Aus Herrenhäusern werden Hotels

Auf der Blumeninsel Madeira locken stilvolle Quintas

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Zugegeben, Linksverkehr gibt es nicht auf Madeira. Ansonsten jedoch wirkt die Blumeninsel,  die knapp 600 Kilometer westlich von Marokko im Atlantik gelegen ist, in vielerlei Hinsicht „very british“. „Bevor hier auf Madeira große Shopping-Center gebaut wurden“, berichtet Jorge Miguel Caldeira, der etwa fünf Kilometer von Funchal entfernt das preisgekrönte Ferienhotel „Quinta Splendida“ leitet, „ sind die Bewohner Madeiras zum Shoppen eher nach London geflogen als nach Lissabon.“ Gerade im Tourismus zeigt sich die enge Bindung an Großbritannien noch heute. Besucher aus England und Schottland stellen den Großteil der Madeira-Urlauber, gefolgt von Franzosen und Deutschen, die Madeira zunehmend als Aktiv- und Wanderdestination entdecken.

Portugal - Madeira

Wer nach Madeira reist, sucht in der Regel keine Ballermann-Atmsphäre und keine durchtanzten Disconächte, sondern aktiven Naturgenuss – verbunden mit Ruhe und Entspannung.  Und wo ließe sich dieser Wunsch idealer realisieren, als in einer großzügigen Anlagen, deren Kern ein historisches Herrenhaus bildet und die von einem liebevoll gestalteten Garten umgeben ist? Glücklicherweise hat Madeira etliche solcher Perlen zu bieten, denn obgleich Wein- und Bananenanbau die Inseln weiterhin prägen, schwindet die Bedeutung der Landwirtschaft – und viele Herrenhäuser, die früher einheimische Zuckerbaronen, reichen Weinbauern oder britischen Händlern oder Adligen vorbehalten waren, öffnen mittlerweile ihre Türen für Besucher. Die meisten dieser Herrenhäuser waren, bevor das Leben auf den Landgütern in Mode kam, an Bauernfamilien verpachtet, die ein Fünftel der Ernte – quinta parte – an den Grundbesitzer abgeben mussten. Als die Höfe zu herrschaftlichen Anwesen wurden, behielten sie den Namen Quinta. Heute bilden die portugiesischen Quintas eine Art Pendant zu den Fincas, die anspruchsvolle Spanien- bzw. Balearenbesucher schon seit Jahren zu schätzen wissen.

Protugal - Madeira - Die Quinta Bela Vista liegt inmitten einer großzügigen Gartenanlage und bietet stilvolles Wohnen mit musealem Flair

Die Quinta Bela Vista liegt inmitten einer großzügigen Gartenanlage und bietet stilvolles Wohnen mit musealem Flair

Sechzehn der besten Quintas auf der Blumeninsel Madeira haben sich inzwischen zu einem Marketingverbund zusammengeschlossen, den „Quintas da Madeira“. Darunter findet sich auch die Quinta Bela Vista, die Dr. Robert Ornellas Monteiro gehört, einem erfolgreichen Arzt aus Funchal, der zudem begeisterter Antiquitätensammler ist. Und das hat Folgen – wer sich in der Quinta Bela Vista einquartiert, wohnt fast in einem Museum. Viele der exklusiven Möbelstücke, die fast alle aus England stammen, hat der Inhaber für viel Geld bei Christies und bei Sothebys ersteigert. „Er liebt es, diese einmalige Sammlung, die als eine der größten Sammlungen historischer Möbel außerhalb Großbritanniens gilt, mit seinen Gästen zu teilen“, erläutert Fernando Vieira, der für das Marketing der Quinta zuständig ist. – und in dieser Funktion zuweilen auch recht ungewöhnliche Anrufe erhält. „Vor einigen Jahren klingelte das Telefon und ein Mann meldete sich und sagte, er sei Mick Jagger. Ich dachte zuerst, jemand will mich auf den Arm nehmen – aber er war es wirklich und er hat angerufen, weil er seinen Eltern einen Aufenthalt bei uns schenken wollte“, erläutert Vieira. Im November 2007 war auch Prinzessin Victoria von Schweden in der Bela Vista zu Gast. Mit ihrem Besuch dort setzte sie eine Familientradition fort – denn Victorias Mutter Silvia verbrachte ihre Madeira-Aufenthalte bereits mehrmals in der Quinta Bela Vista.

