Marshall-Inseln im Überblick

Das Unheil begann Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals bestückten die Marshall-Inselnjapanischen Machthaber einige Atolle der Marshall-Inseln mit starken Militärbasen. Sie sollten den zukünftigen Kriegsgegner USA in Schach halten, während Japan seine pazifischen Kriegsziele verfolgte. Der unvermeidliche Showdown entlud sich Anfang 1944. Die Toten wurden in ihre Heimat überführt, zurück blieben Verwüstungen und Unmengen Militärschrott. Doch damit nicht genug: nun entstanden neue, diesmal amerikanische Militärbasen, Sperrzonen wurden eingerichtet und alsbald Vorkehrungen getroffen, um die neue atomare Wunderwaffe der Amerikaner in langen Testreihen auf diesem wehrlosen Flecken Erde zu zünden. Direkt betroffen davon waren das Bikini-Atoll (23 Tests zwischen 1946 und 1958) und das Eniwetok-Atoll (43 Tests, 1948 – 1958) und unvorhergesehen auch etliche Nachbaratolle. Zwangsumsiedlungen waren den Versuchen vorausgegangen, später folgten nicht sehr wirksame Entseuchungsmaßnahmen und es begannen zähe Verhandlungen um Entschädigungsgelder, deren endgültige Höhe bis heute umstritten ist.

Nach der Stunde Null

Es grenzt schon an ein Wunder, dass die Insulaner nach den albtraumartigen Ereignissen des letzten Jahrhunderts ihren Lebensmut bewahrten, trotz der täglichen Konfrontation mit den verrostenden Relikten einer brutalen Materialschlacht und quälender Erinnerungen an das dumpfe Grollen und den unheimlichen Blitz, der heller war als tausend Sonnen. Und man mag es kaum glauben, wie selbstverständlich Insider von den Marshalls als „Südseeparadies“ schwärmen und wie relativ erfolgreich das staatliche Fremdenverkehrsamt gängige Südseeklischees und Aktivurlaub wie Tauchen und Hochseefischen vermarktet. Selbst das zu trauriger Berühmtheit gelangte Bikini-Atoll (das auch einem populären Badefummel den Namen gab) hat sich nach Aufhebung der Besuchersperre 1996 zu einem exklusiven Taucherrevier gemausert. Es ist makaber, aber Marshall-Inselnreal: der Kriegsmüll auf den Inseln und in den Gewässern ringsum wird längst als Wirtschaftsfaktor genutzt. Japanische und amerikanische Veteranen und ihre Angehörigen besuchen gerne die alten Schlachtfelder. So ist „Kriegstourismus“ (über Wasser und unter Wasser) zu einer wichtigen Säule der marshallesischen Fremdenverkehrswirtschaft geworden. Natürlich gibt es auch die anderen, „backpacker“ zumeist, die hier ihren Südseetraum wahr machen und sich an den feinsandigen, von Kokospalmen gesäumten Stränden vergnügen, in den kristallklaren Lagunen zu den farbenprächtigen Korallenriffen hinabtauchen und dabei auch mal einen versunkenen Bomber bestaunen.

Es sind nicht viele Besucher, die die lange Anreise nach Majuro, Jaluit, Mili, Arno und den vielen anderen Atollen auf sich nehmen. Nur einige Tausend verschlägt es im Jahr hierher, darunter mehr „businessmen“ und Mitarbeiter internationaler Organisationen als „echte“ Touristen. Deren Zahl lag im Zeitraum 2001 bis 2006 gerade einmal zwischen 1.200 und 1.600 jährlich bei einer Bettenzahl von etwa 650. Das soll sich nun ändern, gilt die Tourismusbranche doch als wirtschaftlicher Hoffnungsträger. Ein unabänderliches Handicap bleiben freilich die großen Entfernungen: Von Tokio sind es 5.000 km, vom australischen Brisbane, dem Drehkreuz für Reisende aus Europa, 4.400 km, von Los Angeles via Hawaii 8.250 km und vom regionalen Drehkreuz Guam noch immer 3.000 km.

Tauchen und angeln . . .

Hauptattraktion der Marshall-Inseln sind ihre Tauchgründe, darunter einige, die zur Weltspitze zählen, wie Kenner beteuern. Das Schöne daran: Für jeden Unterwasserfreak ist etwas dabei. So finden Schnorchler wunderschöne Flachreviere und Flaschentaucher können in die Welt kunterbunter Korallenbänke, riesiger Fischschwärme oder makabrer Schiffsfriedhöfe hinabstoßen. Manche Spots liegen in Tiefen von 40 und mehr Metern. Dann sind Deko-Tauchgänge angesagt, etwas für erfahrene Taucher. Unbestrittenes Highlight ist das Bikini-Atoll, ein Dutzende von Kilometern langer, extrem schmaler Korallenring, der Marshall-Inselnmit seinen 23 winzigen Atollinseln eine 594 km² große Lagune formt. Hier versank mit der „Nagato“ das einstige Flagschiff der Kaiserlich-Japanischen Marine, von dem Admiral Yamamoto den Befehl zum Angriff auf Pearl Harbor gab. Ein weiterer Leckerbissen für eingefleischte Wracktaucher ist die USS Saratoga, weltweit größtes betauchbares Wrack und einziger betauchbarer Flugzeugträger. Seit 1996 kann das Atoll wieder besucht werden. Seine Wiederbesiedlung läßt noch auf sich warten, doch einige frühere Bewohner kehrten schon zurück. Für Taucher und Sportfischer gibt es z. Zt. eine recht komfortable kleine Unterkunft mit 16 Betten. Als Vorsichtsmaßnahme werden Obst, Gemüse und Trinkwasser weiterhin von anderen Inseln herantransportiert.

