Gepfefferte Gänsekeule

Kulinarisches aus Polen

Text und Fotos: Dagmar Krappe

Die polnische Region Kujawsko-Pomorski (Kujawien-Pommern) ist das Zentrum der Gänsemast. Als Dessert gibt es Pfefferkuchen aus Toruń.

Polen - Kujawsko-Pomorski - Gänse auf dem Hof von Bogdan Liczbik

Gänse auf dem Hof von Bogdan Liczbik

Wer glückliche Gänse sehen will, der muss in Polen nicht lange danach suchen. In der Woiwodschaft Kujawsko-Pomorski (Kujawien-Pommern) reiht sich ein Zuchtbetrieb an den anderen. Die meisten sind kleine Familienhöfe wie der von Bogdan Liczbik in Trzebcz Szlachecki. Das Dorf liegt irgendwo im Weichseltal zwischen den beiden Großstädten Bydgoszcz (Bromberg) und Toruń (Thorn) (1), die sich die Verwaltung des Bezirks teilen. Hafer-, Raps- und Maisfelder, saftiggrüne Weiden, Apfel- und Pflaumenbäume prägen die Gegend. Rund 300 schneeweiße Kołuda-Gänse watscheln und schnattern im Kreis. Ihr Markenzeichen hellgelber Schnabel und blaue Augen.

Polen - Kujawsko-Pomorski - Gänsebauer Bogdan Liczbik

Gänsebauer Bogdan Liczbik

„Zwei Dinge sind ganz wichtig für viel Muskelmasse und wenig Fett“, sagt Liczbik: „Jede Menge Platz, damit sich die Tiere frei bewegen können und gutes Futter wie frisches Gras, Kohl, Kartoffeln, Karotten vom eigenen Feld und natürlich Hafer. Rund 17 Wochen lang dürfen sich die Gänse auf Höfen wie diesem glücklich fühlen, bis sie geschlachtet werden. Bogdan Liczbik bezieht seine Küken aus dem Institut für Tierzucht in Kołuda Wielka. Hier hat „Gänsemutter“ Halina Bielińsk das Sagen: „1962 begann man mit der Aufzucht weißer italienischer Gänse“, erzählt die stellvertretende Direktorin des Instituts.

Seit 35 Jahren erforscht die Agrarwissenschaftlerin die Gewohnheiten der Vögel und setzte sich dafür ein, dass die weiße Kołuda-Gans seit 2012 als eigene Rasse anerkannt ist: „Gänse sind ein polnisches Kulturgut. Schon Ende des 18. Jahrhundert exportierte man sie aus dieser Region. Hier war die Speisekammer Berlins. Nur gelangten die Tiere damals noch nicht als Frischware oder tiefgefroren an ihre Bestimmungsorte, sondern wurden in Herden über Wochen hunderte Kilometer dorthin getrieben. Die Bauern schmierten Teer unter die Gänsefüße, damit sie sich diese nicht verletzten und wund liefen.“

Polsen - Kujawsko-Pomorski - „Gänsemutter“ Halina Bielińsk

„Gänsemutter“ Halina Bielińsk

Der Martinstag am 11. November ist der Auftakt fürs Weihnachtsgeschäft. 20.000 Tonnen gerupftes Federvieh gehen jedes Jahr zur Adventszeit in den Export. „70 Prozent davon landen auf deutschen Tellern. Weitere in den Kühlregalen Skandinaviens und der Schweiz. Für die Zucht gelten strenge Richtlinien. Stopfleber und Lebendrupf sind per Gesetz verboten. Auch Federn und Füße der Gänse verwerten wir“, erläutert Bielińsk: „Besonders die Japaner schätzen die elastischen Daunen für Jacken, Kopfkissen und Schlafsäcke. Füße und Schnäbel finden in China und Thailand ihre Käufer. Auch in Polen selbst weiß man Gänsefleisch inzwischen wieder mehr zu schätzen.“ Viele polnische Restaurants haben seit einigen Jahren wieder ganz viel Gans auf der Speisekarte. Nicht nur klassisch geschmort mit Salz, Pfeffer und Majoran. Toruńs kreative Köche wie Sebastian Krauzowicz im Restaurant „Sfera“, Artur Moroz im „Pikado“ oder Waldemar Klorek im „Ostromecka“ bei Bydgoszcz zaubern fettarme, moderne Küche auf die Teller und in die Suppenschüssel: Gänse-Carpaccio oder –Tartar, süßsaure Blutsuppe mit Pflaumen und Rosinen, mit Gänsefleisch gefüllten Piroggen, Gänsemagen in Zwiebeln und Sauerkraut oder Gänseroulade mit Pflaumensoße und Moosbeeren.

