Mit Luxus durch die Berge

Der Rocky Mountaineer auf der „First Passage to the West“

Text und Fotos: Axel Scheibe

Dudelsackmusik liegt in der Luft. Die irischen Einwanderer haben auch in Kanada ihre unüberhörbaren musikalischen Spuren hinterlassen. In der Ferne zeichnen sich die Hochhäuser der Skyline von Vancouver (1) ab. Mitten im Zentrum, so wie die traditionsreiche Waterfront Station, liegt der Startpunkt des luxuriösen Rocky Mountaineer nicht. Doch kein Problem für die Passagiere, die in wenigen Minuten ihre 2-Tages-Reise in die wilde Bergwelt der Rockys starten werden. Mit Bussen hat man sie bequem von ihren Stadthotels zur Rocky Mountaineer Station gebracht.

Kanada - Blick auf die Skyline von Vancouver

Blick auf die Skyline von Vancouver

Dabei gab es bei einer letzten Fahrt durch die Straßen der Stadt sicher die Gelegenheit, sich an die letzten Tage, den Einstieg in das kanadische Abenteuer zu erinnern. Zwar ist die Zugfahrt für die meisten Touristen als Höhepunkt Grund und Anlass der Reise gewesen, doch das, was Vancouver sozusagen als „Vorspeise“ zu bieten hatte, hat Appetit auf mehr gemacht. Ob Gastwon, der Ort, wo alles begann, die Stadtgeschichte ihre Anfang nahm und bis heute die Gasuhr regelmäßig pfeift oder auch Stanley Island, die Freizeitoase in Fußgängerweite und das Gebiet rings um das Kreuzfahrtterminal und das moderne Congresszentrum, es gab so manches Fleckchen, wo man sicher hätte gern noch mehr Zeit gehabt. Nicht zu vergessen Granville Island mit seinen quirligen Märkten und erste Ausflüge in die Natur, so zum Lighthouse Park vor den Toren der Stadt.

Kanada - Das Panorama-Deck der Gold Leaf Class. Helen sorgt für kulinarischen Nachschub

Das Panorama-Deck der Gold Leaf Class. Helen sorgt für kulinarischen Nachschub

An die 1000 Bahnkilometer, relativ gleichmäßig verteilt auf zwei Tage, liegen vor den Passagieren. Wenn auch der Himmel weint, „Liquid Sun“ (Flüssige Sonne) nennen die Kanadier das, was da vom Himmel tropft, der Empfang ist mehr als herzlich. Ron der Waggonchef und seine beiden sehr jungen Assistentinnen strahlen so, dass die fehlende Sonne mehr als ersetzt wird. Schmuck steht er da, der beeindruckende, zweistöckige Waggon der Gold Leaf Klasse. Das rundum verglaste Panoramageschoss garantiert Naturerlebnisse und aus dem Untergeschoss duftet es bereits verführerisch. In der kleinen Bordküche kümmert sich die Küchencrew um Teil zwei des doppelten Erlebnisses, das den Reisenden im Prospekt versprochen wird, um die kulinarische Seite der Reise.

Kanada - In der kleinen Zugküche wird für die Gäste von Gold Leaf frisch gekocht

In der kleinen Zugküche wird für die Gäste von Gold Leaf frisch gekocht

Langsam setzt sich der Zug, immerhin rund 500 m lang, in Bewegung und zuckelt durch die Vororte von Vancouver. Zuckeln ist dabei ein gutes Stichwort. Meist geht es gemächlich zu. Nur selten nimmt er richtig Fahrt auf. Man will ja schließlich etwas sehen.

Es gehört zu den Standardgeschichten, die man sich erzählt: So mancher Bär soll schon am Zuggleis den Passagieren seine Referenz erwiesen haben. Ob Braun- Schwarz oder Grizzlybär. Zottelig sind sie alle und die Gäste schon mächtig gespannt. Logisch. Wer etwas sieht, soll schnell rufen, so der Hinweis von Ron. Während Syanta den ersten Drink serviert, zeigt die Sonne schüchtern ihre Strahlen. Ein Wechselspiel beginnt. Von nun ab wird nicht nur die Landschaft abwechslungsreicher, sondern auch der Wechsel von Sonne, Wolken, und ab und zu Regen ändern ständig den Blick auf kanadische Natur. Das heißt Kameras raus, Kameras rein. Und das Spiel von vorn. Für so manchen beginnt ein bewegungsreicher Abschnitt. Bei Sonne sind die Plätze auf den Außenperrons sehr begehrt. Ziehen dicke Wolken auf, findet man plötzlich den Großteil der Passagier wieder im gemütlichen Panoramadeck. Nicht selten mit einem Glas in der Hand. Auch Kanada hat gute Weine.

