Kuba mit dem Linienbus

Text und Fotos: Beate Schümann

 

Trompeter am Malecón, im Hintergrund die Festung Castillo del Morro an der Einfahrt zur Bahía de la Habana, Kuba

Trompeter am Malecón, im Hintergrund die Festung Castillo del Morro an der Einfahrt zur Bahía de la Habana

Der Morgen beginnt vor Tau und Tag. Sanft rötet sich der Horizont über dem Malecón und verwischt die schwarzen Spuren der Nacht. Nicht einmal Elias ist schon auf, der sonst die kühlen Morgenstunden nutzt, um in seinem Open-air-Studio auf dem Dach nebenan Gewichte zu heben. Die Hähne vom Giebel gegenüber setzen zum Weck-Kikiriki an. Heute sind die Busreisenden mal früher dran als sie.

Frühstück in der Casa Particular Glória, Havanna, Kuba

Frühstück in der Casa Particular Glória

Abreise nach drei Tagen Havanna. Bei der Diva der Karibik reicht das gerade für ihre schönsten Seiten – die Altstadt, die Kathedrale, die Plaza de Armas, das Capitolio und die Floridita, Hemingways Lieblingsbar. Doch es gibt so viel mehr zu sehen in einem Land wie Kuba, dessen Vielfalt sich über gut 1100 Kilometer von West nach Ost erstreckt. Marbelis Coello bestand auf frühes Aufstehen. „Der Viazul-Bus fährt pünktlich“, lobt sie das gut funktionierende Liniensystem. Die Verwalterin der Casa Particular kümmert sich um alles, auch um die reibungslose Weiterreise ihrer Gäste. Trotz der Frühe steht ihr opulentes Frühstück auf dem Tisch: mundgerecht geschnittene Bananen, Papayas und Ananas, frischgepresster Guayaba-Saft, duftender Kaffee, Bruschetta, Toast und Brötchen, zwei Spiegeleier für jeden. Mangel kennt eine gutgehende Privatpension wie die „Casa Glória“ nicht.

Marbelis Coello, Verwalterin der Casa Particular Glória, am bestellten Taxi, Havanna, Kuba

Marbelis Coello, Verwalterin der Casa Particular Glória, am bestellten Taxi

Vor der Haustür wartet ein blauer Chevrolet, den Marbelis für den Transfer zum Bus-Terminal besorgt hat. Tito ist zwei Stunden vor der Zeit da, obwohl die Tour keine zwanzig Minuten dauert; aber in Kuba weiß man das nie so genau. Und der Check-in dauert. Schwungvoll wuppt er das Gepäck in den Kofferraum, die Fahrgäste versinken in den Polstern. Der Oldtimer schnurrt los.

Im Terminal im Stadtteil Nuevo Vedado warten schon andere Reisende am Schalter. Der Beamte vergleicht die Voucher mit den Listen, nickt, hakt ab. Die Uhr über ihm geht exakt zehn Minuten vor - Pünktlichkeit und gute Organisation gehören bei dieser Firma zur Dienstleistung. Von der Wand lächelt Kubas legendärer Revolutionär: „Fidel entre nosotros“ steht auf dem Plakat - Fidel ist unter uns. Der Mythos des verstorbenen Máximo Líders lebt, auch unter den Reisenden. Denn die von Castro erfundene Devisen-Linie befördert nur Passagiere, die mit Pesos Convertibles (CUC) bezahlen, mit harter Währung. Deshalb steigen nur Ausländer und reich gewordene Kubaner ein.

Reisende im Terminal der Viazul-Überlandbusse, Stadtteil Nuevo Vedado, Havanna, Kuba

Reisende im Terminal der Viazul-Überlandbusse, Stadtteil Nuevo Vedado

Kurz vor dem Start rollt ein weiß-blauer Überlandbus in den Terminal bis vor die Tür des Wartesaals. „Viñales, Viñales!“ ruft der Ticketkontrolleur. Nervös drängeln die Passagiere mit Koffern und Rucksäcken zum Gate. Alle wollen in den 9-Uhr-Bus, und es gibt oft mehr Tickets als Plätze. Bei der Gesellschaft herrscht das kapitalistische Windhundprinzip: wer zuerst da ist, gewinnt. Ist der Bus voll, wird ein zweiter eingesetzt – nicht immer.

