Nah am Wasser gereist

Norwegen auf dem Kystriksveien

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Norwegen - Kystriksveien

Norwegen einmal anders: Kurz oberhalb und unterhalb des Polarkreises findet sich eine von Fjorden, Felsen, Hügeln und einer faszinierenden Inselwelt geprägte Küstenlandschaft. Die Helgelandküste bereist man am besten auf dem Kystriksveien, einer 650 Kilometer langen Panoramastraße.

Norwegen - Kystriksveien - Arctic Circle: Polarkreisdenkmal auf der Insel Vikingen

Arctic Circle: Polarkreisdenkmal auf der Insel Vikingen

Soeben noch war der Himmel schwarz-dunkel und düster, dicke Regenwolken schwebten über dem Melfjord. Diese haben sich zwar noch nicht ganz verzogen, doch das Polarkreis-Denkmal auf Vikingen, einer kleinen Insel in der Nähe unserer Fähre, wird plötzlich durch einige Sonnenstrahlen erhellt. Eine Stunde später, wir haben die Autofähre, die zwischen Kilbogman und Jektvik verkehrt, bereits verlassen, halten wir an einem Aussichtspunkt an. Vor uns wölbt sich ein dicker Regenbogen über grau-weiße Felsen und grünes Buschland.

Norwegen bietet keine Schönwettergarantie - vor allem nicht im Norden des Landes. Dieser ist für viele Besucher gleichbedeutend mit dem Nordkap oder den Lofoten. Doch auch ein Stück weiter südlich, auf der Höhe des Polarkreises, lockt eine grandiose Küstenlandschaft. Der Kystriksveien (FV. 17) ermöglicht nicht nur den Weg nach Bodø, dem Tor zu den Lofoten, sondern bietet sich auch als eigenes Urlaubsziel an.

Norwegen - Kystriksveien - Hier legen Passagierfähren ab: Der Pier am Hafen von Bodø

Hier legen Passagierfähren ab: Der Pier am Hafen von Bodø

Vorausgesetzt, man bringt Zeit mit. Denn zwischen Steinkjer und Bodø finden sich insgesamt sechs Fährüberfahrten, die einzukalkulieren sind. Manche von ihnen dauern zehn Minuten, andere eine ganze Stunde. Und weil die Westküste Norwegens zerklüftet und hügelig ist, führt die Strecke oft kilometerweit durch Tunnels. Eine weitere Besonderheit der FV. 17 sind die zum Teil spektakulären Brückenbauten. Besonders beeindruckend ist die über einen Kilometer lange Helgelandbrücke bei Sandnessjøen.

Norwegen - Kystriksveien - Brücke direkt über dem Saltstraumen - hier überquert die Panoramastraße FV. 17 den Saltfjorden

Brücke direkt über dem Saltstraumen - hier überquert die Panoramastraße FV. 17 den Saltfjorden

Wer stur durchfährt, könnte den Kystriksveien durchaus innerhalb von zwei Tagen schaffen. Doch das wäre ein Fehler. Denn auf dem Weg Richtung Norden lohnt es, immer wieder abzuzweigen. Etwa, um das OscarBrygga-Restaurant in Tonnes zu besuchen, das seine Besucher direkt an einem Bootsanleger mit frischen Fischspezialitäten verwöhnt. Oder um im 6000-Einwohner-Ort Nesna Halt zu machen und sich dort auf dem Campingplatz von Nina Friis einzuquartieren. Nina bietet Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile, vermietet aber auch komfortabel ausgestattete Campinghütten. Ihr „Havblikk Nesna“ ist ein idealer Ausgangspunkt für Wandertouren, zum Beispiel zum Aussichtspunkt Utsikten. Von dort aus blickt man fast aus der Vogelperspektive auf die Küstenlandschaft und auf die nahe gelegene Inselwelt. Gelegentlich führt Nina Friis ihre Gäste sogar selbst dorthin hoch.