Auf den Spuren von Kaiserin Sisi

Die Quinta Bela Vista, sowie etliche weitere Quintas, die sich bei den Quintas da Madeira zusammengeschlossen haben – beispielsweise die Quinta do Monte, die Quinta Mirabela und die Quinta Bela de São Tiago, befinden sich direkt in der Inselhauptstadt Funchal. Sie sind ein exzellenter Ausgangspunkt, um in der Stadt auf historischen Spuren zu wandeln. Im Museum Vicentes in der Rua da Carreira wird anschaulich dargestellt, dass vor allem europäische Adlige den ersten Madeira-Boom ausgelöst haben. Eine der prominentesten Madeira-Besucherinnen war die österreichische Kaiserin Elisabeth, im Volksmund liebevoll „Sisi“ genannt, die gleich zweimal nach Madeira gereist war – von 29. November 1860 bis zum 28. April 1861 und mehr als zwei Jahrzehnte später noch einmal vom 23.12.1893 bis zum 4. Februar 1894. Beim ersten Mal residierte Elisabeth in der Quinta Vigia, an deren Stelle heute das Casino-Park Hotel steht, in dessen Nähe eine lebensgroße Sisi-Statue an die legendäre Kaiserin erinnert. Sisi, die für ihre Madeira-Reise gesundheitliche Gründe vorgegeben hatte, lebte auf Madeira sehr zurückgezogen „Sie sperrt sich oft beinahe den ganzen Tag in ihrem Zimmer ein und weint“, berichtet Graf Louis Rechberg dem Wiener Hof. Graf Rechberg war besorgt über das isolierte Leben der Kaiserin – und gleichzeitig fasziniert von der Schönheit der Insel. „Alle Gewächse Indiens und Südamerikas gedeihen auf dieser von der Natur so gesegneten Insel. Denke Dir Bouquets von 30 Schuh hohen Camelienbäumen mit tausenden Blüten und Knospen“, schwärmte er.

Portugal - Madeira - Kirche "Nossa Senhora do Monte", in Monte, dem Villenvorort Funchals

Kirche "Nossa Senhora do Monte", in Monte, dem Villenvorort Funchals

Sisi war nicht die einzige berühmte Angehörige der österreichischen Krone, die zu Madeira eine besondere Verbindung hatte. Im Museum Vicentes finden sich auch Fotos von Kaiser Karl I., der ab 1921 auf Madeira weilte, nachdem er in Folge des 1. Weltkrieges abgedankt hatte. Kaiser Karl, der 1994 vom Papst selig gesprochen wurde, starb im Jahr 1922 in der Quinta do Monte, in die er gezogen war, als er sich das luxuriöse Reids-Hotel nicht mehr leisten konnte. Karls Leichnam wurde in der Kirche ‘Nossa Senhora do Monte’ beigesetzt.

Mit Korbschlitten ins Tal

Portugal - Madeira - Eine Fahrt mit dem traditionellen Korbschlitten gehört zu den beliebtesten Touristenattraktionen der Insel

Eine Fahrt mit dem traditionellen Korbschlitten gehört zu den beliebtesten Touristenattraktionen der Insel

Neben Fotos von Elisabeth und Karl finden sich im Museum Vincente, eines Fotografie-Pioniers von europäischem Rang, auch zahlreiche Schwarzweiß-Aufnahmen, auf denen die Entwicklung des Transports auf Madeira gezeigt wird. Da lassen sich angesehen Bürger in Hängematten durch die Berge tragen, da wird eine Zahnradbahn gezeigt, die hinauf zum Villenvorort Monte führt – und da finden sich Dokumente einer Transportart, die in Madeira wohl nahezu einmalig ist: Die Korbschlitten, mit denen Waren oder Passagiere schnell vom rund 550 Meter über Meereshöhe gelegenen Monte ins Tal gebracht werden können. „Das war für die Händler die einzige Möglichkeit, ihre Bananen schnell ins Tal zu bringen, wenn sie gesehen haben, dass am Hafen ein Schiff angelegt hat“, erläutert Regina Nelia, eine Reiseleiterin, die Gruppenreisenden und Kreuzfahrtpassagieren die schönsten Stellen der Insel zeigt. Heute sind die Korbschlitten, die direkt unterhalb der Kirche „Nossa Senhora do Monte“ abfahren, vor allem eine Touristenattraktion. Die  zweisitzigen Schlitten, an denen Holzkufen angebracht sind, werden von zwei weißgekleideten Schlittenführern, die Strohhüte tragen, gesteuert. Die Fahrt ins Tal kostet 15 Euro -  und wird, je nach Wunsch des Passagiers oder nach Temperament des Schlittenführers, zuweilen durchaus rasant durchgeführt.

