Murano und Burano

Venedigs Schwesterinseln

Text und Fotos: Susanne Radke

Jeder kennt Venedig. Jeder liebt Venedig. Klar, es ist ja wahrscheinlich die romantischste Stadt der Welt. Finden auch die Zig-Tausend Touristen, welche die Lagunenschönheit tagtäglich heimsuchen. Wer aber einen ganz ähnlichen Zauber sucht, nur ohne die allgegenwärtigen Menschenmassen, der sollte sich auch einmal auf Entdeckungsreise zu den geschäftstüchtigen Schwesterinseln Murano und Burano begeben. Wohl nirgendwo sonst kann man sich dem Einkaufsvergnügen in so malerischer Kulisse hingeben und neben Schnäppchen auch unvergessliche Erinnerungen sammeln. 

Murano - Murano verzaubert nicht nur durch seine verführerischen Auslagen, sondern auch durch die vielen Kanäle, Brücken und historischen Bauten

Murano verzaubert nicht nur durch seine verführerischen Auslagen, sondern auch durch die vielen Kanäle, Brücken und historischen Bauten

Das Auto muss in jedem Fall stehen bleiben und gut beraten ist, wer dies z.B. auf den bewachten Parkplätzen in Punta Sabbioni (nahe Jesolo) tut, von wo aus alle paar Minuten die Fähren über die gesamte Lagune ausschwärmen. Hier bekommt man sofort eine Ahnung von der Dimension dieser einzigartigen Landschaft, schnuppert Seeluft und kann schon während der Fahrt vorbei an halb versunkenen Ruinen, geschäftigen Fischern oder der Friedhofsinsel San Michele das bunte Boots-Treiben beobachten, das hier in höchst einnehmender Weise die lärmenden Straßen ersetzt. Dazu entdeckt man auch noch viele gefiederte Bewohner dieses Vogelparadieses. Ob Reiher, Kormoran oder Möwen – sie alle lassen sich nicht durch die vorbeiziehenden Schiffe stören und suchen im flachen Wasser nach Beute. Natürlich kann man auch in Mestre oder direkt in Venedig problemlos in ein Vaporetto steigen und dann ist autofreies Flanieren in den schönsten Einkaufs-Fußgängerzonen Europas angesagt.

Faszinierend wie eine Glasskulptur

Wenn man – je nach Ausgangspunkt - nach zumindest einer halben Stunde Fahrt Murano ansteuert, fällt einem auf, wie malerisch der weiße Leuchtturm die Gäste begrüßt und dass diese weltberühmte Heimat der Glasbläser-Kunst mit 1,2 km2 eigentlich gar nicht so klein ist. Zugegeben – auch Murano mit seinen unzähligen Souvenirläden ist längst kein Geheimtipp mehr; aber die Gäste verteilen sich sogar an einem verlängerten Frühsommer-Feiertagswochenende durchaus erträglich auf die vielen kleinen Gässchen dieses historischen Ortes, der eigentlich aus sieben Einzelinseln besteht, die durch Kanäle und Brücken miteinander verbunden sind. Auch hier verströmen die rötlichen Ziegel- und Steinhäuser, Plätze, Kirchen und Palazzi teils bröckelnden Charme, doch kann man leicht feststellen, dass die Kommune offenbar in das Erscheinungsbild investiert. Die meisten Häuser wirken gut gepflegt und man kann entlang des Weges unzählige liebevoll restaurierte Details entdecken. Dazu kommt noch die künstlerische Bereicherung der ohnehin schon attraktiven Szenerie durch bunt schillernde Glasskulpturen. Züngelnde Flammen, ein Eiskristall, der das Blau des Himmels widerspiegelt und Vögel, die sehnsuchtsvoll die Köpfe in Richtung Meer strecken – das sind nur einige der Meisterwerke, die Einem beim genussvollen Schlendern begegnen.