Norwegen - Kystriksveien - Herrliche Aussicht - Blick vom Aussichtspunkt Utsikten auf den Campingplatz Havblikk Nesna und auf die Helgelandküste

Herrliche Aussicht - Blick vom Aussichtspunkt Utsikten auf den Campingplatz Havblikk Nesna und auf die Helgelandküste

Ihr Mann Bjørn Arne ist spezialisiert auf Angeltouren, zu denen er Touristen auf seinem Motorboot mitnimmt. Er zeigt seinen Gästen nicht nur, wie sie die Angelrute richtig halten und den Angelhaken fachmännisch ins Wasser lassen, er verrät auch, wie viele Meter sie das Angelseil ablassen sollen, um besonders gute Chancen auf einen Fang zu haben. Was keinesfalls daran liegt, dass der sympathische Norweger über hellseherische Fähigkeiten verfügt. Nein, sein Boot ist mit einem Echolot ausgestattet, und wenn Fischschwärme in der Nähe sind, werden diese auf einem kleinen Monitor angezeigt. Trotz dieser technischen Unterstützung brauchen wir an diesem Tag etwa 45 Minuten, bis der erste Dorsch anbeißt. Wie praktisch, dass man sich den Fang am Abend im Campingplatz-Restaurant gleich frisch zubereiten lassen kann. Und für Gäste, die nichts gefangen haben, hat Nina Friis frische Krabben im Angebot.

Norwegen - Kystriksveien - Stolzer Fang: Endlich hat ein Dorsch angebissen

Stolzer Fang: Endlich hat ein Dorsch angebissen

Der beschauliche Ort Nesna liegt in Helgeland, einem knapp 18.000 Quadratkilometer großen Areal, das nicht einmal 80.000 Einwohner hat. Rund 14.000 Inseln, Holmen und Schären gehören zu der Region. Darunter auch das Vega-Archipel, das seit dem Jahr 2004 zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt.

Norwegen - Kystriksveien - Der 87-jährige Karl Henry Sørensen betreibt auf Støtt einen kleinen Supermarkt. Dieser ist bei Einheimischen sowie bei Bootsfahrern und Touristen

Der 87-jährige Karl Henry Sørensen betreibt auf Støtt einen kleinen Supermarkt. Dieser ist bei Einheimischen sowie bei Bootsfahrern und Touristen

Ein Stück nördlich des Polarkreises liegt die Insel Støtt, auf der nur etwa dreißig Menschen leben. Um deren Versorgung kümmert sich der 87-jährige Karl Henry Sørensen, der einen kleinen Supermarkt betreibt. Dieser ist nicht nur bei den Einheimischen beliebt, auch Einkäufer von den Nachbarinseln und Bootsfahrer, die in der Region unterwegs sind, kaufen gerne bei ihm ein. Karls Tochter Eva Ann Andersen war nach Oslo gegangen, hatte dort Karriere gemacht – und hat sich dann entschieden, wieder nach Støtt zurückzukehren. Seither hat sie Fischerhütten zu Ferienwohnungen für Touristen umbauen lassen und ein kleines, aber feines Restaurant eröffnet. Støtt ist ein Idyll am Ende der Welt, so könnte man meinen. Dennoch ist die Region mit der europäischen und der Weltgeschichte eng verwoben. Eine Nachbarinsel war im zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten besetzt.

Norwegen - Kystriksveien - Anlegestelle und Fischerhäuschen im Norden der Insel Støtt

Anlegestelle und Fischerhäuschen im Norden der Insel Støtt

Eine Schifffahrtsstunde weiter nördlich liegt die alte Heringsfängerstadt Bodø. Die zweitgrößte Stadt Nordnorwegens ist der Endpunkt des Kystriksveien. Sie wurde im Mai 1940 von der deutschen Luftwaffe fast vollständig zerstört. Ein Spiegel im Hotel Grand, der während des Bombardements nur einen Sprung bekommen hat, hängt noch heute im Speisesaal des Hotels. Die meisten Häuser der Stadt wurden damals allerdings komplett zerstört. Die nach dem Krieg wieder- bzw. neu aufgebauten Stadtteile wirken zum Teil gesichtslos. Doch wer am Hafen entlang spaziert und die salzige Luft riecht, der bereut seinen Besuch in Bodø keineswegs. Und mit etwas Glück trifft er den Krabbenfischer Nicolei, einen gebürtigen Letten, der vom Boot aus fangfrische Krabben verkauft, die er an Bord seines Kutters bereits gekocht hat. Man isst sie mit Weißbrot, Zitronen und Mayonnaise

Norwegen - Kystriksveien - Eiweißhaltiger Snack: Die Krabbenfischer in Bodø verkaufen gekochte Garnelen

Eiweißhaltiger Snack: Die Krabbenfischer in Bodø verkaufen gekochte Garnelen

Unbedingt zu empfehlen ist es, von Bodø aus eine Bootstour zu unternehmen. Bevor wir mit Bootsführer Henry Johnsen auf der „Stella Polaris“ ablegen, erhalten wir Trockenanzüge, Schutzbrillen und Mützen. Denn mit seinem motorbetriebenen Festrumpfschlauchboot (RIB) fährt Johnsen zuweilen recht schnell. Und durch den Fahrtwind wird es auf dem Atlantik auch im norwegischen Sommer durchaus kühl. Henry Johnsen zeigt uns die schönsten Flecken der Region. Beispielsweise eine Insel mit schneeweißem Sandstrand, die von kristallklarem Wasser umgeben ist. Wären nicht die frischen Temperaturen, man wähnte sich in der Karibik.