Kanada - Von den Außenplattformen lässt sich am besten fotografieren

Von den Außenplattformen lässt sich am besten fotografieren

Zeit, um einige Fakten rund um die spektakuläre Reise zu erfahren. Wie Ron erklärt, sind rund 440 Gäste an Bord des Rocky Mountaineers. Vier Waggons gehören zu Gold Leaf Klasse, doch auch die Passagiere in Silber Leaf und der Standardvariante Red Leaf erleben die Faszination Kanadas hautnah. Sicher, ganz so komfortabel wie in der Gold Leaf sieht es dort nicht aus. Doch Klassenunterschiede kennt jeder Reisende ja auch aus dem Flugzeug.

Immer wieder ist es Wüstensalbei, der die Strecke säumt und immer wieder sind es schneebedeckte Gipfel der Rockies, die zum Zug herunter grüßen. Das strahlende Silberblau der Zugschlange sorgt in den breiten Flusstälern für einen farbigen Akzent. Besonders die Fotografen wissen das zu schätzen. Ganz so schmuck und komfortabel ging es vor über 125 Jahren nicht zu, als die „First Passage to the West“ British Columbia mit dem Rest Kanadas verband. Zwar in entgegensetzter Richtung, trotzdem auf den Spuren dieser legendären Zugroute, sucht sich der Rocky Mountaineer am zweiten Tag, nach einer erholsamen Hotelnacht in Kamloops (2), seinen Weg Richtung Banff. Ein besonderer Höhepunkt für Bahnfreaks sind dabei die einzigartigen Spiraltunnel, die für die sichere Überwindung der notwendigen Höhenunterschiede in den Fels gemeißelt wurden. Wobei, eigentlich verlässt der Zug damit die ursprüngliche, die „Ur-Route“. Denn in den ersten Jahrzehnten mussten die Züge ihren Weg über den Pass noch ohne Tunnel schaffen. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, das die damalige Eisenbahntechnik bis über die Grenze der Leistungsfähigkeit forderte. Es musste Abhilfe geschaffen werden. Die Tunnel sorgten und sorgen für den sicheren Weg. Immer wieder trifft der Mountaineer auf Güterzüge. Doch nicht auf die deutsche Variante, nein. Zwei Loks vorn, eine in der Mitte und eine am Schluss. Geballte Power. Nicht ohne Grund, 164 Waggons, so die Zählung einer Amerikanerin…

Durch die kleine Bahnstation Craigellachie fährt der Zug leider nur durch. Leute winken, ein Touristenbus ist zu sehen. „Am 7. November 1885 wurde hier der letzte Nagel in die Schwellen der Canadian Pacific Railway geschlagen“, erläutert Ron durchs Zugmikrofon. Die erste transkontinentale Eisenbahnverbindung war geschlossen. Doch“, so ergänzt er noch schmunzelnd, „entgegen mancher Geschichten war es kein goldener, sondern auch nur ein ganz einfacher aus Eisen.“ Wie am Vortag ruft auch jetzt wieder die Küchenmannschaft mit dem belgischen Küchenchef Henry zum Lunch. Nachdem man entlang des Fraser Rivers schon einiges über den Lachsreichtum der Region erfahren hat, wird es Zeit, dass sich diese Erkenntnis auch auf den Tellern im Zugrestaurant widerspiegelt. Wer will sich das entgehen lassen? Für 60 Minuten tritt der Schauwert der Landschaft hinter den Nährwert der Speisen zurück. Trotzdem wandert freilich so mancher Blick hinaus. Noch immer fehlt ein Bär …

