit Wanderstiefeln und GPS-Gerät wieder einmal zu einer Küstenwanderung aufbricht.

 

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