Farbenprächtige Glasskulpturen verleihen den Straßen von Murano noc zusätzlichen Glanz

Farbenprächtige Glasskulpturen verleihen den Straßen von Murano noc zusätzlichen Glanz

Zwischen Kunst und Kitsch

Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, wie die allerorts präsenten Figuren, Schmuckstücke oder Vasen hergestellt werden, kann dies in mehreren noch in Betrieb befindlichen Glas-Manufakturen tun. Der Eintritt ist normalerweise kostenlos und geradezu ungläubig kann man verfolgen, wie aus einem heißen Klumpen Sand innerhalb weniger Minuten, ja oft nur Sekunden, ein kleines Kunstwerk entsteht. Vergängliche Schönheit - denn was im Schaubetrieb für die Touristen produziert wird, hält meist nicht lange, da es viel zu schnell wieder abkühlt und deshalb zerspringt. Die für den Verkauf bestimmten Stücke werden ganz behutsam und tagelang Stufe für Stufe wieder auf Normaltemperatur gebracht.

Murano - Die Mazzega Glas-Manufaktur ist nur eine von vielen, wo man die Herstellung von kleinen Glaskunstwerken life erleben kann

Die Mazzega Glas-Manufaktur ist nur eine von vielen, wo man die Herstellung von kleinen Glaskunstwerken life erleben kann

Die venezianische Glasproduktion wurde Ende des 13. Jahrhunderts aus Angst vor der Brandgefahr der dazugehörigen Öfen nach Murano ausgelagert und erlebte in der ehemaligen Salzproduktionsstätte eine nie da gewesene Blüte. Diese Spitzen-Position verlor man allerdings im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch Glas aus Böhmen und Schlesien und erst durch das Aufkommen des Tourismus und die Eröffnung einer Glasfachschule erlangte Murano gegen Ende des 19. Jahrhunderts neuen Ruhm. Noch heute gilt Muranoglas und seine Herstellungstechnik als weltweit einzigartig, doch sollte man genau hinsehen, wenn man ein vermeintlich „echtes Stück Handwerkskunst“ ganz billig ersteht: Qualität hat auch hier ihren Preis und nur mit Gütesiegel und Zertifikat kann man einigermaßen sicher sein, dass die farbenfrohen Erinnerungsstücke nicht aus Fernost stammen. Schnäppchen finden sich trotzdem genug und zwar in allen nur erdenklichen Stilrichtungen. In jedem Fall gilt, zuerst in Ruhe gustieren und nicht gleich im ersten Laden die gesamte Urlaubskasse investieren!

Farbenprächtige Glasskulpturen verleihen den Straßen von Murano noc zusätzlichen Glanz

Jene Besucher, die sich zwischen unzähligen fragilen Angeboten nicht ganz so wohl fühlen, finden hier trotzdem vieles, was das Anschauen lohnt: Ob die aus dem 12. Jahrhundert stammende Basilika di Santa Maria e San Donato mit ihrem berühmten Mosaikboden (im Zentrum von Murano), das historisch und architektonisch interessante Glasmuseum „Museo Del Vetro“ oder die 1348 erbaute Klosterkirche San Pietro Martire – alles ist innerhalb weniger Schritte erreichbar und dazwischen kann man sich wunderbar in einer der zahllosen Trattorien mit gutem Wein, köstlichem Eis und natürlich jeder Menge regionaler Spezialitäten (Meeresfrüchte, Gemüse und dazu viel Polenta) stärken. Der Blick in die Hinterhöfe lohnt sich – gerade hier sind oft kleine Lokale „versteckt“, die auch von Einheimischen besucht werden.

Eine farbenfrohe Handwerksoase

Mit frischem Elan haben wir uns nach einem späten Mittagessen der ca. 15 Fahrminuten entfernten Nachbarinsel Burano zugewandt. Auch hier steht die Handwerkskunst im Mittelpunkt. Doch was in Murano die Glasbläser, sind in Burano die (weiblichen) Spitzenklöppler, die im 16. bis 18. Jahrhundert eine ähnliche Blütezeit erlebten. Nachdem diese aufwändige Technik dann beinahe in Vergessenheit geriet, war es auch hier die Gründung einer vornehmen Klöppel-Schule (Scuola di Merletti), welche das Handwerk neu belebte. Heute gibt es vor Ort nicht nur Spitzen (darunter ebenfalls viele billige Imitate) zu kaufen, sondern auch Tücher und Kleidung, die in allen Geschmacksrichtungen und Qualitätsstufen zu haben sind. Auch in Burano sollte man sich die Zeit nehmen, in Ruhe das vielfältige Angebot zu vergleichen und je später der Abend, desto bessere Preise lassen sich aushandeln.

