Schweiz
St. Moritz
Museum Engiadinais
Historische Prachtzimmer, Stuben und eine Schausammlung von Kunstgewerbe dauerhaft
Bewahr für die Nachwelt
Das Museum mit seinen Scrafittos anstelle von Stuck und kunstvoll bearbeiteten Diamantschliffquadern ist maßgeschneidert für die Sammlung von Campell, der seine gesammelten Möbel in Stuben inszenieren ließ. Dabei muss hervorgehoben werden, dass das Museum nicht in einem historischen Engadiner Haus untergebracht ist, sondern in einem Bauwerk, dass als eines der ältesten Museen Graubündes traditionellen Baustil aufgreift und ein Neubau aus dem Jahr 1906 ist.
Man beachte beim Museumsbesuch im Übrigen den kleinen Erker mit Haube an der Vorderseite des Bauwerks und die „Säulengalerie“ an der Gebäudeseite. Nach innen versetzt und tief in den Laibungen erscheinen die Fenster, die mit Fensterläden ausgestattet sind. Der Museumsbau ist ein Kontrapunkt zu den dominierenden Hotelbauten in St. Moritz, die zum Teil Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Historismus vereint sich dabei mit Brutalismus und Postmoderne!
riet Cambells Erbe
In 21 Ausstellungsräumen kann man eine Zeitreise unternehmen, kann man ähnlich wie in einem Freilichtmuseum wie Ballenberg in eine andere Welt eintauchen, wenn man die hochherrschaftliche Küche besucht, einen Blick in eine Schlafkammer wirft oder den Prunksaal aufsucht. Immer wieder wird der Besucher auf einen entscheidend prägenden Baustoff stoßen: Holz, unter anderem für Balken- und Kassettendecken, reich mit Schnitzwerk verziert, für Truhen, Schränke Tische und Stühle mit und ohne vegetabilem Schnitzwerk, auf Kachelöfen mit und ohne szenischen und Landschaftsdarstellungen.
Wandschmuck in einem der Prachtzimmer
Gleich drei Räume sind der Schausammlung gewidmet. Dort findet man nicht nur reiche Stickarbeiten mit floralen Motiven, Wäschetruhen oder Nähkästchen, sondern auch Schnupftabakdosen und Pfeifen und die Querflöte des Instrumentenbauers Jean Jacques Rippert. Zu sehen sind aber auch Waffen, darunter ein Gewehr mit kostbarem Schaft mit Elfenbeinintarsien und Schmuck für Frauen, den Emigranten mit nach Graubünden brachten, so auch Ohrgehänge aus der Zeit um 1830 oder eine dreireihige Halskette und eine Brosche mit Haararbeit unter Glas aus der Mitte des 19. Jh.
Wohnkultur, die ohne das Engagement der Heimatschutzbewegung und Riet Cambells verloren gegangen wäre
Zuerst betreten wir vom Foyer aus – hier fallen die Inschriften in rätoromanischer Sprache ins Auge – die Stüva da Zuoz. Zuoz verweist dabei auf die Herkunft des Interieurs aus einem typischen Bergdorf Graubündens. Tritt man ein, so fehlt nur, dass man Folgendes in Rätoromanisch hört: „Allegra! Bun di! Buna not! Dorma bain! Grazcha fich!“ Ober- und Unterengadin sind die Gebiete, in denen als vierte Landessprache der Schweiz Romanisch bzw. Rumantsch gesprochen wird. Kein Wunder also, dass im Museum die Bezeichnung der einzelnen Schauzimmer in Rumantsch vorgenommen wurde, sind wir doch im Engadin und unweit Italiens, das sich jenseits des Maloja-Passes erstreckt.
Blick in die Kunstgewerbesammlung
Ein Wandschrank mit aufklappbarer Schreibplatte zieht die Blicke auf sich. Unter den Fenstern sind durchgehende Sitzbänke platziert worden. Auch ein Zinnwaschbecken ist Teil der Ausstattung. Scherenschnitte der vier Jahreszeiten gehören zum Wandschmuck. Eine Standuhr zeigt 5 vor 6 an. Ein abgestelltes Tablett ist mit Rosen bemalt worden. Einige der Möbel weisen reiche Intarsien auf, u.a. mit Rankenwerk. Und auch ein gerahmtes Vaterunser in Hochdeutsch ist Teil der Rauminszenierung, mal von Stickbildern in Kreuzstichtechnik abgesehen.
