Island im Überblick

Seit der politischen Annäherung von Gorbatschow und Reagan, die im Oktober 1986 in Reykjavik ihren Anfang nahm, weiß eigentlich jeder, wo Island liegt. Vom „Grossen Geysir“ hat man auch schon mal was gehört, ja, und natürlich vom „Island-Tief“, das uns immer regnerisches Wetter bringt. Damit sind dann meist die Landeskenntnisse erschöpft, was eigentlich jammerschade ist – gehört die Insel doch zu den schönsten, aufregendsten und vor allem touristisch nicht überlaufenen Landschaften, die wir auf der Welt noch erleben können.

See im Süden Islands

See im Süden Islands

Island ist ein junges Land: vor etwa 25 Millionen Jahren begann die Entstehung durch vulkanische Aktivität im Bereich des Mittelatlantischen Rückens im Nordatlantik – und bis heute ist die geologische Entwicklung nicht abgeschlossen. Eine Reise durch die Landschaften Islands ist der Blick in die Entstehungsgeschichte der Welt, lässt die Urgewalten von Eis und Feuer spüren, während man sich gleichzeitig auf touristisch erschlossenen Pfaden bewegt und bei aller Abenteuerlust nicht auf einen gewissen Komfort verzichten muss.

Allerdings, dies sei vorab bemerkt, hat das Reisen zur Vulkaninsel im Nordatlantik seinen Preis. Die Lebenshaltungskosten sind nicht nur in Islands Hauptstadt Reykjavik astronomisch, sondern erreichen auf der ganzen Insel ein Niveau, das uns erschrecken lässt: Preise, die fast doppelt so hoch sind wie bei uns, machen nicht nur den Touristen zu schaffen, sondern auch den Isländern, für die es nichts Besonderes ist, mehrere Jobs zu haben, um den hohen Lebensstandard finanzieren zu können, und von einer 40-Stunden-Woche spricht auf Island nicht mal die Gewerkschaft.

Zur isländischen Geschichte muss man wissen, dass der erste Siedler, Ingolfur Arnason, imJahre 874 isländischen Boden betrat. Vorher hausten auf der recht unwirtlichen Insel nur zeitlich begrenzt irische Mönche und Eremiten. Arnason gehörte zum Stamm norwegischer Wikinger, die ihre alte Heimat unter dem Druck von Ressourcenknappheit und aus Freiheitsliebe aufgaben und nach Nordwesten aufbrachen.

Vulkanismus am Rande der Hochlandpiste: Hveravellir

Vulkanismus am Rande der Hochlandpiste: Hveravellir

930 gründeten Wikingerhäuptlinge in Thingvellir in Südisland das erste Althing, das Parlament, das als die Wiege der Demokratie gilt. Allerdings hält diese These einer kritischen Betrachtung nicht stand. Frauen hatten im Althing ebenso wenig etwas zu sagen wie Sklaven und Gesinde, und selbst der Platz für die sommerliche Versammlung der Goden, wie die Stammeshäuptlinge hießen, wurde unrechtmäßig konfisziert, indem der Bauer, dem das Land gehörte, des Mordes bezichtigt wurde und das Land der Allgemeinheit zufiel.

Insgesamt war die Geschichte der isländischen Siedler, wie auch die gesamte Geschichte der Wikinger und deren Götter, rau und von Entbehrungen, Naturkatastrophen und der Herrschaft Norwegens und Dänemarks gekennzeichnet.

Erst mit den Amerikanern, die Island als Stützpunkt im 2. Weltkrieg aufgrund der Lage zwischen den USA und Europa benötigten, kam nach und nach Wohlstand ins Land und entwickelte sich Island im Laufe der letzten 50 Jahre zu einem modernen, zukunftsorientierten Staat.