Auch ein deutsches Beuteschiff wurde den Kernwaffenversuchen ausgesetzt. Der Schwere Kreuzer „Prinz Eugen“ überstand die Tests. Man schleppte ihn darauf zum Kwajalein-Atoll, wo er Ende 1946 im seichten Wasser kenterte und seitdem bäuchlings aus der Lagune ragt. 1978 wurde eine der drei Schiffsschrauben demontiert und im Marineehrenmal Laboe aufgestellt. Das Wrack ist betauchbar. Kwajalein-Atoll ist alles andere als ein Südseetraum. Marshall-InselnNirgendwo wird das verhängnisvolle Faible fremder Militärstrategen für die Marshalls deutlicher als hier. Das weltweit größte Korallenatoll mit der größten umschlossenen Lagune (2.335 km²) beherbergt nicht nur die „Prinz Eugen“ und weitere 30 japanische Schiffswracks in seiner Lagune. Es wird heute als „target and splashdown point for ICBMs“ genutzt, die vom kalifornischen Vandenberg herangeflogen kommen. Die dazugehörige Raketenkontroll- und Abwehranlage nennt sich übrigens „Ronald Reagan Ballistic Missile Defence Test Site“.

Auch andernorts, etwa auf dem Jaluit-Atoll (11 km², halb so groß wie das ostfriesische Norderney), dem Maloelap-Atoll (8,8 km²) und dem Mili-Atoll(16 km²) ist kein Mangel an verlockenden Tauchspots zu paradiesischen Naturschönheiten und von Unterwasserfauna und –flora gnädig verhülltem Kriegsgerät.

Majuro, Hauptatoll der Marshalls mit gleichnamiger Hauptstadt, ist Ausgangspunkt für Angeltouren in die Lagune oder aufs offene Meer. Hochseeangeln findet immer mehr Anhänger, was nicht verwundert, zählt der Archipel doch zu den fischreichsten Gewässern der Welt. An die tausend Fischarten bevölkern Lagunen, Riffe und die offene See, darunter Blauer Merlin, Gelbflossentuna, Mahimahi, Makrele, Wahoo, Hai, Zackenbarsch, Barakuda. Alle Arten Ausrüstungen und Boote sind vorhanden, Fliegenfischen, Jigging, Schleppfischen, Netzfischen und andere Fangtechniken anwendbar.

. . . island-hopping und relaxen

Majuro bietet abseits seiner unansehnlichen Hauptstadt, von der selbst Einheimische als „heavily westernized place“ sprechen, wo sich die Hälfte (30.000) der Marshallesen zusammendrängt, traumhafte Strände in Enemanot zum Beispiel, in Kidenen und Eneko oder Laura ganz im Westen des Atolls, einem grünen Refugium, Majuros Garten. Wer Lust Marshall-Inselndazu verspürt, kann sich in einem traditionellen Ausleger-Kanu durch die Lagune paddeln lassen oder zum Picknick ein unbewohntes Atollinselchen ansteuern – eines der 53, die sich auf den 108 Kilometern des Korallenrunds aufreihen und doch nicht mehr als 10 km² Landfläche zusammenbringen, gerade doppelt so viel wie das winzige ostfriesische Wangerooge.

Es ist etwas dran an der Behauptung, dass die „outer islands“ – an der Peripherie der Inselketten liegende Atolle – die Ursprünglichkeit tropischer Pazifik-Inseln am besten bewahren konnten. Sie sind auch gut erreichbar zu Boot oder mit dem Kleinflugzeug, jedenfalls auf dem geduldigen Papier der Fahr- und Flugpläne. Ohne großzügig bemessene Zeitreserven sollte „island-hopping“ doch besser ein schöner Traum bleiben, denn Stürme und hohe See oder andere Überraschungen können alle Planungen und Termine über den Haufen werfen – und genau das ist es, was „backpacker“ und „Auszeitnehmer“ am Leben auf den fernen Atollen so faszinierend finden. Auch die Unterkunft könnte Probleme bereiten. Das gilt es vor Reiseantritt verläßlich zu klären. Eigentlich bieten außer Majuro nur Arno, Jaluit, Mili, Rongelap, Bikini und Likiep „small accomodation facilities“. Arno-Atoll, nur 15 km östlich Majuro gelegen, beherbergt über 2.000 Einwohner auf 13 km² und ist noch immer ohne Elektrizität. Es gibt herrliche Sandstrände und einen unvorstellbaren Fischreichtum. Das kleine Rongelap-Atoll mitseinen nur 20 Bewohnern ist ein wahres Riff-Tauchparadies und auf dem Likiep-Atoll (530 Einwohner / 10 km²) umrahmen schneeweiße Strände die im Passatwind sich wiegenden ansehnlichen Kokospalmen-Plantagen.

Eckart Fiene
Fotos: © Marshall Islands Visitors Authority




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