Text und Fotos: Beate Schümann
Meran, die elegante Kurstadt am Zusammenfluss von Etsch und Passer, bereitet sich auf den Frühling vor. Überall klopfen, hämmern und sägen Handwerker. Am Himmel über der Pfarrkirche St. Nikolaus, dem mächtigen Kurhaus aus allerbesten k.u.k.-Zeiten, architektonischem Gründerzeitkitsch und hundertprozentigen Jugendstilvillen drehen langhälsige Baukräne. Wenn es stimmt, dass ihre Zahl darüber Auskunft gibt, wie es um eine Stadt bestellt ist, dann boomt Meran.
Unbeirrbar wildromantisch plätschert dagegen die Passer in dem für sie geschaffenen Becken über Stein und Kiesel. Die berühmten Promenaden, zu beiden Seiten von subtropischer Flora gesäumt, führen ins Villenparadies Obermais, zur Zenoburg oder auf den Hausberg Monte S. Benedetto. Blühende Rosen, Jasmin, Geranien, Lilien und Mimosen verströmen Frühlingsdüfte. Die vielen lauschigen Ecken, Gassen, Innenhöfe und Parks liegen noch still, schläfrig und warten gelassen auf den Hochbetrieb, der sich mit den ersten Sightseeingbussen zu Saisonbeginn im Mai einstellt.
Fast eine Million Übernachtungen zählt der Nobelkurort jährlich, dessen mildes Klima die Kurärzte den prominenten Gästen schon im 19. Jahrhundert verschrieben haben und die Hautevolee aus ganz Europa anzog. 1843 entdeckte Erzherzog Franz Joseph, der spätere Kaiser, den Ort und erweckte ihn aus seinem Dornröschenschlaf. Ihm folgten Hofstaat und Geldadel zum Kuren nach, was sich bald in einer enormen Bautätigkeit ausdrückte. Natürlich kam auch „Sissi“, auch wenn ihr Aufenthalt kurz war.
Die jungen Südtiroler interessieren sich natürlich weder für Kuren noch für „Sissi“. Sobald die ersten Sonnenstrahlen hervorbrechen, greifen sie nach schwarzen Sonnenbrillen und bevölkern die zahlreichen Straßencafés. Auch das macht das Flair von Meran aus. Sie investieren ihre Zeit nicht in die Natur, sondern in Espressi, Gucci und Prada. Die Dichte von Schuhläden und Boutiquen dürfte kaum irgendwo höher sein als hier. Hinter den mittelalterlichen, immer etwas schummrigen Meraner Lauben verstecken sich Läden, so luxuriös wie in Venedig oder Mailand. Der italienische Schick berauscht. Die Reue kommt später mit den Kontoauszügen.
Ein botanischer Garten vom Feinsten
Es muss eine höhere Gerechtigkeit sein, die die Kurstadt mit diesem außergewöhnlichen Klima, den herrlich langen sonnigen Frühjahrs- und Herbstphasen, bedacht hat. Das Tal jenseits der Alpen öffnet sich weit genug, um im Sommer keinen brodelnden Hexenkessel zu erzeugen. Die 3480 Meter hohe Texelgruppe ist fern genug, damit im Winter keine eiskalten Schatten auf die Häuser fallen. Wenn anderswo der Frühling ausbricht, ist die Natur in Meran bereits zur Hochform aufgelaufen. Vor der Kulisse von schneebedeckten Bergen blühen rund um die 35.000-Einwohner-Stadt die Obstbäume. Magnolien und Zypressen, auch Palmen sorgen für heiteres südländisches Flair. Die grünen Exoten tauchten ab 1890 im Stadtbild auf, Mitbringsel der weitgereisten Kurgäste. Zu den ersten gehörte die Hanfpalme mit ihrem markanten Wedelschopf, die später zum Wahrzeichen Merans wurde.
Mediterraner Überschwang versus alpine Schroffheit, ein reizvoller Gegensatz, der 1991 die Idee zu einem Botanischen Garten gebar. Rings um das Schloss Trauttmansdorff am östlichen Stadtrand ließ die Südtiroler Landesregierung eine Fläche von zwölf Hektar mit rund 100.000 verschiedenen Pflanzen gestalten, davon mehr als 3000 unterschiedliche Arten und Sorten. Der erste Spatenstich wurde 1994 gesetzt.
Anders als bei den meisten Botanischen Gärten, die von Universitäten gegründet wurden und streng auf Systematik und Vollständigkeit achteten, herrscht in den „Gärten von Schloss Trauttmansdorff“, wie der Name des neuen Botanischen Gartens vollständig lautet, ein anderes Konzept. Hier steht das Vergnügen vor der Erforschung. Nicht die Vollständigkeit wird angepeilt, sondern die Darstellung möglichst vieler Vegetationstypen aus verschiedenen Erdteilen und zwar so, wie sie auch an ihrem natürlichen Standort vorkommen. Ausgangspunkt bei der Auswahl der Gewächse ist der Breitengrad Merans rund um den Globus, auf dessen nördlicher Halbkugel und spiegelverkehrt auf dessen südlicher Halbkugel ein Klima herrscht, das dem Merans weitgehend entspricht. Außer den Orchideen stehen daher alle Pflanzen unter freiem Himmel. Das Kaktushaus und die Limonaia sind nur im Winter überdacht.