Portugal - Madeira - Die orange-blau gefärbte Strelitzia reginae -- auch Paradiesvogelblume genannt - gilt als die "Nationalblume" Madeiras. Die exotische Blume, die ursprünglich aus Südafrika stammt, wurde zu Ehren einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz nach deren Geburtsnamen benannt

Die orange-blau gefärbte Strelitzia reginae - auch Paradiesvogelblume genannt - gilt als die "Nationalblume" Madeiras

Wenn Regina Nelia Besuchern die Insel zeigt, darf natürlich der botanische Garten Funchals nicht fehlen. Spätestens hier stößt sie jedem Besucher ins Auge – die orange-blau gefärbte Strelitzia reginae – auch Paradiesvogelblume genannt. Die Bezeichnung „Strelitzia“ hat die Pflanze nach einer Region im heutigen Bundesstaat Mecklenburg-Vorpommern – denn die exotische Blume, die ursprünglich aus Südafrika stammt, wurde vom Leiter des botanischen Gartens in London im Jahr 1773 zu Ehren der englischen Königin Charlotte, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Stelitz, nach deren Geburtsnamen benannt.

Blütenpracht auf Schritt und Tritt

Egal, welche Teile der 53 Kilometer langen und 17 Kilometer breiten Insel man besucht, kaum einem  Madeira-Besucher wird es gelingen, die gesamte Blütenpracht zu identifizieren, die ihm auf Schritt und Tritt begegnet. Orchideen, Passionsblumen, Calla, Oleander, Chrysanthemen, Hortensien und Bougainvilleen bilden eine Wunderwelt aus Formen und Farben – und erfreuen die Nase mit einer Vielfalt an Dürften, wie sie die besten Fragrancehäuser der Welt nicht besser kreieren könnten. Dazu kommt: Die meisten der Quintas, die in den „Quintas da Madeira“ zusammengeschlossen sind, befinden sich inmitten großzügiger Gartenanlagen – allein im botanischen Garten der Quinta Splendida in Caniço können mehr als 650 verschiedene Pflanzen und Blumen bewundert werden. Lohnend ist auch ein Aufenthalt in der Quinta Jardins do Lago, deren Garten einer biologischen Weltreise gleicht – hier finden sich unter anderem Bäume und Blumen aus Argentinien und Australien sowie aus China und Madagaskar. Dass Madeira so grün und so blütenreich ist, hat einen einfach Grund: Die Berge auf der Insel ragen bis zu 1862 Meter gen Himmel und sorgen dafür, dass sich häufig die Wolken fangen und dass es somit immer genug Wasser auf der Insel gibt.

Portugal - Madeira - Um die terrassenförmig angelegten Felder zu bewässern, wurden Wasserkanäle angelegt, die so genannten Levadas - heute bilden die Levadas ein ideales Wanderrevier

Um die terrassenförmig angelegten Felder zu bewässern, wurden Wasserkanäle angelegt, die so genannten Levadas - heute bilden die Levadas ein ideales Wanderrevier

