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Riesenschildkröten, ein portugiesisches Fort und die größte Open Air Disco Ostafrikas

Kenias Küste bietet mehr als schneeweiße Traumstrände

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Kenia - Diani Beach

Viele sehen Kenia vor allem als Synonym für Traumstrände am Indischen Ozean und als das Geburtsland der Safari – schließlich stammt das Wort Safari aus dem Suaheli, einer der beiden Amtssprachen Kenias, und bedeutet dort so viel wie Reise. Doch wer zum Urlaub an die kenianische Küste fährt, der kann von dort aus nicht nur knapp fünfzig verschiedenen Nationalparks, Wasserschutzgebiete und Reservate besuchen, sondern unternimmt auch eine Zeitreise in die Geschichte Ostafrikas – die nicht nur von Afrikanern, sondern auch von Portugiesen und Arabern sowie von Indern und Briten geprägt wurde. Wie in einem Brennglas bündelt sich die wechselvolle Geschichte Ostafrikas im wohl am häufigsten umkämpften Gebäude Kenias: Fort Jesus in Mombasa, der zweitgrößten Stadt Kenias.

Fort Jesus in Mombasa

Kenia - Fort Jesus in Mombasa
Fort Jesus in Mombasa

Ursprünglich war das Fort, das ab dem Jahr 1593 gebaut wurde, eine Befestigungsanlage der Portugiesen, die sich vom Fort aus gegen arabische und türkische Schiffe verteidigten. Später war das Gebäude mit seinen dicken, sechzehn Meter hohen Mauern aus Korallenstein ein Vorposten des omanischen Sultans, der darin afrikanische Sklaven gefangen hielt, die auf dem Sklavenmarkt auf Sansibar verkauft werden sollen. In der Zeit der arabischen Vorherrschaft von 1729 bis 1895 wechselten die Machthaber häufig – denn immer wieder beanspruchten die Stellvertreter des omanischen Sultans, die so genannten Liwali, die Herrschaft für sich. Ab dem Jahr 1859 gehörte nicht nur die auf einer Insel gelegenen Stadt Mombasa, an deren Westspitze sich das Fort befindet, sondern die gesamte Küstenregion zu Sansibar. 1895, als die Briten das Küstengebiet pachteten, begann für Fort Jesus ein neuer Abschnitt: In den Räumen, in denen die Portugiesen einst Munition lagerten und die Araber die Sklaven untergebracht hatten, richteten die Briten, die in den Folgejahren zahlreiche indische Arbeitskräfte nach Kenia brachten, ein Gefängnis ein. Seit der kenianischen Unabhängigkeit im Jahr 1963 ist das in Form eines Kreuzes angelegte Fort ein nationales Monument – es beherbergt ein Museum und fungiert des Abends gelegentlich aus Aufführungsort für Multimedia-Shows.

Kenia - Fort Jesus in Mombasa

Wer vom Fort Jesus aus durch die arabisch geprägte Altstadt von Mombasa flaniert, fühlt sich eher im Orient als in Afrika. Die alten Kolonialhäuser aus dem 19. Jahrhundert sind zum Großteil im Sansibar-Stil erbaut. Ihre geschnitzten, mit Messing eingelegten Türen und Holzbalkone sind zum Teil echte Kunstwerke.

Kenia - Kolonialhäuser in Mombasa

In den verwinkelten Gassen der Altstadt finden sich ein paar Souvenirshops sowie Gewürz- und Kaffeehändler – und eine Hauswand, an der das Vereinswappen des FC Bayern München prangt.

Kenia - Gewürze

Disco unter freiem Himmel

Mombasa ist für die meisten Kenia-Urlauber allerdings nur eine Durchgangsstation. Von hier aus setzten sie entweder mit der Likoni-Fähre an die Südküste über, insbesondere zu den schneeweißen, von Riffen geschützten Sandstränden von Diani Beach. Oder sie fahren über die Nyali-Brücke Richtung Norden, beispielsweise zum Bamburi- oder Shanzu-Strand. Die nördlichen Strände sind bei Ebbe weniger gut zum Baden geeignet als die Strände im Süden, weil sich das Meer sehr weit zurückzieht, und sie haben in bestimmten Jahreszeiten auch mit Seegras zu kämpfen – dennoch findet sich gerade im Norden Mombasas eine äußerst vielfältige touristische Infrastruktur. „Im Süden sind die Strände schöner, aber wer abends gern ausgeht, fährt besser an die Nordküste“, rät Walter Reif, ein Elektroingenieur aus Mannheim, der seit Jahren in Kenia lebt und der in der Nähe des Bamburi-Strandes die größte Open-Air-Disco Ostafrikas betreibt – das Tembo, ein Mega-Tanztempel, dessen Tanzfläche durch ein palmwedelförmiges Dach vor Regen geschützt ist. Walter Reif ärgert sich etwas darüber, dass Kenia sich offiziell meist nur als Destination für Safari und Strandurlaub präsentiert. „Der normale Tourist geht einmal auf Safari und verbringt den Rest der Zeit an der Küste – und wenn er sich dort aber langweilt, kommt er nie wieder.“ Dabei, so versichert Reif, kann Kenia Party-Destinationen wie Ibiza oder Mallorca durchaus Konkurrenz machen. „Wir haben hier Ausgeh- und Vergnügungsmöglichkeiten für alle Generationen – und dazu noch schönere Strände, faszinierende Tiere, günstigere Preise - und Sportmöglichkeiten, die vom Mountainbiken bis zum Wassersport reichen“ beteuert Reif. Seinen Entertainment-Komplex, der in der Hochsaison rund um die Uhr geöffnet hat und der bis zu 3000 Besucher aufnehmen kann, hat Walter Reif stets unter Kontrolle – von 100 Beschäftigten sind alleine vierzig für die Security zuständig.