„Jungferlen“ und „Gschlafene“
Vier verschiedene Themengärten lassen sich auf gut vier Kilometer Spazierwegen erwandern. Mit Oliven, Feigen, Palmen und Lavendel zeigen die „Sonnengärten“ das typische Bild des Südens. Die „Wasser- und Terrassengärten“ münden über mehrere Etagen in den Seerosenteich. Treppenwege führen in einen italienischen Garten, in dem Pflanzen als Beiwerk der Architektur gestutzt und in Formen gezwungen wurden. Im benachbarten englischen Staudengarten ist dagegen der natürliche Wuchs gefragt. Im Sinnesgarten soll der Geruchssinn geschärft werden.
Typische „Südtiroler Landschaften“ sehen aus wie Flickenteppiche. Kleinteilig wie dieser ist hier die Pflanzendecke, eine Vielzahl von einheimischen, oft unbeachteten oder fast ausgestorbenen Gewächsen. Im Weinberg gedeihen 110 Rebsorten, darunter seltene wie Blatterle, Jungferlen, Frauerle oder Gschlafene. Die „Waldgärten“ zeichnen sich durch den heimischen Flaumeichenwald, Laub- und Nadelbäume aus Amerika und Asien aus, einen Japanischen Garten sowie fernöstlichen Tee- und Reisanbau. Auch Künstler erhielten hier ein Aktionsfeld. Sie kreierten elf Pavillons mit der Auflage, in der Gestaltung jeweils eine Frage aus der Botanik zu beantworten, etwa warum Seerosen nicht untergehen oder wie Kakteen hohe Wüstentemperaturen aushalten.
In Schloss Trauttmansdorff, dessen Grundmauern aus dem Mittelalter stammen und in dem „Sissi“ zweimal zur Winterkur wohnte, ist nach Abschluss der Restaurierung das „Touriseum“ eingezogen, das Museum für 200 Jahre Tiroler Tourismusgeschichte. Die „Sissi-Bank“, eine drei Meter lange weiße Marmorbank, die der einstige Schlossherr Baron von Deuster zur Erinnerung an das österreichische Kaiserpaar unter einen alten Kastanienbaum aufstellte, ist heute der Mittelpunkt der neu gebauten Schlossterrasse. Auch eine „Sissi-Promenade“ ist rekonstruiert worden, auf der die Kaiserin ihre Spaziergänge gemacht haben soll. Mit der gleichnamigen Süßspeise hat Schloss Trauttmansdorff allerdings nichts zu tun. Dennoch bringt das Restaurant des Botanischen Gartens zeitweise süße Reisvarianten auf die Karte. Wenn der Botanische Garten einmal groß ist, kann der Koch den Reis in der hauseigenen Reisplantage ernten.
Auskunft:
Tourismusverband Meraner Land, Gampenstr. 95, 39012 Meran, Tel. 0039-0473-20
04 43, www.meranerland.com.
Die Gärten von Schloss Trauttmansdorff und Touriseum:
St.-Valentin-Str. 51a, 39012 Meran, Tel. 0039-0473-23 57 30. Tgl. geöffnet:
1. April - 15. November: 9.00 bis 18.00 Uhr, 15. Mai - 15. September: 9.00
bis 21.00 Uhr. www.trauttmansdorff.it
Website der Autorin: www.beate-schuemann.de
Suchen bei schwarzaufweiss
Reiseveranstalter Italien bei schwarzaufweiss
Rom sehen und diesem einzigartigen Flair aus antiker Grandiosität und modernem Lifestyle zu erliegen, ist eins. Wer will sich dem Charme jenes pulsierenden Zeitgeistes verwehren, der seit zweieinhalbtausend Jahren unverändert scheint? Denn wo früher Ben Hur und Mannen ihre Streitwagen über das Pflaster jagten, sind die Tumulte im Rom von heute nicht weniger aufregend.
Mehr lesen ...
„Man braucht nicht alles zu sehen, aber gewisse Nummern sind unerläßlich“, so Theodor Fontanes Anleitung für Italienreisende aus dem Jahre 1874. Doch selbst die Zahl der „Unerläßlichen“ ist noch schier erdrückend, folgt man der Unesco-Liste unserer Tage, die Italien mit nicht weniger als 50 Welterbestätten an die Spitze der „Nationenwertung“ setzt.
Mehr lesen ...
Schon Tage vor dem großen Ereignis, dem Palio del Niballo, dessen Wurzeln bis zum Jahr 1414 zurückreichen, schmückt sich die Stadt in der Romagna, der kleineren und weit weniger bekannten Hälfte der Emilia-Romagna, und stimmt sich auf das historische Spektakel ein. Es gilt wie in all den Jahren zuvor, den Angreifer Hannibal in die Flucht zu schlagen. Was sich martialisch anhört, ist tatsächlich ein folkloristischer Wettkampf, den die fünf Stadtviertel Faenzas, die Rioni, gegeneinander austragen.
Mehr lesen ...
Durch die Region Piemont im Nordwesten Italiens führen um die 50 Kilometer lange Sternradtouren ab Romano Canavese zu Burgen und Seen, an den Po und nach Turin.
Mehr lesen ...