Schweden in der Nussschale

Stockholm: ein Besuch im ältesten Freilichtmuseum der Welt

Schweden - Stockholm - Museum Skansen

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Skansen ist Stockholms große Attraktion für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Das bekannteste Freilichtmuseum Schwedens, dessen Gründung auf Arthur Hazelius (1833-1901) zurückgeht, bewahrt eine traditionelle skandinavische Kultur, die im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung zu verschwinden drohte. Über die vergangenen Jahrzehnte konnten in Skansen mehr als hundertfünfzig historische Gebäude aus allen Teilen Schwedens eine neue Heimstatt finden.

Insbesondere in den Sommermonaten sind diese Gebäude auch belebt, trifft man die gestrenge Abstinenzlerin in ihrem dunkelroten Kostüm und steifen „Napfhut“ auf dem Kopf, die die Geschicke des Volkshauses lenkt, und den biederen Siedlersoldaten, der Gästen stolz sein winziges Soldatenhaus zeigt. Darüber hinaus begegnet man Mägden, Knechten und Gutsbesitzern in ihren historischen Kostümen, kann beim Schmieden, Flachsbrechen und Weben ebenso zuschauen wie beim Brotbacken.

Frisch gebacken und schnell verzehrt: ein Blick in die historische Bäckerei

Und schließlich beherbergt Skansen auch einen Tierpark, in dem sich Uhu, Wisent, Wolf und Braunbär tummeln, mal abgesehen von einigen Exoten wie den putzigen, aus Madagaskar stammenden Kattas, Halbaffen in schwarz-weißem Kostüm. Ob man den scheuen Luchs zu Gesicht bekommt, ist nicht gewiss, doch der Anblick eines mächtigen Elchs entschädigt dafür allemal.

Beschaulichkeit des alten Stockholm

Wer das überaus geschäftige Stockholm von heute erlebt, der mag kaum glauben, dass hier einst die Straßen mit Kopfsteinpflaster bedeckt waren, dass sich kleine zweigeschossige Häuschen in Gelb und Rot aneinander schmiegten und dass Buchdruckerei, Gemischwarenladen, Buchbinderei, Bäckerei, Sattlerei, Schuster und Apotheke zum Straßenbild gehörten. In Skansen kann man sich ein Bild von Stockholms Vergangenheit machen, sind doch Gebäude, die vorwiegend aus Södermalm stammen, zu „Alt-Stockholm“ zusammengefügt worden.

Skansen bewahrt die historischen Winkel des alten Stockholm

In der Bäckerei mit ihrem riesigen Backofen – er fasst neun Backbleche – duftet es herrlich nach frischen Backwaren, während in der Buchdruckerei und Buchbinderei die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: Handpressen und Satzkästen, aber auch Werkzeug zum Heften und Schneiden stammen aus dem neunzehnten Jahrhundert. Und auch einen Blick in eine typische Industriearbeiterwohnung vom dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts können wir werfen. Es ist eine Einraumwohnung, in der gekocht und gelebt wurde. Neben der Familie gab es noch Schlafburschen, die sich den wenigen Raum mit einer zumeist vielköpfigen Familie teilen mussten.

Haszeliushuset (Surbrunnsgatan 45), einst Teil eines großen Landesitzes des 18. Jh. und ab 1831 Wohnhaus von General J. A. Hazelius

Wie das Bürgertum zu leben verstand, zeigt das Hazeliushaus: Man legte wert auf den Stil der Zeit und hatte sich entsprechend mit Empire-Mobiliar eingerichtet. Eine Kegelbahn und ein Gartenhäuschen aus der Hornsgatan zeigen, dass man sich auch zu entspannen und zu vergnügen wusste. Vor allem Studenten bevölkerten das „Petissan“, als das Café noch in der Drottninggatan stand, heute genießen die Besucher des Freilichtmuseums bei Café und Kuchen den lauschigen Innenhof.