Uhren gehören zur musealen Schausammlung
Stehen wir wieder im Foyer, so fällt der Blick auf eine Inschrift in Romanisch, die auf die Funktion als Küche mit offener Herdstelle hinweist. Kessel hängen am Haken. Der Blasebalg liegt bereit um das Feuer zu befeuern. Schöpfkellen hängen nahe der Herdstelle. Ein mehrreihiges Abstellregal ist für das Trocknen des Steingut-Geschirrs nach dem Spülen gedacht. Ein Küchenschrank ist wohl gefüllt mir kleinen und großen Keramikschalen. Auch Terrinen gehören zur Ausstattung der Küche. Ein Butterfass steht bereit, um Butter zu machen, eine Kaffeemühle, um die gerösteten Bohnen zu mahlen. Und auch ein Bügeleisen findet sich in der Küche.
Kunst oder Kunstgewerbe - das ist angesichts diese prächtigen Ofens die Frage
© Foto Ferdinand Dupuis-Panther
Zurück im Foyer fällt der Blick auf eine kapitale Jagdtrophäe des Museumsgründers. Einen 15endigen Hirsch erblicken wir. Dessen Kopf ist allerdings aus Pappmache nachgebildet worden, auf den das Geweih aufgesetzt wurde. Vom Foyer aus geht es über das Treppenhaus hinauf in die oberen Stockwerke. Gehbehinderte Besucher werden dabei so manche Probleme haben, denn einen Lift gibt es im Museum nicht und der Behindertenaufzug entlang der schrägen Auffahrt zum Haus war bei meinem Besuch außer Betrieb.
Zunächst betreten wir die Stüva da Brail. Dabei stammt das Interieur aus Brail, einem auf mehr als 1600 Metern hoch gelegenen Ortsteil von Zernez. Spinnräder beherrschen den Raum. Keine Frage, hier wurde wohl Flachs gesponnen. Doch, wo wurde er gebrochen? Am sechseckigen Tisch stehen nicht etwa Holzschemel oder Holzstühle, sondern Stühle mit Lederbezug.
Aus der Schausammlung: Engadiner Stickerei © Foto Ferdinand Dupuis-Panther
Bei dem nachfolgenden Raum staunen wir über den prächtigen Kachelofen: Er besticht durch den Zierrat mit Landschaftsbildern und Blumenmotiven, wohl u.a. gelben Tulpen. Turmartig ist der Aufbau des Ofens, der auf massiven Füßen ruht. Die hohe Kunst der Holzschnitzerei findet man in den Rosetten, mit denen ein Türblatt geschmückt wurde. Eine Art Waffenkammer durchschreiten wir während unseres Rundgangs zudem. Danach öffnet sich der Zugang zu einer Art Bankett- oder Prachtsaal, in dem sich auch eine kleine transportable Orgel befindet. Als Wandschmuck finden wir geschnitzte vollplastische Figuren. Zu sehen sind unter anderem zwei Orientalen mit Turban als Teil der Paneele. Für Wärme im Raum sorgt ein Kachelofen mit grünen Kacheln.
In einer kleinen Kammer, die blau ausgeschlagen ist, werden Besucher mit der rätoromanischen Sprache konfrontiert: Aventüra gleich Abenteuer, Glüsch gleich Licht, Giavüsch gleich Wunsch, Tschêl gleich Himmel. Neben diesen Begriffen wünschte man sich, dass man eine Hörstation hätte, in der man Rumantsch hören kann und zugleich eine Übersetzung erhält. Vielleicht liefert der E-Guide dies, den wir allerdings nicht getestet haben.
reich verzierte Truhe aus der Schausammlung Foto
© Ferdinand Dupuis-Panther
Dass man im Museum aber auch eine Rauminszenierung mit Möbeln findet, die an Empire und Chippendale denken lassen, erstaunt schon. Die Rauminszenierungen sind also mitnichten solche aus Bauernhäusern, sondern auch aus Patrizierhäusern, so der Eindruck. Außerdem betreten wir eine Wirtsstube aus dem Ort Savognin. Zinnhumpen warten auf die Zecher, die auf rustikalen Stühlen Platz nehmen. Auf den vier Tischen stehen Öllämpchen bzw. Kerzenhalter, um den Raum aufzuhellen.
Die Schausammlung ist sehr beeindruckend. Darunter befindet sich eine Holzräderuhr mit Figuren aus dem 17 Jahrhundert oder ein Christuskopf aus dem 15. Jahrhundert. Die kunsthandwerkliche Sammlung besteht aus 4000 Objekten und zeigt die Handwerkskunst um 1900. Weiter oben wurde bereits auf die Sammlung eingegangen.
Übrigens, wer mehr zu Rätoromanisch erfahren will, der nutze das Wörterbuch unter https://www.pledarigrond.ch/sutsilvan. Allerdings erhält man dann nur die Transkription in einen der Dialekte des Rätoromanischen!
© Ferdinand Dupuis-Panther, Fotos der Rauminszenierungen und der Übersicht Schausammlung: © Daniel Martinek, alle übrigen: wie angegeben Ferdinand Dupuis-Panther
Info
https://www.museum-engiadinais.ch
zur Gesamtübersicht Ausstellungen