Welch gewaltige Landschaftsformationen die Insel zu bieten hat, offenbart sich beispielsweise auf einer Fahrt zum 1818 Meter hohen Pico do Arieiro, dem dritthöchsten Berg der Insel – der höchste Gipfel, der mit Bussen oder Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Der Wasserreichtum der Insel ermöglichte es, trotz der vielen Steillagen Wein und Gemüse anzubauen. Um die terrassenförmig angelegten Felder sowie die Ortschaften regelmäßig mit Wasser zu versorgen, wurden zahlreiche Wasserkanäle gebaut, so genannte Levadas. Naturinteressierten Besuchern bieten diese Levadas eine ideale Möglichkeit, die Insel per Pedes zu erschließen. Rund 1400 Kilometer Levada-Wanderwege sind auf Madeira zu finden. Obgleich das Gefälle der Wasserleitungen nicht sonderlich stark ist und die Wanderstrecken dadurch zum Teil nicht übermäßig anstrengend sind, sollte man sich vor einer Wanderung genau über den Schwierigkeitsgrad der betreffenden Strecke informieren.

Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind bei vielen Levada-Wanderungen ein Muss, denn neben den meist nur etwa 50 Zentimeter breiten Wegen, die sich auf der Talseite des Wassergrabens befinden, geht es zuweilen nahezu senkrecht in die Tiefe. „Wenn man sich deswegen unwohl fühlt, empfiehlt es sich, einfach die Schuhe auszuziehen und die Wanderung barfuss in der Levada fortzusetzen“, rät André Diogo, der in Ponta do Sol eine Quinta betreibt, die vorwiegend von einem jüngeren und aktiveren Publikum besucht wird. Die Quinta de Rochinha, deren Kern eine ehemalige Zuckerfacenda darstellt, thront auf einer Klippe direkt über dem Meer – und bietet den Besuchern nicht nur von der Terrasse, sondern auch vom Swimmingpool und vom Whirlpool aus grandiose Aussichten. Früher, so berichtet André Diogo, wurde von der Klippe aus nach vorbeischwimmenden Walen Ausschau gehalten – und wenn die Giganten der Meere vor der Küste gesichtet wurden, hat man die Fangflotten mit Hilfe von Feuerwerkskörpern verständigt.

Portugal - Madeira - Wohnen und Baden mit Ausblick - Die Quinta da Rochinha in Ponta do Sol thront auf einer Klippe direkt über dem Meer

Wohnen und Baden mit Ausblick - Die Quinta da Rochinha in Ponta do Sol thront auf einer Klippe direkt über dem Meer

Von einer anderen Art der Kommunikation im Vor-Handy-Zeitalter berichtet  man in der Quinta Jardim da Serra. Das auf rund 770 Metern über dem Meerespiegel gelegene Haus gehörte früher dem britischen Konsul Henry Veitch. Er legte in der Umgebung seiner Villa einen Weinberg an und pflanzte zahlreiche Bäume, darunter auch seltene Eukalyptusspezies. Darüber hinaus war Henry Veitch ein Mann, der die Frauen liebte. Rund vierzig verschiedene Geliebte soll der Konsul gehabt haben, so wird gemunkelt. Wenn er die jeweilige Dame seines Herzens zu sich rufen wollte, soll Henry Veitch dies durch eine Flagge signalisiert haben, die er auf dem Dach seiner Villa gehisst hat. Noch heute, so berichtet ein Einheimischer, gibt es in den umliegenden Dörfern auffallend viele Kinder mit hellblonden Haaren. Auch politisch war Veitch, der nach seinem Tod im Jahr 1857 in einem Mausoleum in der Nähe der Quinta begraben wurde, eher unkonventionell. Im Jahr 1815, als Napoleon an Bord der HMS Northumberland nach Sankt Helena verbracht wurde, besuchte er den gestürzten Kaiser auf dem Schiff und behandelte ihn mit großem Respekt.

Auch auf dem Grundstück, das früher Veitch gehörte, steht heute ein Hotel. Es ist weit größer als Veitchs ehemalige Villa. Den Gästen in dem 4-Sterne-Haus, das 2003 eröffnet hat, mangelt es an nichts - weder an einem Schwimmbad und an Fitnessräumen noch an einem Jacuzzi. Eine von alten Bäumen umgebene Quinta, die rund zwanzig Kilometer von Funchal entfernt liegt - ideal für Urlauber, die keinen Rummel brauchen, sondern  lesen, wandern oder Golf spielen möchten.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Reiseveranstalter Portugal bei schwarzaufweiss

 

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