Kanada - Der Rocky Mountaineer auf dem Weg nach Banff

Der Rocky Mountaineer auf dem Weg nach Banff

Je näher Banff rückt, desto beeindruckender wird die Kulisse, die die Rockies für ihre Gäste „aufgebaut“ haben. Die Sonne senkt sich bereits in Richtung Horizont, als der Zug, vorbei an den Castle Mountains, auf den Bahnhof Banff zu rollt. Die tausend Kilometer sind geschafft, die Speicherkarten der Kameras voll und die schönsten Eindrücke natürlich im Kopf gespeichert. Mit den zotteligen Gesellen am Zugesrand hat es zwar nicht geklappt, doch so Ron mit verschwörerischer Miene, das muss man ja nicht an die große Glocke hängen. Zwei Tage haben genügt, um die Crew ins Herz zu schließen. Auch viele Passagiere sind sich näher gekommen. Der Abschied fällt nicht ganz leicht. Wer genau beobachtet, kann sogar die eine oder andere Träne entdecken. Doch dafür gibt es keinen Grund. Ein Großteil der Gäste hängt noch einige Tage im Banff National Park (3) an. Eine gute Wahl dafür ist sicherlich das Fairmont Chateau Lake Louise am gleichnamigen See inmitten der Berge. Rund 1.700 Meter hoch gelegen ist es eine perfekte Ausgangsbasis für kurze oder auch längere Ausflüge per pedes in die Bergwelt der Rocky Mountains. Immerhin gilt es nach der Topverpflegung im Zug mit reichlich Bewegung gegen zu steuern.

Kanada - Perle in den Bergen, der Lake Louise

Perle in den Bergen, der Lake Louise

Reiseinformationen

Rocky Mountaineer: „First Passage to The West“, beliebteste Route. Zweitages-Tour inkl. Tranfers, Frühstück, Lunch und Übernachtung in Kamloops (www.rockymountaineer.com) .

Lernidee Erlebnisreisen bietet diese Fahrt verbunden mit ihrer Kanada-Durchquerung im Canadian (www.lernidee.de) .

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseveranstalter Kanada bei schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Kanada

Zehn Millionen Quadratkilometer, die vom Polarmeer bis zu subtropisch wirkenden Sykomorenwäldern reichen; mehr als 30 Nationalparks, von denen allein der Woods Buffalo National Park in Alberta größer ist als die Schweiz: Kanada ist seit jeher der Inbegriff von Wildnis und endloser Weite.

Kurzportrait Kanada

Mehr lesen ...

Hummer, Lachs und Lappentang. Nicht nur für kanadische Gaumen eine Delikatesse

In den Gewässern vor der Küste der Provinz New Brunswick findet man sie: die riesigen im Meer verankerten Tanks mit Zuchtlachsen, die Hummerfischer, die ihre Fangkörbe ausbringen und kontrollieren, ob der ausgelegte Köder Hummer in die Falle gelockt hat, und die mit Lappentang und anderen Algen übersäten Felsenküste der Insel Grand Manan.

Hummer, Lachs und Lappentang in Kanada

Mehr lesen ...

Mit dem Zug durch das zweitgrößte Land der Erde

Charlotte ist glücklich. Sie und ihr Mann Brian stammen aus Florida. Vor 14 Stunden haben sie mit 300 weiteren Passagieren in Toronto das Flaggschiff der kanadischen Bahngesellschaft VIA Rail, den Canadian, bestiegen, um auf rund 4.600 Kilometern das zweitgrößte Land der Welt (nach Russland) zu durchfahren. Einmal von Ost nach West durch fünf Provinzen. Von Toronto am Ontario See, dem kleinsten der fünf Großen Seen, nach Vancouver am Pazifik.

Kanada per Zug

Mehr lesen ...

Pedalbetriebene Zeitreise. Montréal mit dem Rad entdecken

Bruno Lajeunesse hängt an dieser Stadt. Und er zeigt seinen Mitfahrern während der dreistündigen Radtour durch Montréal, warum seine Heimatstadt für ihn der schönste Platz der Welt ist. Bei der ungemein kurzweiligen Tour durch die kanadische Millionenmetropole präsentiert er nicht nur die markantesten Bauwerke, sondern zeigt sein ganz persönliches Montréal, führt zu den Stätten seiner Jugend, zu Plätzen abseits der Touristenpfade. Die Tour de Montréal ist eine pedalbetriebene Zeitreise durch die Geschichte und eine Hommage an die Olympiastadt von 1976 zugleich. Eine Tour, die neben bekannten Sehenswürdigkeiten auch das andere, das weniger touristische Leben der zweitgrößten französischsprachigen Stadt der Welt umfasst.

Montreal mit Rad

Mehr lesen ...