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Brienz
Schweizer Holzbildhauerei Museum

Cubes - Raus aus der Werkstatt, rein in den Cube bis 29.10.2023

Seit 1932 ist die Holzbildhauerei in einem Berufsverband organisiert. Der Holzbildhauer Verband Schweiz ist 2013 durch die Fusion des Berufsverbands der Holzbildhauer Brienz mit dem Schweizerischen Holzbildhauerverband entstanden. Die Mitglieder des Verbandes arbeiten selbständig in ihren Ateliers oder sind in verwandten Berufsfeldern tätig. In rund 90 Jahren Verbandsbestehen hat sich das traditionsreiche Handwerk dank seinen vielseitigen Mitgliedern aus der ganzen Schweiz stetig weiterentwickelt und ist heute in der Kunst sowie in verschiedensten Gestaltungs- und Arbeitsformen vertreten. Die aktuelle mobile Ausstellung zeigt mit zahlreichen Holzbildhauer:innen die Vielfalt des wertvollen Schaffens des Holzbildhauer Verbandes Schweiz und ist als letzte Station in Brienz zu Gast.

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Das Markenzeichen der Holzbildhauerei in Brienz: der Brienzer Bär

Die Holzbildhauerei und -schnitzerei hat in Brienz eine lange Tradition. Einst gab es in Brienz und Umgebung 600 Bewohner, die sich auf Holzschnitzerei und Holzbildhauerei verstanden. Bekannt ist Brienz für die Bärendarstellungen, die man auch im Museum findet, ob als Teil eines Garderobenständers oder eines Sitzmöbels. Doch in der aktuellen Ausstellung sind weniger historische Bilddarstellung als eher die Verarbeitung moderner Themen der Gegenwart angesagt. Priska Bieri setzt sich kritisch mit unserem Konsumverhalten auseinander. In einem Spinnennetz klettern zahlreiche Figuren. An allen kleben Geldscheine. Im Inneren des Netzes tickt die Zeituhr. Keiner kann sich aber den klebrigen Spinnenfäden entziehen, sprich jeder ist im Hamsterrad des Konsums gefangen. Aus Holz geschnitzt hat Sonja Bantli eine liegende Rose. Ist sie als Symbol der Liebe zu verstehen?

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Sylvia Hilpertshauser "Goldener Käfig"

Bei dem Titel „Katz und Maus“ muss man an Jäger und Gejagte denken. Doch während die Maus eine vertikale Wand emporklettert und der Schwerkraft trotz, würdigt die Katze die Maus keines Blickes und reckt sich ausgiebig. Ein aus Holz gearbeiteter Goldspieler findet sich in der Schau neben einer bäuerlichen Szenerie, dem Auf- oder Abtritt von Kühen. „Schau mal! Denk Mal! Die Quelle lässt grüßen“ ist der Titel eines Werks von Ruedi Anken. Was wir sehen gleicht eher einer geologischen Formation oder einem Fossil, das noch unbekannt ist.

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Philipp Dräyer „Aber hallo!“

„Aber hallo!“ ist ein anderes Werk – es stammt von Philipp Dräyer – betitelt. Vier Enten recken ihre Hälse und schauen ein wenig neugierig drein. Zugleich scheinen sie sich im Viererbund stark zu fühlen, scheinen ein wenig provozierend aufmüpfig. Dass es in der Schweiz auch Alphorn spielende Kugelfische gibt, das weiß nur der Künstler Kurt Müller. Er präsentiert ein Exemplar des Kugelfisches, der sich aufbläht, um dem klassischen Schweizer Musikinstrument einen Ton zu entlocken.

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Gabriele Schild "Diverse Gruppen"

Drei Nilpferde, schwimmend und aus Restholz gefertigt, entstammen den Händen von Angela Galli, die ihre Arbeit „Über Wasser halten“ nannte. Wir sehen weitere Tierdarstellungen wie einen hockenden Affen und einen Schimpansen beim Abklatschspiel mit einem Mädchen. Letztere Arbeit ist Alexandra Jungen zu verdanken. Überdimensioniert und leicht geknickt ist ein ausgestellter Zigarettenstummel, den wir sehen. In einer perforierten Walnuss – so hat es den Anschein – sitzt eine Person, die ihren Kopf in die gekreuzten Arme legt. Diesen besonderen goldenen Käfig schuf Sylvia Hilpertshauser. Volumen reduziert sind die Menschen, die in verschiedenen Gruppen zusammengestellt sind. Gabriela Schild scheint hier und da wohl an Alberto Giacomettis „Menschengruppen“ gedacht zu haben, als sie ihr Ensemble schuf, oder?

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Alexandra Jungen "Schimpanse und Mädchen"

Übrigens weitere Arbeiten findet man nicht nur in der Dauerpräsentation des Museums, sondern vor dem Museum bzw. der Raiffeisenbank in der Hauptstrasse, im Museumsshop und auch auf dem Skulpturenweg längs des Brienzer Sees. Übrigens, es entstehen auf den regelmäßig stattfindenden Holzbildhauersymposien immer neue Werke, die alle zum Verkauf stehen.

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Priska Bieri "Verfangen im Konsum"

Vor dem Museumsgebäude steht unter anderem ein Brustbild einer Frau mit langem lockigem Haar und vollrundem Gesicht, pausbäckig konnte man sagen. „Ladie Fish“ (Kalina Pavlova) entstand auf dem Symposium 2017. Eine weitere Arbeit, die vor der Bank ihren Platz gefunden hat, stellt einen kubischen Menschen dar. Beine und Gesäß entsprechen menschlicher Anatomie. Der übrige Körper besteht aus vieleckigen Edern, auch der Kopf. Von „Eierkopf“ kann man im vorliegenden Fall also nicht reden.

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Gesehen vor der Raiffeisenbank in der Hauptstrasse im Mai 2023

Schöpfer des Werks ist Soheyl Bastami. Ein Fabelwesen, das Anmutungen eines Seepferchens hat, sehen wir außerdem. Henrik Sigensgaard wird als Schöpfer von „Horizonte“ genannt. Ganz passend scheint der Titel jedoch nicht. Seeungeheuer wäre wohl passender. Nazih Rashid schuf eine Holzfigur ohne Titel. Bei dessen Anblick könnte man an einen Menschen denken, der in einen langen geöffneten Mantel gehüllt ist. Ganz naturalistisch hat Walter Zeier seinen Mönch gestaltet. Schließlich findet man in der Phalanz der Skulpturen Tsvetomir Hristovs „Ziege“, deren Körper irgendwie gestaucht ausschaut, so als würden sich alle Muskeln zusammenziehen, um zum Bocksprung anzusetzen.

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Tsvetomir Hristovs „Ziege“,

© Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Info
https://museum-holzbildhauerei.ch/

 


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