Eine halbe Stunde später fahren wir durch den Skjerstadfjord, einen Seitenarm des Saltfjorden. Plötzlich reduziert Henry Johnsen das Tempo und blickt nach oben. Ein Seeadler gleitet über uns hinweg. Etliche Zeit später, fast direkt unter einer Brücke, über die die Kystriksveien verläuft, ist das Meerwasser besonders unruhig. An einer Stelle dreht es sich kreisförmig. Wir sind beim Saltstraumen, dem stärksten Gezeitenstrom der Welt. Ein Bootsausflug hierher ist nicht nur bei Individualurlaubern auf der Küstenstraße FV. 17 beliebt, sondern auch bei den Passagieren der Schiffe der Hurtigruten, die in Bodø täglich Halt machen.

Norwegen - Kystriksveien - Wirbel im Wasser: Der dreißig Kilometer von Bodø entfernte Saltstraumen  gilt als der stärkste Gezeitenstrom der Welt

Wirbel im Wasser: Der dreißig Kilometer von Bodø entfernte Saltstraumen gilt als der stärkste Gezeitenstrom der Welt

Seeadler am Himmel, Angeltouren in Nesno, das kleine Idyll auf der Insel Støtt und ein beeindruckender Gezeitenstrom bei Bodø. Wer Richtung Norden nur auf der E 6, dem Highway zum Nordkap, entlangfährt, der würde all das verpassen. Mag sein, dass der Satz „Der Weg ist das Ziel“ abgedroschen klingt. Auf der FV. 17, der reizvollen Küstenstraße von Steinkjer nach Bodø, stimmt er tatsächlich. Wer sich rechts und links der Panoramaroute umsieht, entdeckt jeden Tag neue Naturschönheiten und Überraschungen.

Norwegen - Kystriksveien - Blick von der Fähre auf die Insel Sørfugløy auf dem Weg von Bodø nach Støtt

Blick von der Fähre auf die Insel Sørfugløy auf dem Weg von Bodø nach Støtt

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseveranstalter Norwegen bei schwarzaufweiss

 

Reiseführer Bergen

Dass die westnorwegische Kulturmetropole Bergen Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist, wissen nur wenige. Die Kontore und Speicher hanseatischer Kaufleute, mehrfach durch Flammen vernichtet und wieder aufgebaut, gehören wie die Hansestädte Lübeck, Wismar und Stralsund, wie die Belfriede von Flandern oder die Pyramiden von Giseh zum einmaligen Kulturerbe der Menschheit. Neben diesem Gewirr von Passagen und Höfen entlang der Kaianlage von Bryggen bietet Bergen dem Besucher auch eine hochinteressante Museumslandschaft.

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Reiseführer Trondheim

Nein, nicht nur Hamburg lockt mit einer post-post-modernen Hafencity, auch Trondheim hat längst eine Hafencity, in der Alt und Neu aufeinandertreffen, hier die alten Hafenschuppen, dort teure Lofts und Appartements. In den Hafenbecken liegen längst keine Trawler mehr, sondern teure Jachten. Riesige Kreuzfahrtschiffe, die über den Trondheimfjord gefahren sind, machen am Kreuzfahrtterminal fest. Dann ist Landgang angesagt, und Passagiere trotten in Scharen zum Nidaros-Dom, zur wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit der Stadt und zugleich Ziel von Pilgern, die von Selanger (Schweden) oder Oslo aus auf dem Sankt-Olavs-Pilgerweg unterwegs waren.

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Unterwegs auf dem Pilgerweg zwischen Oslo und Trondheim

Pilgern ist in. Pilgern ist eine Reise zu sich selbst. Der berühmteste aller Pilgerwege ist der Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien. Er hat Konkurrenz bekommen. Am anderen Ende Europas. 1997 wurde in Norwegen der fast tausend Jahre alte Olavsweg zu neuem Leben erweckt. Seit seiner Ernennung zum europäischen Kulturweg steht er nun im selben Rang wie der Jakobsweg.

Norwegen - Olavsweg - Pilgerweg zwischen Oslo und Trondheim

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