Text und Fotos: Ralf Nestmeyer
Spätestens die Reiseberichte von Johann Wolfgang von Goethe und Johann Gottfried Seume adelten Sizilien zum klassischen Ziel einer Bildungsreise. Eine Besichtigung der Tempel von Agrigent und Selinunt, der antiken Theater von Taormina und Syrakus sowie ein Aufenthalt in der Inselhauptstadt Palermo gehörten zum Pflichtprogramm einer Sizilienrundfahrt. Den äußersten Westen - abgesehen von der Elymerstadt Segesta - ließen die meisten Reisenden im 19. Jahrhundert links liegen.
Im großen und ganzen bestimmt die damals abgesteckten Route bis heute den Verlauf einer Sizilienreise. Auf deutsche Touristen trifft man in der Provinz Trápani, zu der beispielsweise Marsala, Érice, Castellammare sowie die Ägadischen Inseln gehören, nur sehr selten, während die Italiener die Insel Favignana oder die idyllischen Strände bei San Vito lo Capo seit langem als Ferienziele zu schätzen wissen.
In der Nähe von San Vito lo Capo befindet sich mit dem Zingaro Nationalpark der älteste Nationalpark Siziliens. Rechtzeitig, bevor dieser unzerstörte Küstenabschnitt durch Ferienhäuser und Hotels in Beschlag genommen worden wäre, wurde das gesamte Areal 1981 unter Naturschutz gestellt. Die zahlreichen kleinen Buchten mit ihrem kristallklaren Wasser sind nur zu Fuß auf Maultierpfaden zu erreichen, für Autos ist der Nationalpark tabu.
Zu den Höhepunkten einer Sizilienreise zählt ohne Zweifel Érice, das erhaben auf einem 751 Meter hohen, einsam stehenden Bergkegel thront. Kaum ein anderer Ort wirkt dem Inselleben so weit entrückt. Das von den Elymern gegründete Érice ist eine der ältesten Städte Siziliens. Reste einer karthagischen Stadtmauer sind bis heute erhalten geblieben. Aufgrund der Höhenlage sind die Temperaturen selbst im Hochsommer angenehm, die Fernsicht bis zu den Ägadischen Inseln ist überwältigend. Érice kann zudem mit einem grandiosen mittelalterlichen Stadtbild aufwarten. In den kunstvoll gepflasterten Straßen und Gassen scheint die Zeit stehengeblieben, Autos sind Fremdkörper.
Die meisten Besucher betreten Érice durch die Porta Trápani und stehen direkt vor dem gotischen Dom mit seinem versetzt stehenden Campanile. Bläulich schimmert das Pflaster der Via Vittorio Emanuele, die in das Zentrum des Normannenfleckens führt. Auf dem höchsten Punkt der Stadt stand in der Antike ein beliebtes Heiligtum der Liebesgöttin Venus, später errichteten die Normannen dort oben ein zinnenbekröntes Kastell, das den Namen Castello di Venere erhielt.
Die Weltöffentlichkeit richtete nur einmal die Aufmerksamkeit auf den westlichen Zipfel Siziliens: Am 15. Januar 1968 zerstörte ein schweres Erdbeben mehrere Dörfer im Bélicetal. Auch Gibellina, vormals ein kleines beschauliches Bergdorf, wurde in Schutt und Asche gelegt. Die Bewohner zogen rund fünfzehn Kilometer weiter westlich in eine neue, von den Architekten sehr rational konzipierte Stadt. Zwar spendeten zahlreiche Künstler moderne Skulpturen, die das Stadtbild bereichern, doch fehlt der Neugründung bis heute die Vitalität anderer sizilianischer Städte. Das Leben wirkt unnatürlich statisch.
Ein Teil des alten, zerstörten Gibellina (Ruderi di Gibellina) wurde von dem Bildhauer Alberto Burri in ein Kunstwerk verwandelt. Burri überzog die Ruinenlandschaft mit weiß angestrichenem Beton und schuf so ein überdimensionales Denkmal, das durch seinen surrealen Charakter besticht.
Liebhaber antiker Stätten gehen keineswegs leer aus: Von Fischerbooten werden sie stündlich zu der kleinen Insel Mozia, einst eine bedeutende phönizische Handelsniederlassung, gebracht. In der Lagune vor der Insel wird nach alter Methode Salz durch Verdunstung gewonnen. Die Salinen und die dazu gehörigen Windmühlen bilden ein überaus pittoreskes, immer wieder gern photographiertes Ensemble. Zudem wartet die Elymerstadt Segesta mit einem gewaltigen, nicht fertiggestellten Tempel und einem sehr schön gelegenen Theater auf.
Die rund zwei Jahrhunderte währende Herrschaft der Araber über Sizilien hat vor allem im Westen der Insel bleibende Spuren hinterlassen. Nicht nur die Architektur und die Namen mancher Städte, so im Fall von Marsala (Marsa al Allah = Hafen Allahs), zeugen von dieser Epoche. In Marzaro del Vallo, dem größten Fischereihafen Siziliens, gibt es gar ein Kasbah-Viertel mit orientalischem Flair und einem Hammam (Schwitzbad) zu bewundern.
Zum kulinarischen Erbe Westsiziliens gehört auch, daß man sich in fast jedem Restaurant auf die Zubereitung von Couscous versteht. Die Herstellung des weltberühmten Dessertweins Marsala ist hingegen nicht arabischen Ursprungs, sondern wurde 1773 von dem Engländer John Woodhouse begründet, um dem Portwein Konkurrenz zu machen. Zahlreiche "bagli" genannte Weinkeltereien bieten Verkostungen an. Arm war der Westen nie: Wein, Salz und Fisch galten seit jeher als die drei Haupterwerbszweige einer Region, die es noch zu entdecken gilt.
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