Dreistadt im Aufwind
Die Danziger Bucht
An der Danziger Bucht machen drei Städte touristisch mobil – reiche Geschichte, Heilbäder, Strände und jede Menge Kultur hat das Dreistadt-Modell Danzig-Sopot-Gdynia im Angebot.
Text und Fotos: Markus Howest
Blick auf die Mole von Sopot
Lang streckt sich die Mole bis in die Ostsee hinein, ganze 512 Meter lang. Buntes Leben herrscht am frühen Abend auf dem längsten Seesteg der Ostseeküste. Gaukler, Künstler, Verkäufer und Musiker zeigen ihr Können, präsentieren ihre Waren. Gut gelaunt schlendern Familien und Liebespaare, alt und jung genüsslich bis zum Ende des Stegs, wo ein Restaurant zur Rast einlädt und die Ausflugsschiffe nach Danzig, Gdynia und zur Halbinsel Hel ablegen. Von hier schweift der Blick zurück an den goldgelben Sandstrand von Sopot mit seinem Casino im historischen Grand Hotel, in dem schon Charles de Gaulle übernachtet haben soll.
Grand Hotel mit Casino in Sopot
„Wir wollen das San Remo Polens werden“, beschwört Bürgermeister Jacek Karnowski die ehrgeizigen Ziele des einstigen mondänen Kurortes in der Danziger Bucht. Die Rechnung scheint aufzugehen: Überall wird gebaut, Fassaden restauriert, aufwändig neue Hotels aus dem Boden gestampft. Sopot sei in Polen als Investitionspflaster besonders beliebt, meint der Bürgermeister. Viele neue Hotels seien entstanden in der Hoffnung, dass immer mehr Touristen in das Ostsee-Bad strömen. Selbst am Eingang der berühmten Meile Bohaterow Monte Cassino wird gewerkelt und saniert. „In 50 Jahren Kommunismus entstanden hier gerade mal zwei neue Gebäude“, vergleicht Andrzej Falkowski lächelnd. Der flinke Organisator mit dem schelmischen Gesicht begann schon Anfang der 90er Jahre seine Deutschkenntnisse für den Tourismus einzusetzen. Heute führt er zusammen mit Frau und Sohn kleine Gruppen individuell durch die Region der Danziger Bucht.
Auf der Flaniermeile Monte Cassino
Von der Strandpromenade bis hinauf zur St. Georg Kirche laden auf der Flaniermeile Monte Cassino, auch Monciak genannt, 264 Läden, Cafes, Clubs, Restaurants und Kneipen zur Einkehr ein – im Sommer gerate sie gar zur Partymeile, weiß Andrzej Falkowski. Schon jetzt gelte der Kurort als beliebtestes Reiseziel der Polen. „Allein 65 Prozent würden gern in Sopot leben“, bestätigt der Guide. Keine Kriminalität, die saubere Meeresluft und auch das Wasser der Ostsee lade gefahrlos zum Baden ein. „Die Stadt hat viel in den Umweltschutz investiert“, versichert der Reiseführer überzeugend. Und dennoch: „Wer nach Sopot kommt, verbringt seine Zeit nicht nur am Strand.“ Kultur sei für die meisten Besucher ein unbedingtes Muss. Und dafür ist die Region ideal. Keine Stunde dauert es mit der S-Bahn oder dem Auto bis ins nahe Danzig, wo Museen, Orgelkonzerte und die eindrucksvoll restaurierte Altstadt auf den Besucher warten. Mittlerweile kommen jährlich fast zwei Millionen Gäste nach Sopot und nutzen die Attraktionen der Region, noch sind es vor allem Polen, aber auch die so genannten „Heimwehtouristen aus Deutschland“ kämen vermehrt in die Danziger Bucht, hat Andrzej Falkowski festgestellt. „Sie wandeln auf den Pfaden ihrer Erinnerungen im nahen Danzig.“
Mahnmal vor Solidarnosc Werft Danzig
Aber die alte Hansestadt Danzig bietet auch andere Pfade durch die Geschichte. Etwa die alte Solidarnosc Werft als „Wiege des neuen Polen“, wie es Andrej Falkowski beschreibt. Das 40 Meter hohe Mahnmal vor dem Werfteingang mit den drei Kreuzen, die für Glaube, Hoffnung und Sieg stehen, erinnern an eine noch nicht allzu ferne Epoche und daran, wie alles begann, was heute ganz normal erscheint. „Es ging um unsere Freiheit“, betont Andrzej Falkowski vehement. Den Weg dorthin kann man auch in der nahe der Werft gelegenen Ausstellung „Wege zur Freiheit“ eindrucksvoll nacherleben. Es zeigt das Leben im Sozialismus und die Entwicklung der Solidarnosc in Fotos, Film-Dokumentationen und nachgestellten Szenen.