Nelson Díaz stemmt sich auf seinen ausgebeuelten Thron hinter dem Steuerrad, auf dem er seit Jahren als König des löchrigen Asphalts sitzt, während er zwischen den Provinzhauptstädten und den touristischen Zentren pendelt. Díaz startet den Motor des nicht mehr ganz neuen chinesischen Yutongs. Der Bus fährt an. Alles beginnt.

Auf den Straßen herrscht Stille, doch im Bus verbreitet sich Entdeckerlaune. Díaz lenkt das Fahrzeug gemütlich auf die Autopista 4 in Richtung Pinar del Río. Nach Viñales sind es 164 Kilometer, gut vier Reisebusstunden. Ein Tempo, bei dem er die großen Löcher im Asphalt noch locker umfahren kann. Der mollige Chauffeur dreht die Klimaanlage hoch. Eiskalte Luft breitet sich aus. Hinter den beschlagenen Fenstern ziehen Palmen, Truthahngeier und grüne Tabakfelder vorbei, Ochsenkarren, die die rote Erde furchen, und die dicht bewaldeten Hügelkette der Cordillera de Guaniguanico. Es sind mehr Pferde als Autos unterwegs, Kutschen, Reiter, Radfahrer, Fußgänger und manchmal Kühe. Ein Mietfahrzeug verlangte höchste Konzentration. Im Bus kann der Mensch sorglos träumen und Impressionen tanken.

Viazul-Bus nach Viñales: Pause in Las Terrazas. Der Busfahrer nimmt Päckchen mit Erdnüssen, Region Pinar del Río, Kuba

Viazul-Bus nach Viñales: Pause in Las Terrazas. Der Busfahrer nimmt Päckchen mit Erdnüssen

Abzweig nach Las Terrazas. Zehn Minuten Pause. Ein Kubaner verkauft vom Fahrrad aus selbst abgefüllte Tütchen mit Erdnüssen und Erdnuss-Riegel mit Honig. Fahrer Díaz greift sich mehrere Packen aus dem Korb, der Verkäufer lässt es gelten. Wer hier aussteigt, logiert im Hotel Moka, dem ersten Bio-Hotel Kubas, um im waldreichen Biosphärenreservat der Sierra del Rosario zu wandern und in den Seen zu baden.

Der Yutong dröhnt weiter in den Horizont hinein, aus dem langsam die Sierra de los Órganos aufsteigt. Halt in Pinar del Río, der Hauptstadt der Region, die für ihre farbigen Säulenhäuser bekannt ist. Von einem Wandplakat verspricht Che: „Y mis sueños no tendrán fronteras“ – Und meine Träume kennen keine Grenzen. Nur noch dreißig Kilometer. Endlich tauchen die Mogotes auf, diese sich wie Elefantenbuckel aus dem Boden wölbenden, grün bewachsenen Kalksteinfelsen, für die Viñales so berühmt ist.

Mogotes sind die Millionenjahre alten bewachsenen Kalksteinhügel im Viñales-Tal, Unesco-Biosphärenreservat und Nationalpark, Pinar del Río, Kuba

Mogotes sind die Millionenjahre alten bewachsenen Kalksteinhügel im Viñales-Tal, Unesco-Biosphärenreservat und Nationalpark

Pünktlich um Zwei biegt Díaz in die lange Hauptstraße Salvador Cisneros ein, die fast nur aus Restaurants besteht. Um die Bushaltestelle vor der Kirche Sagrado Corazón de Jesus drängelt sich eine Menschentraube, Kubaner, die auf Reisende ohne Quartier hoffen. Sie halten ein Bild von ihrer Casa particular hoch, die in Reiseführern noch nicht gelistet sind, nur mäßigen Standard bieten oder noch nicht „entdeckt“ wurden. Die bekannten Casas sind längst ausgebucht, die meisten Anbieter gehen leer aus.

Ankunft des Viazul-Busses in Viñales: Vermieter von Privatpensionen halten den ankommenden Reisenden Bilder von ihren Casas Particulares zu den Busfenstern hoch, Region Pinar del Río, Kuba

Ankunft des Viazul-Busses in Viñales: Vermieter von Privatpensionen halten den ankommenden Reisenden Bilder von ihren Casas Particulares zu den Busfenstern hoch

Der Ort Viñales hat wenig mehr zu bieten als Casas particulares. Mehr als 1000 Privatzimmer hat das Dorf. „Die Zahl wächst wöchentlich“, sagt Dolores von Infotur. Jährlich fallen tausende Touristen ein, um die vor gut 160 Millionen Jahren geschaffene, bizarre Hügellandschaft im Unesco-Biosphärenreservat zu erwandern, zu erklettern, vom Sattel aus zu erkunden, das verzweigte Höhlensystem zu begehen und natürlich einen Tabakbauern zu besuchen.