Polen - Kujawsko-Pomorski - Gänsebraten

Gänsebraten

Auch wenn die polnischen Gänsebauern nicht mehr auf Fettpolster setzen, nach so viel Gans verlangt es jeden nach etwas Süßem. Die mittelalterliche Stadt Toruń (Thorn) ist da die beste Adresse. „Unser Aushängeschild sind Backsteingotik, Nikolaus Kopernikus und Pfefferkuchen“, informiert Gästeführer Andrzej Sekuła. Der Deutsche Orden gründete die Stadt 1233. Von der ehemaligen Ritterburg ist nicht mehr viel erhalten. Von den gotischen Backsteinkirchen und -häusern umso mehr. Eines von ihnen könnte Kopernikus’ Geburtshaus sein. „Doch so genau weiß es niemand“, meint Sekula: „In der Ulica Kopernika hielt man lange Zeit die Nummer 17 dafür. In diesem Gebäude und im Nachbarhaus befindet sich ein Museum zum Leben und Werken unseres berühmten Sohns. Aber vielleicht erblickte er das Licht der Welt auch am Rynek Satromiejski, am Altstädter Ring, in der Nähe des mächtigen Rathauses.“ Es diente als Vorbild für das Rote Rathaus in Berlin.

Polen - In Toruń am Altstädter Ring

In Toruń am Altstädter Ring

Davor thront der Astronom, der die Sonne anhielt und die Erde in Bewegung setzte, seit 1853 auf einem Sockel. „Ob er im 15. Jahrhundert bereits „Thorner Kathrinchen“ genossen hat, ist nicht überliefert“, sagt Sekula: „Der bekannteste Pfefferküchler, Johann Weese, gründete seine Fabrik 300 Jahre später. 500 Mitarbeiter stellten die süßen Leckereien her. Leider geriet der letzte Nachfolger, Gustav Weese, 1939 in wirtschaftliche Schieflage und musste den Betrieb verkaufen.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte das staatliche Unternehmen „Kopernik“ die Produktion fort. Es ist heute privatisiert, und der Duft von Anis, Kardamom, Muskat, Nelken und Zimt strömt Tag für Tag aus den zahlreichen Verkaufsshops im Zentrum der Stadt.

Polen - Polen - Toruń - Pfefferkuchen

Pfefferkuchen

Im ehemaligen Weese-Werk in der Ulica Strumykowa gibt es seit 2015 das Muzeum „Toruńskiego Piernika“, das Thorner Pfefferkuchen-Museum. Auf drei Etagen wird die Geschichte der süßen „Pierniki“ präsentiert. Die Herstellung der „Katarzynki“ (Thorner Kathrinchen) erklärt: Hanseatische Kaufleute brachten die orientalischen Gewürze nach Thorn. Die Lebkuchenbäcker vermengten sie mit Honig, Zucker und Mehl. „Katarzynki“ sind sechs runde Pfefferkuchen ohne Füllung, die miteinander verschmolzen sind. Pflastersteine mit weißer Zuckerglasur und Lebkuchenherzen sind weitere Toruńer Varianten.

Aufwendiger in der Fertigung sind Figurenlebkuchen. Im Untergeschoss des Museums ist eine umfangreiche Sammlung holzgeschnitzter Pfefferkuchenformen aus verschiedenen Jahrhunderten ausgestellt: Königspaare, Ratsherren in Tracht, Kutschen, Wappen, Türme und Stadtmauern. Ein alter Fabrikofen der Firma „Kopernik“ demonstriert, wie vor Jahrzehnten die Plätzchen gebacken wurden. Multimedial ist die Historie der Familie Weese aufbereitetet. Im Vertriebskontor und Tante-Emma-Laden werden Besucher in die Zeit vor einhundert Jahren zurückversetzt. Am Ende des Rundgangs besteht die Möglichkeit, eigene Lebkuchen zu kreieren. Oder man genießt die gepfefferte cremige Variante im Traditionscafé „Lenkiewicz“: ein „Piernikowe“ (Pfefferkucheneis).

Polen - Im Thorner Pfefferkuchen-Museum

Im Thorner Pfefferkuchen-Museum

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseveranstalter Polen bei schwarzaufweiss

 

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