Es müssen nicht immer die Berge sein

Reise zu neuen Museen in der Schweiz

Text und Fotos: Ulrich Traub

„Man darf nichts Kleines machen, sondern muss das Ganze in die Planung integrieren. Und so haben wir das Gelände als Skulptur gesehen und das Feld bearbeitet wie Bauern.“ Was Architekt Renzo Piano mit viel Understatement resümiert, ist ein fulminantes Bauwerk, das sich mit sanftem Schwung wie das Werk eines Bildhauers in die hügelige Landschaft vor den Toren der Schweizer Hauptstadt Bern schmiegt: das Zentrum Paul Klee.

Schweiz  - Zentrum Paul Klee bei Bern

Architektur mit Schwung: das sich dezent in die Landschaft schmiegende Zentrum Paul Klee von Renzo Piano in Bern

Die Eröffnung dieses Ausstellungs- und Kulturzentrums im Jahr 2005 war ein weiterer Höhepunkt auf der stetig wachsenden Liste mit Museumsneubauten der letzten Jahre, mit denen sich die Schweiz anschickt, zunehmend auch Kulturtouristen ins Land zu locken. Dass diese Bauten nicht nur an bekannten Adressen zu finden sind, macht den Reiz einer Entdeckungsreise aus.

In Bern führt der Wanderweg auf den Spuren Paul Klees, der hier 1879 geboren wurde und viele Jahre seines Lebens verbracht hat, aus der Stadt heraus aufs freie Feld. Drei ausladende, vom Boden aus aufschwingende Wellen, die eine fast 200 Meter lange Glasfront ummanteln, sind sozusagen das Gesicht von Renzo Pianos Zentrum Paul Klee. Es bietet nicht nur rund 4.000 Werken Klees – von der Malerei bis zu den berühmten Handpuppen - eine Heimat. Mit Wechselausstellungen, die auf das Werk des Künstlers Bezug nehmen, wird auch eine Brücke zur zeitgenössischen Kunst geschlagen. Konzerte, Theater, Vorträge, ein Kindermuseum sowie Restaurant und Café gehören zum weitreichenden Angebot des Zentrums, das sich zu größten Teilen unterirdisch ausbreitet und in die Landschaft zu fließen scheint.

Die Kleinstadt Burgdorf liegt wenige Kilometer von Bern entfernt. Hier lockt das Ende 2002 eingeweihte Museum Franz Gertsch Architektur- und Kunstfreunde. Mit drei Betonkuben in Sichtweite zur Altstadt präsentiert sich das Privatmuseum des Sammlers Willy Michel als schützende Festung für die Bilder des bekannten Schweizer Fotorealisten Franz Gertsch sowie international ausgerichteter Sonderausstellungen.

Schweiz - Repräsentationsarchitektur sieht anders aus: Das Schaulager, von Herzog & de Meuron in Basel realisiert, ist Ausstellungsstätte und Magazin in einem

Repräsentationsarchitektur sieht anders aus: Das Schaulager, von Herzog & de Meuron in Basel realisiert, ist Ausstellungsstätte und Magazin in einem

Mäzenatentum wird in der Schweiz seit Langem groß geschrieben. Davon profitiert die Kunst in besonderem Maße. Ein wegweisendes Beispiel für ein gelungenes Zusammenspiel von Geld und Kunst findet der Kunstfreund seit 2003 in einem Basler Vorort. Das Schaulager, für das Jacques Herzog und Pierre de Meuron ein schon vorhandenes Lagerhaus umwandelten, ist ein völlig neuartiger Ort für Kunst, der sich äußerlich wie ein überdimensionaler Lehmbau mit Einschnitten präsentiert, in seinem Inneren aber mit monumentalen Raumsituationen überzeugt. Es ist großzügige Aufbewahrungsstätte der umfangreichen Emanuel-Hoffmann-Sammlung und Museum in einem.
Die beiden Basler Architekten, die mit dem Olympiastadion in Peking für Furore sorgten und in der Schweiz auch den viel beachteten Erweiterungsbau für das Aargauer Kunsthaus geplant haben, zeigen mit dem Schaulager erneut ihr Geschick, spektakuläre Orte für die Kunst zu schaffen.

Schweiz - Weg ins Unterirdische: Den Neubau für das Centre Dürrenmatt oberhalb von Neuchâtel hat Mario Botta in den Berg gebaut

Weg ins Unterirdische: Den Neubau für das Centre Dürrenmatt oberhalb von Neuchâtel hat Mario Botta in den Berg gebaut

Basel ist so etwas wie der Vorreiter bei der musealen Offensive der Schweiz. Die zahlreichen Museen und Sammlungen genießen internationale Beachtung – so auch das 1996 am Rheinufer errichtete Tinguely-Museum. Der Architekt Mario Botta zeichnet außerdem für einen Museumsneubau verantwortlich, der etwas abseits der bekannten Routen durch die Schweiz liegt: das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel.