Langer Markt und Grünes Tor in Danzig
Dass jede einzelne der drei Schwesterstädte in diesem Trio ihre ganz eigene Rolle spielt, zeigt das Beispiel Gdynia. Es lockt mit den so genannten Meerestürmen, den mit 138 Metern höchsten Wohngebäuden Polens, direkt am Hafen gelegen. Auch ihr strategischer Vorteil als Tor nach Skandinavien wirkt sich günstig auf die Region aus. Ein Schifffahrtsmuseum, die Sailing Days und jede Menge hochkarätiger Musikfestivals machen die 250.000 Einwohner Stadt zusätzlich attraktiv. „Arbeiten in Gdynia, bummeln in Danzig und amüsieren auf der Mole in Sopot“, besagt ein Sprichwort und bezeichnet treffend die Charaktere der drei Schwestern mit ihren insgesamt 800.000 Einwohnern.
Musikerin an der Mole von Sopot
Nach einem Ausflug in die benachbarten Schwesterstädte kommt der Besucher gern zurück nach Sopot. „Auch wegen der Architektur, die den Ort so einzigartig macht“, schwärmt der Autodidakt Falkowski. Der Tourist genießt die Häuser mit ihren Holzerkern und Stuckornamenten im Jugendstil, die von der wohlhabenden Epoche Anfang der 1920er Jahre als florierender Kurort mit Casino und Kultur zeugen. Einer Zeit, als in der 1922 eröffneten Waldoper mit ihrer beeindruckenden Akustik, bis 1944 Opern aufgeführt wurden – heute finden hier internationale Rockkonzerte statt. Oder das traditionelle jüdische Kulturfestival mit Klezmer Musik im Sommer.
Dass Sopot mit seinen knapp 50.000 Einwohnern auch die Stadt der Künstler und Maler ist, erfährt man in den verspielten Innenhöfen abseits des Monte Cassino. Galerien, Skulpturen und Aktionskunst machen den City Walk zu einer Museumstour unter freiem Himmel. Höhepunkt ist die Galerie Kinski, ein Café, das im Geburtshaus des exzentrischen Schauspielers Klaus Kinski Anfang der 90er Jahre entstanden ist. Genauso schrill und unangepasst wie der Mime selbst, bietet es mit Fotos und Bildern eine Hommage an den Künstler und ist zugleich ein Denkmal für einen bekannten Sohn der Stadt.
Galerie Kinski
„Wir wollen an die Eleganz vergangener Zeiten anknüpfen“, so das Ziel der Stadtoberen. Die passende Infrastruktur nimmt mehr und mehr Formen an. Etwa der vis-á-vis des Grand Hotels gelegene größte Tenniskomplex des Landes, ein riesiger Yachthafen soll noch mehr Prominenz nach Sopot lotsen und das luxuriöse Sheraton Hotel unweit der Mole hat bereits seine Pforten geöffnet. Im gleichen Zuge erhält auch die Kurorttradition eine neue Politur. Sichtbares Zeichen hierfür ist das neue Kurhaus mit Konferenzzentrum, das nach den Plänen des alten Kurhauses seit 2010 seine Gäste empfängt. „Die Geschichte der Kurtradition reicht bis ins Jahr 1820, als der französische Arzt Jean George Hafner den Grundstein hierfür legte“, klärt Andrzej Falkowski auf. Aus einer 800 Meter tief gelegenen Mineralquelle komme seither das heilsame Nass. „Inhalationen und Bäder gegen Rheuma machten die Behandlungen einst berühmt.“ Heute stünden die verschiedensten Therapien und Heilbehandlungen bis hin zu Anti-Aging auf dem Programm. Und wem das nicht reicht, der flaniert einfach mit Blick auf das Meer über die Mole....