Papageitaucher

Reykjavik ist die nördlichste Hauptstadt der Welt und hat heute rd. 180.000 Einwohner, wobei das Leben in der Hauptstadt klimatisch weitaus angenehmer ist, als es die nördliche Lage vermuten lässt. Im Sommer sind Temperaturen von 20 Grad keine Seltenheit, und die Fußgängerzone ist zur Zeit des Midsommers Ende Juni bevölkert wie bei uns die Innenstädte zur Vorweihnachtszeit. Zu kaufen gibt es alles, was das Herz begehrt, Restaurants und Cafes sind überfüllt, und die Bezeichnung Metropole ist absolut nicht zu hoch gegriffen, das kulturelle Angebot vielfältig. Zwei Wahrzeichen sind aus dem Stadtbild Reykjaviks nicht wegzudenken: Die vom isländischen Staatsarchitekten Samuelsson entworfene Hallgrimskirkja, und Perlan, eine imposante Glaskuppelkonstruktion über den alten Heißwassertanks der Stadt, mit Aussichtsplattform und Luxusrestaurant mit vorzüglicher nationaler wie internationaler Küche. Der Blick über die Stadt ist bei gutem Wetter grandios, und mit etwas Glück kann man sogar bis zur Halbinsel Snaefellsness hinüberschauen.

Allerdings kommen die wenigsten Touristen zur Besichtigung der Hauptstadt und zum Einkaufen nach Island, sondern wegen der einzigartigen Natur. Wer eine eintönige Vulkanlandschaft auf Island erwartet hat, wird von der landschaftlichen Vielfalt der Insel überrascht sein. Island, die Insel aus Feuer und Eis, hat alles zu bieten: grüne Wiesen ebenso wie Eisberge, Sandstrände und Steilküsten, Bergriesen und Gletscher.

In einer Stunde erreicht man von Reykjavik aus das Haukadalur mit dem Geothermalgebiet des Großen Geysirs und des Strokkur. Der Große Geysir gab allen Springquellen der Welt seinen Namen. Bis 1914 war er regelmäßig aktiv, dann galt er als „tot“. Nach Erdbeben und tektonischen Veränderungen im Süden Islands bricht der große Geysir seit dem Jahr 2000 wieder aus, wenn auch nicht regelmäßig. Sein kleiner Bruder, der Strokkur, sorgt allerdings alle 10 Minuten für wunderschöne Heiß-Wasser-Fontänen und lässt die Kräfte der Tiefe erahnen.

Ein paar Kilometer entfernt liegt , der Ort, an dem seit 930 das Althing stattfand, und an dem die amerikanische und europäische Kontinentalplatte jedes Jahr etwa 2 cm auseinander driften. Ebenfalls nur einen Steinwurf entfernt der Gullfoss, Islands schönster Wasserfall. Im Laufe der Jahrtausende hat der vom Langjökull herabfließende Gletscherfluss Hvitá eine 2,5 km lange und 75 m tiefe Schlucht gegraben und stürzt über 2 Basaltstufen zu Tage.

Islands Süden ist geprägt durch Acker- und Weideland, aber auch durch moosüberwucherte Lavaströme und schließlich durch die Gletscher und Mydralsjökull. Mit einer Fläche von 8.300 Quadratkilometern ist der Vatnajökull nach dem Inlandeis Grönlands und der Antarktis der drittgrößte Plateaugletscher der Welt.Zwischen den Gletschern breiten sich auf rd. 100 Kilometern riesige Sander- und Schwemmlandflächen aus, die an eiszeitliche Urstromtäler erinnern. In der kleinen Torfkirche von Nupstadur pflegte man früher ein Gebet zu sprechen, bevor man die beschwerliche Reise durch das unwegsame Gelände zu Pferd antrat. Erst 1974 (!) konnte durch eine letzte Brücke eine durchgängige Straßenverbindung einmal rund um die Insel geschaffen werden.