Oberhalb der Stadt hat Mario Botta einen geschwungenen Gebäuderiegel unter dem Wohnhaus des Schriftstellers und Malers in den Berg gebaut. Der Tessiner Architekt wollte nicht nur ein Bauwerk schaffen, das sich harmonisch in die Landschaft fügt, er strebte auch nach einer baulichen Entsprechung zum Werk Dürrenmatts, das „in der Tiefe der menschlichen Seele schürft“. So führt der Weg zum Leben und Werk Dürrenmatts nun ins Unterirdische. Von der Terrasse aber genießt man einen typisch schweizerischen Weitblick: unten der See, der Lac de Neuchâtel, im Hintergrund die Berge. „Sogar das Matterhorn ist zu erkennen, eine winzige Zacke“, schrieb der Dichter, der von diesem kontemplativen Ort fasziniert war.

Schweiz - vAlles unter einem (hervorragenden) Dach: Jean Nouvels Kunst- und Kulturzentrum in Luzern am Vierwaldstätter See bietet einem Museum und einem Konzertsaal, Bars und Restaurants Platz

Alles unter einem (hervorragenden) Dach: Jean Nouvels Kunst- und Kulturzentrum in Luzern am Vierwaldstätter See bietet einem Museum und einem Konzertsaal, Bars und Restaurants Platz

Auch in Luzern darf sich der Kunsttourist auf eine höchst ungewöhnliche Begegnung mit dem See freuen. Im Kunst- und Kulturzentrum, das der französische Architekt Jean Nouvel im Jahr 2000 an das Ufer des Vierwaldstätter Sees platziert hat, plätschert Seewasser in kleinen Kanälen. Das Massige des riesigen Gebäudekomplexes mit dem Kunstmuseum, dem viel gerühmten Konzertsaal sowie Bars und Restaurants wird geschickt konterkariert. Nouvel, ein Meister der Entmaterialisierung und mit dem Pritzker-Prize geehrt, der höchsten Auszeichnung für Architekten, hat das Zentrum in unterschiedliche Gebäudeteile zerlegt, die er unter einem markant weit herausragenden Flachdach eingehängt hat. Riesige Glasfronten schaffen die nötige Transparenz.

Wenige Schritte sind es von hier über die berühmte hölzerne Kapellbrücke und durch die Gassen der belebten Altstadt zu einer echten Rarität in der europäischen Museumslandschaft. Am Löwenplatz ist das vor einigen Jahren restaurierte Bourbaki-Panorama zu bestaunen, eines der ganz wenigen noch erhaltenen Rundbildgemälde, dem Kino des 19. Jahrhunderts. Das Panorama zeigt auf 110 Metern eine dramatische Szene aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Dieser Ausflug konfrontiert den Reisenden mit einer heute fast unbekannten Welt. Auch das eine lohnende Entdeckung auf der Museumstour durch die Schweiz. Es muss ja nicht immer zeitgenössisch sein.

Reiseinformationen

Schweiz Tourismus: 00800/10020030 (gebührenfrei)
www.myswitzerland.com
(Hier kann man die kostenlosen Broschüren „Kunst & Architektur“ und „Städte“ bestellen, die zu den interessantesten Museen und weiteren Sehenswürdigkeiten führen, aber auch Hotel- und Gastro-Tipps bereithalten.)

Web-Seite der Schweizer Museen: www.museums.ch

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

Kurzportrait Schweiz

Die Schweiz? Kennt doch jeder, oder? Wilhelm Tell, Banken, Schokolade, Löcherkäse. Wer so denkt, ist aber höchstens mal durchgefahren, auf dem Weg nach Italien oder Frankreich. Man braucht schon etwas Zeit, um sich über das Klischee hinwegzusetzen.

Lausanne

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Entspannte Pointenhatz auf dem Appenzeller Witzweg

Das Ziel ist der Witz. Und es gibt viele Witze zwischen dem schweizerischen Biedermeierdorf Heiden und dem rund achteinhalb Kilometer entfernten Walzenhausen. Genauer gesagt etwa alle 106,5 Meter einen. Denn hier im wunderschönen Appenzeller Land verläuft hoch über dem Bodensee und dem Rheintal der 1993 eröffnete, erste und älteste Witzweg der Welt.

Appenzeller Witzweg

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Jugendherbergen in der Schweiz

Vor gut dreißig Jahren war die preisgünstige Übernachtungsalternative in Vergessenheit geraten. Doch die Anhänger der alten Idee, die dem deutschen Lehrer Richard Schirrmann 1909 auf einer Schülerwanderfahrt gekommen war und sich unter dem Motto "Gemeinschaft erleben" weltweit verbreitete, besaßen einen starken Erneuerungswillen. In der Eidgenossenschaft, wo sich der Verbund 1924 gründete, reagierten sie mit einer tiefenwirksamen Sanierungsoffensive. Unrentable Häuser wurden geschlossen, andere gründlich aufgepeppt. In den letzten zehn Jahren investierte der Verein Schweizer Jugendherbergen 80 Millionen Franken in Um- und Neubauten.

Jugendherbergen

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