Lebendige Idylle

Burano - Die verschiedenen Farben der Häuser dienten den Fischern offenbar als Orientierungshilfe

Die verschiedenen Farben der Häuser dienten den Fischern offenbar als Orientierungshilfe

Nicht minder farbenprächtig als die Tuchwaren sind hier allerdings die unzähligen kleinen Häuschen der Insel (eigentlich sind es genau genommen vier Inselchen), die auf den ersten Blick wie eine Kulisse wirken. Als Künstler oder Fotograf stolpert man von einem entzückenden Motiv zum nächsten und kann sich kaum entscheiden, welcher Blickwinkel nun der charmanteste ist. Aber auch wenn Burano ein wenig wie eine Spielzeugstadt erscheinen mag, spielt sich hier ganz offensichtlich das pralle Leben ab. Die dicht besiedelte Insel wirkt – im Gegensatz zu Venedig – keinesfalls wie eine Touristenattraktion, wo nur noch per glücklichem Zufall auch ein paar Einheimische zu finden sind. Vielmehr wird hier von Tür zu Tür geplaudert, man sieht spielende Kinder, einkaufende Mamas und zufriedene Padres, die auf den Bänken die Sonne genießen.

Dolce fa niente in seiner ur-italienischsten, gemütlichsten Form und als Besucher fühlt man sich auch in den Geschäften und Restaurants eher als wilkommener Gast denn als Tourist. Und selbst die bunten Häuser haben offenbar einen höchst reellen und ziemlich prosaischen Hintergrund: Die unterschiedlichen Farben sollten den heimkehrenden Fischern entweder bei hier häufig auftretendem natürlichem Nebel oder bei alkoholbedingter kurzzeitiger Vernebelung des Gehirns den Weg nach Hause erleichtern.

Burano - Aufmerksame Beobachter entdecken zahllose charmante Details an den Häusern und Türen der Inseln

Aufmerksame Beobachter entdecken zahllose charmante Details an den Häusern und Türen der Inseln

Natürlich gibt es auch auf Burano ein Museum (Museo del Merletto), einen auffällig schiefen Turm (an der Kirche San Martino) und sogar einen berühmten Buranesen - der Komponist Baldassare Galuppi - dem auf dem Marktplatz eine Büste gewidmet ist. Aber zunächst einmal sollte man sich einfach zwischen den bunten Häuserzeilen treiben lassen, vielleicht über die 60m lange Holzbrücke auf die Nachbarinsel Mazzorbo wandern - von der aus man einen besonders schönen Blick auf Burano hat - und sich zwischendurch einen Capuccino gönnen. Trotz heute allgegenwärtiger Espressomaschinen schmeckte dieses Lebenselixier nirgends so gut wie in Italien. Und wenn man dann – wahrscheinlich widerwillig – wieder Richtung Auto schippert, hier noch ein kleiner Insiedertipp: Direkt an der Vaparetto-Station „Treporti“ liegt ein Restaurant (eine ehemalige K.u.K. Zollstation), wo wir nicht nur ein exzellentes Essen genossen haben. Darüberhinaus hat man auf der großen Terrasse auch einen wahrhaft atemberaubenden Blick auf den Sonnenuntergang über der bestimmt schönsten Lagune der Welt - deren wahrer Schatz wohl in der Vielfalt ihrer Inseln liegt.

Burano - Der belebte Marktplatz von Burano mit dem schiefen Turm von San Martino

Der belebte Marktplatz von Burano mit dem schiefen Turm von San Martino

 

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