Bauernhof in Nupstadur (Island)

Wasserfall in der Abendsonne

Im Süden Islands liegt auch der Jökulsarlon, ein bezaubernder Gletschersee, auf dem zu allen Jahreszeiten Eisberge treiben. Eine Bootsfahrt zwischen den in der Sonne glitzernden weiß-blauen Eisbergen gehört zu den bleibenden Eindrücken einer Islandreise. Wer sich nicht auf das nur 2-3 Grad „warme“ Wasser des Gletschersees wagen will, kann auch eine Wanderung am See entlang machen und die Eisberge vom Land aus betrachten. Ein Highlight ist der Gletschersee allemal, - nicht nur bei gutem Wetter. Wenn Nebelschwaden über dem Wasser liegen, das Grau des Nebels alle Geräusche verschlingt, und die Grenze zwischen Himmel und Erde verwischt wird, liegt eine eigentümliche, fast gespenstische Stimmung über der gigantischen Szenerie, die keiner, der sie erlebt hat, je vergessen wird. Kein Wunder, dass die Hälfte der Isländer auch heute noch an Elfen, Trolle und Überirdisches glauben.

Im Osten und Westen Islands befinden sich vom geologischen Aufbau her die ältesten Basaltgesteine. Im Gegensatz zum fast geraden Küstenverlauf im Süden sind Osten und Westen durch Fjordlandschaften und vorgelagerte Inseln gekennzeichnet, die an norwegische Landschaften erinnern.

Der Snaefellsjökull auf der Halbinsel Snaefellsnes war Startpunkt für Jules Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde. Dem Schildvulkan sagt man überirdische Kräfte nach. Überhaupt: Island ohne Geschichten und Sagen, ohne Übersinnliches – das wäre wie ein Winter ohne Schnee und Eis. In kaum einem Land der Welt gibt es so viele Sagen und Überlieferungen wie auf der Insel im Nordatlantik.

Das mehrere hundert Meter hohe Steilküstenmassiv Latrabjark im Westen ist im Frühsommer Anziehungspunkt für Ornithologen aus aller Welt, die dort das Treiben der Papageitaucher, Eissturmvögel und Lummen beobachten. Latrabjark ist der westlichste Punkt Europas, von hier beträgt die Entfernung nach Ostgrönland nur rd. 300 Kilometer.

Der Nordwesten bis hinauf nach Hornstrandir ist fast unbesiedelt. Seit dem Rückgang des Heringsfangs stehen die Fischfabriken hier leer und sind die Höfe verlassen – von grandioser Landschaft und atemberaubenden Blicken auf die Schneewelt des Dranjajökull kann man eben nicht leben. Gjögur war früher das Zentrum des Haifischfangs. Nur wenige Touristen kommen hierher, um in der Einsamkeit zu wandern.

Jökulsa-Tal

Jökulsa-Tal

Auch der Norden Islands ist landschaftlich durch Fjorde geprägt, die allerdings eher großen Buchten ähneln. Akureyri am Ende des Eyjafjördur wurde zwar von Kopavogur und Hafnarfjördur von der Einwohnerzahl her weit überholt, ist aber gleichwohl Islands zweitwichtigste Stadt und die Hauptstadt von Nordisland. Akureyri liegt nur 100 km vom Polarkreis entfernt ist aber gleichwohl aufgrund seiner geschützten Lage eines der wichtigsten Landwirtschaftszentren des Landes.

Nicht nur den Touristen, sondern auch den Isländern selbst bieten sich zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Im Sommer lassen sich von Akureyri aus Wandertouren und Ausflüge zum Godafoss und Myvatn unternehmen. Golffreunde treffen sich zu den Arctic Open auf dem nördlichsten 18-Loch-Golfplatz der Welt. Im Winter tummeln sich auf den Bergen um Akureyri die Skifahrer.