Wenn abends die Schatten länger werden, sitzen die Einheimischen vor der Haustür im Schaukelstuhl und lassen das Leben an sich vorübergleiten. In Viñales lebt man gut. Wie von selbst spülen die Touristen die kostbare CUC-Währung in ihre Portemonnaies. Nachdem der Anbau fertig geworden ist, vermieten auch Yosbel und Yurisbelkis zwei Zimmer an Ausländer. Das junge Paar legt Wert auf gute Matratzen, Deko, Safe, Wifi, Klimaanlage, ein gepflegtes Bad – alles neu, ein hoher Standard. Yosbelkis mag nicht an den Bussen um Gäste ringen. Sie hängt lieber ein Schild „disponible“ – Zimmer frei – an ihre Tür.

Die nächste Etappe führt nach Trinidad. Der Weg ist weit, gut 500 Kilometer. In diesem Yutong ist der Sitz durchgesessen, die Rückenlehne kaputt. So reist man in Liegeposition wie im Sofa durchs Land. Tauschen geht nicht; der Bus ist ausgebucht. Der Fahrer stellt sich als Speedy Gonzalez vor, kichert und dreht das Radio auf: Bob Marley singt „This is love“. Gonzalez pfeift mit. Auf der Carretera Central, der wichtigsten Nervenader des Landes, die einmal quer durch Kuba verläuft, wechseln sich endlose Zuckerrohrplantagen mit Ananasstauden, Mangobäumen und Reisefeldern ab. Die Schlote der Zuckerrohrfabriken schieben sich ins Bild.

Die neoklassizistische Kathedrale Catedral da la Purísima Concepción mit den ungleichen Türmen am Parque José Martí, der guten Stube in Cienfuegos

Die neoklassizistische Kathedrale Catedral da la Purísima Concepción mit den ungleichen Türmen am Parque José Martí, der guten Stube in Cienfuegos

Nach einer halbstündigen Pause in Cienfuegos, einer atmosphärischen Stadt mit maritimem Flair, in der man gern Zeit für die Kathedrale mit den ungleichen Türmen, dem Teatro Terry oder den Valle-Palast gehabt hätte, drängt Speedy Gonzalez zur Weiterfahrt. Der Weiß-Blaue kurvt am Meer entlang, vorbei an der Sierra de Escambray und der Schweinebucht, in der 1961 die amerikanische Invasion nach drei Tagen scheiterte und Fidels Ruhm sich verewigte.

Plaza Mayor im kolonialen Zentrum von Trinidad, Kuba

Plaza Mayor im kolonialen Zentrum von Trinidad

Ankunft in Trinidad, der einstigen Hauptstadt der Zuckerbarone im „Goldenen Zeitalter“. Es ist schon spät. Schnell die Casa Elena y Victor beziehen und zur Plaza Mayor schlendern, dem schönsten Platz der Stadt. Hier hat sich die Crème der Zuckeraristokratie pittoreske Paläste gebaut und den Ort in ein koloniales Schmuckstück verwandelt. Ungeduldige bevölkern schon vor Sonnenuntergang die vielen Stufen neben der Iglesia de la Santísima. Erst viel später kommen die Livebands. Dann rasseln die Maracas-Kugeln, Congatrommeln hämmern, Klanghözer klacken. Klänge, die berauschen, die Hüften in Bewegung setzen, Sehnsüchte wecken. Palmblätter rascheln, der kühle Nachtwind fächelt die tropische Schwüle des Tages fort. An Weiterfahrt denkt man noch lange nicht.

Pferdekutsche - typisches Fortbewegungsmittel in der Altstadt von Trinidad, Kuba

Pferdekutsche - typisches Fortbewegungsmittel in der Altstadt von Trinidad

 

Informationen

Veranstalter: erlebe-kuba, www.erlebekuba.de bietet organisierte Rundreisen durch Kuba mit dem Viazul-Linienbus.

Viazul, www.viazul.com, auch auf Englisch.

 

Die Website der Autorin: www.beate-schuemann.de

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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