Leben auf dem platten Land

Oktorpshof aus Halland

Doch verlassen wir das historische Stadtensemble und tauchen in das ländliche Schweden ein: Der Delsbohof aus Hälsingland ist ein typische Hofanlage des neunzehnten Jahrhunderts. Die Wohnhäuser sind verschalt und in Ochsenblutrot getaucht. Wenn man auch auf Tapeten verzichtete, so wusste man doch die gute Stube zu schmücken, deren Wände mit naiver Malerei bedeckt sind. Wandernde Kunstmaler aus Dalarna waren maßgeblich für diese Verschönerung verantwortlich. Neben dem Haupthaus gehört auch ein Altenteil, das Edsänghaus und das so genannte Bettenhaus, das Gäste aufnehmen konnte, zu der Hofanlage.

Feststube des Västeränghauses mit Wandmalerei (Delsbohof)

An die Zeit, als finnische Einwanderer nach Värmland, Dalarna und Hälsingland kamen, um dort das Land durch Brandrodung urbar zu machen, erinnert der Finnenhof. Das einräumige Wohnhaus dieser Anlage hat eine Rauchstube mit offener Feuerstelle ohne Rauchfang und Schornstein. Der aufsteigende Rauch entwich aus einer einfachen Öffnung in der Decke.

Wie entbehrungsreich das Leben einst war, kann man sich beim Anblick der Steinhauerhütte aus der Gemeinde Orsa vorstellen. Im Nebenerwerb verdingten sich die Bauern des Ortes als Hersteller von Schleifsteinen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Bescheiden sind auch die Lebensverhältnisse derjenigen gewesen, die das über Eck angelegte Hornborgahaus bewohnten, das aus einem kleinen Wohnhaus in Blockbautechnik, einem Stall und einer aus großen Feldsteinen erbauten Scheune bestand. Dass man auf dem Lande allerlei Nebenerwerb betrieb, zeigt auch die Flachsaufbereitung: In einem holzgedeckten Blockhaus dreht sich noch heute ein Wasserrad, dass einen schweren Hammer antreibt, mit dem Flachs gebrochen wird. Im Obergeschoss des Hauses fand dann die weitere Verarbeitung mit rotierenden Schwingmessern statt.

Främmestadtmühle aus Västergötland, 1750 als Bockwindmühle erbaut und 1828 umgebaut

Versuchungen und Seelenheil

Das Ordenshaus Brofästet wurde vom Guttemplerorden erbaut und zeugt für den schwierigen Umgang der Schweden mit Alkohol – Heimbrennerei wurde bis 1860, als der Reichtag sie verbot, vielerorts betrieben. Doch die Abstinenzlerbewegung wuchs und wuchs, benötigte daher eigene Orte für kulturelle und sonstige Veranstaltungen. Für das Seelenheil wurde auch in der rostroten Seglora-Kirche gesorgt. Wer sich im Inneren die Bankreihen anschaut, wird feststellen, dass sich die Kirchgänger nicht auf einen beliebigen Sitz setzen durften, um der Predigt andächtig zu lauschen. Nein, jeder Hof hatte seine eigenen Plätze, worauf entsprechende Holzschilder hinweisen. Noch heute finden hier regelmäßig Gottesdienste und in den Sommermonaten Konzerte statt.

Auch eine Bergbahn verkehrt in Skansen

Dass man von der Landwirtschaft durchaus sehr gut leben konnte, belegt der barocke Herrenhof aus Skogaholm in Mittelschweden. Ein Blick ins Innere des Hauptgebäudes verrät den Wohlstand der Besitzer: Man findet einen Saal mit aufwändiger Täfelung und eine Porträtserie der Familie Wennerstedt, von 1680 bis 1815 Besitzer des Anwesens. Chinoiserien, wenn auch überaus naiv ausgeführt, erblickt man im Kabinett des Hausherrn, eine bemalte Wandbespannung im Salon. Und zum Schluss sei noch auf ein Erlebnis der besonderen Art hingewiesen: In der Schule von Väla wird für kleine Besucher von heute Unterricht so erteilt, wie er einst 1910 stattfand.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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