Zu den touristischen Hauptattraktionen des Landes gehört der , benannt nach den Millionen von Mücken, die hier im Sommer ihr Unwesen treiben. Islands viertgrößter See hat eine Maximaltiefe von 4 Metern. Diese geringe Wassertiefe hat zur Folge, dass sich das Wasser des Sees im Sommer auf bis zu 24 Grad erwärmen kann, was das Algenwachstum fördert, auf denen die Mücken ihre Eier ablegen, die ihrerseits wiederum den Vögeln, vornehmlich Enten und Gänsen, als Nahrung dienen. Dass nur eine der zwei am Myvatn vorkommenden Mückenarten zu den Stechmücken gerechnet wird, ist in Anbetracht der Vielzahl der Plagegeister wenig tröstlich. Allerdings geht es den Mücken wie den Touristen: Kälte, Regen und Wind mögen sie nicht, und mit etwas Glück und gutem Mückennetz hält sich die Belästigung in Grenzen.

Das Gebiert um den Myvatn ist auch von besonderem geologischen Interesse. Nur ein paar Kilometer vom Myvatn entfernt liegt eine geologisch aktive und gleichzeitig gefährliche Vulkanzone um den Vulkan Krafla. Hier ist die Erdkruste nur ca. 3 km dick, und der Untergrund ist vergleichbar mit einem still gelegten Bergwerk mit Stollen, Seitengängen und Kaminen. Steigt der Druck des Magma aus dem Erdinneren, werden zunächst die Gänge gefüllt, sind diese aber verstopft, kommt es zu oberirdischen Eruptionen, von denen die so genannten Myvatnfeuer 1724 – 1729 die bekanntesten in historischer Zeit sind. Fast fünf Jahre lang zerstörte ausströmende Lava die Höfe, töteten Giftgaswolken Menschen und Vieh oder zwangen die Menschen zur Auswanderung. Seit die Isländer im Jahre 1964 begonnen haben, 22 Bohrlöcher in die Tiefe zu treiben , um die Erdwärme zu nutzen, kam es während der letzten 40 Jahre verstärkt zu Erdbeben und vulkanischer Aktivität.

Auch heute blubbern am Fuße des Njamafjall graue Schlammtöpfe, ziehen Rauchfahnen und Dampfsäulen über die gelbe Erde und stinkt es penetrant nach Schwefel, als koche Syrtur, der Gott der Unterwelt, seine Suppe. Früher wurde hier Schwefel abgebaut und über den Hafen Husavik exportiert. Heute lohnt sich der Abbau nicht mehr – und die breiten Strassen dienen im Notfall als Evacuation-Routes. Binnen 2 Stunden sollen so alle Menschen aus der Region in Sicherheit gebracht werden können. Das Örtchen Husavik hat sich in den letzten Jahren im Übrigen zur Hochburg für Walsafaris entwickelt.

Zwei Stunden nordöstlich des Myvatn liegt der Dettifoss, Europas wasserreichster Wasserfall, umgeben von einer Schotter- und Geröllwüste, mitgebracht von der Jökulsá, einem Gletscherfluss aus dem Vatnajökull, der tagtäglich Tausende von Tonnen Geröll und Sediment mit sich führt. Am Ende der Welt kann es nicht öder sein: Ein grauer Fluss stürzt sich über graue Kaskaden in eine ebenso graue Basalt-Landschaft hinunter.

Einer der am dünnsten besiedelten Landstriche Islands ist die Halbinsel Melrakkasletta („Fuchsebene“). Sie ist von Mooren und Tundra bedeckt, und in der Tat trifft man in dieser Gegend heute fast mehr Polarfüchse als Menschen.

Bei Raufarhöfn streift der Polarkreis Island. Im Licht der Mitternachtssonne bieten sich dem Besucher, der sich in diese Einöde vorwagt, unvergessliche Bilder, ebenso demjenigen, der sich ins Hochland vorwagt, in Regionen, die früher eine fast undurchdringliche Barriere zwischen Nord und Süd darstellten.

Uwe Lexow


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