Kenia - Diani Beach
Diani Beach

Wo Riesenschildkröten zuhause sind

Nicht weit vom Tembo entfernt findet sich eine Touristenattraktion ganz anderer Art – der Haller-Park, ein Natur- und Tierpark, der angelegt wurde, um einen aufgelassenen Zement-Steinbruch zu renaturieren. Seit vor mehr als 35 Jahren mit der Anlage des Parks begonnen wurde, haben zahlreiche Baumarten sowie weitere Pflanzen das Territorium zurück erobert. Außerdem wurden verschiedene Tiere hier angesiedelt, die es Besuchern ermöglichen, bei einem Spaziergang durch den Park eine Art Mini-Safari zu erleben – bei der Giraffen und Büffel ebenso gesichtet werden können wie Nilpferde, Affen und Riesentausendfüssler. Angelegt wurde der Park von dem Schweizer Tropenagrarökonomen Rene Haller, der bei der Bamburi-Portland-Zementfabrik beschäftigt war. „Rene Haller war ein charismatischer Mann, dem es leicht gefallen ist, andere von seinen Ideen zu überzeugen“, berichtet Karima, der seit 15 Jahren im Haller-Park arbeitet, und in den ersten Jahren häufig mit dem Parkgründer persönlich zu tun hatte. Die Idee des Haller-Parks, so erläutert Karima, ist es, die Natur sich selbst entwickeln zu lassen – und möglichst keine Chemie einzusetzen.

Kenia - Affe im Haller-Park
Affe im Haller-Park

Rene Haller erzielte mit der von ihm ausgetüftelten Methode der Renaturierung einen so durchschlagenden Erfolg, dass das Resultat nun ihm zu Ehren Haller-Park genannt wird. Als Pionierbäume auf dem kahlen Boden wählte er die australischen Kasuarinen, deren Nadeln von Riesentausendfüsslern zu Humus verarbeitet wurden – so dass die ehemalige Steinwüste im Laufe der Zeit grün werden konnte.

Das Tierrepertoire im Park freilich hat sich nicht von allein eingestellt. Die vier Riesenschildkröten, die auch Elefanten- oder Aldabre-Schildkröten genannt werden, sind zum Teil über 100 Jahre alt. Die imposanten Tiere stammen ursprünglich von den Seychellen. „Nachwuchs haben sie hier im Hallerpark allerdings noch nicht bekommen, so wie es aussieht, pflanzen sie sich nur in ihrer Heimat fort“, berichtet Karima, der die Schildkröten auch gerne mal beim Gras fressen stört und ihnen unter den Hals greift, damit sie den Kopf weit in die Höhe recken.

Kenia - Karima mit einer Riesenschildkröte
Karima mit einer Riesenschildkröte

Eine Zeit lang hatten sich die Schildkröten, insbesondere der altehrwürdige Schildkrötenherr Mzee, auch mit Owen angefreundet, einem der vier Flusspferde, die im Haller-Park Unterschlupf gefunden haben - und die täglich um 16 Uhr mit Pellets aus dem Wasser gelockt werden. Über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Flusspferdbaby Owen, das der Tsunami aufs Meer hinaus spülte, bevor es von Rangern des Kenian Wildlife Services mit einem Fischernetz gerettet wurde, und Mzee, der circa 130 Jahre alten Elefantenschildkröte, ist sogar ein eigenes Buch verfasst worden. Doch die wundersame Tierfreundschaft ist mittlerweile passé – denn Owen, der anfangs ähnlich groß war wie die Schildkröte, mit der er gegessen und geschlafen hat und die er als seine Ersatzmutter ansah, ist erwachsen geworden. „Wir mussten Owen und die Schildkröten wieder trennen, weil das Flusspferd versucht, den Schildkröten den Kopf abzubeißen und sie fast umgebracht hätte“, berichtet Karima. Nun teilt Owen seinen Teich mit Cleopatra – einer bis dahin allein lebenden Flusspferddame. Getrennt von Owen und Cleopatra haben Potty und Sally ihr Revier. Sally wurde 1976 im Naivasha-Gebiet aufgefunden und Potty war in Deutschland mit einem Wanderzirkus unterwegs, in dem er nicht artgerecht versorgt wurde. Seine Haut, so wird berichtet, war trocken und rissig, und seine Ohren waren fast abgefroren. Schließlich wurde das knapp zwei Tonnen schwere Tier von Deutschland aus nach Nairobi geflogen und anschließend per Tieflader in den Haller-Park gebracht – wo es sich offenkundig sehr wohl fühlt.

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