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Von Gotteshäusern und Klöstern

 Die ukrainische Hauptstadt Kiew

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Kiew ist stolz auf ihre weit über tausendjährige Tradition. „Um das Jahr 1240 hatte Kiew rund 50.000 Einwohner – damit war Kiew damals die zweitgrößte Stadt Europas“, berichtet Natascha Jazko, die sich auf deutschsprachige Reisegäste spezialisiert hat. Der Schutzpatron der Stadt ist Wladimir der Heilige, ein mittelalterlicher Kriegsherr und Großfürst, der sich die Macht im Kiewer Rus mit einem skandinavischen Söldnerheer erkämpfte – und der als der Einführer des Christentums in der Stadt und Region gilt. Bevor Wladimir im Jahr 988 die Prinzessin Anna von Byzanz heiratete, ließ sich der Großfürst, der bis dahin über zahlreiche Leibeigene und über mehrere Hundert Mätressen verfügt haben soll, im Dnepr taufen. 900 Jahre nach der Christianisierung sollte in Kiew die Wladimir-Kathedrale eröffnet werden, ursprünglich sollte diese mit 13 Kuppeln ausgestattet werden. „Während des Baus merkte man jedoch, dass die Dachkonstruktion nur sieben Kuppeln trägt“, berichtet Natascha Jazko, die regelmäßig Gäste durch ihre Stadt führt. Heute ist die Wladimirkathedrale der Hauptsitz der ukrainisch-orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats, eine orthodoxen Kirche, die bewusst auf Distanz zu Moskau geht.

Ukraine - Kiew - Wladimirkathedrale
Wladimirkathedrale

Kiew, so betont Natascha Jazko, ist eine der drei bedeutsamsten Stätten des orthodoxen Glaubens – und steht gleichauf mit dem Berg Athos in Griechenland und der Stadt Jerusalem. In der Stalinzeit freilich waren die vielen Kirchen in der Stadt den Herrschenden ein Dorn im Auge: Mehr als 150 Gotteshäuser wurden dem Erdboden gleichgemacht bzw. „geköpft“ und umfunktioniert – so auch die Klosterkirche des Kiewer St. Michaelsklosters. In ihr waren bis Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts Reliquien der Heiligen Barbara untergebracht - diese Gebeine, die Krankheiten heilen sollen, sind nun in der Kiewer Wladimirkirche zu finden. Denn die Michaelskirche wurde im Jahr 1936 kurzerhand in die Luft gesprengt. Seit gut zehn Jahren jedoch ist sie nun wieder aufgebaut - ihre vergoldeten Dächer funkeln im Sonnenlicht und auch die hellblauen Fassaden sind seither wieder weithin sichtbar.

Ukraine - Kiwe - Klosterkirche des Kiewer St. Michaelsklosters
Klosterkirche des Kiewer St. Michaelsklosters

Wie die Wladimirkathedrale gehört auch die St. Michaelskirche zur ukrainisch-orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats – einer von drei orthodoxen Strömungen, die derzeit um die religiöse Vorherrschaft in der Ukraine ringen. Vor der neu aufgebauten Michaelskathedrale findet sich ein Mahnmal, das an die zwei bis vier Millionen ukrainischen Hungertode in den 30er Jahren erinnerte. Eine grausame Folge der Zwangskollektivierung der ukrainischen Landwirtschaft, die von Stalins Schwager durchgepeitscht wurde und die von vielen Ukrainern heute als Völkermord angesehen wird.

Ukraine - Kiew - Andreaskirche
Andreaskirche

Die hellblaue Michaelskathedrale ist ein Teil des „heiligen Dreiecks“ der Stadt Kiew. Zu diesem gehört auch die smaragdgrüne Andreaskirche - ein kleines architektonisches Juwel aus den 18. Jahrhundert, das Bartolomeo Francesco Rastrelli geschaffen hat, der als Hofarchitekt des Zaren auch für zahlreiche Prachtbauten in St. Petersburg verantwortlich war. Die Zentralkuppel der sehenswerten Barockkirche, die seit 1968 als Museum fungiert, ist 48 Meter hoch.

UNESCO-Weltkulturerbe

Ukraine - Kiew - Sophienkathedrale
Sophienkathedrale

Der dritte Sakralbau im heiligen Dreieck Kiews ist zweifelsohne der bedeutsamste: Die Sophienkathedrale, die seit dem Jahr 1990 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht, wurde ursprünglich vor knapp 1000 Jahren nach dem Vorbild der Hagia Sophia in Konstantinopel errichtet. In dem imposanten Gotteshaus befindet sich der Sarg Jaroslaws des Weisen – der Sohn des heiligen Wladimirs gab den Bau der Sophienkathedrale einst in Auftrag. Der prächtige Bau war über Jahrhunderte die Hauptkirche der Kiewer Rus, wurde jedoch zwischen den 13. und 15 Jahrhundert von den Krimtartaren, die Kiew mehrmals erobert hatten, stark zerstört. Das heutige Gebäude stammt vom Beginn des 18. Jahrhunderts und geht auf Zar Peter I zurück. Während der Sowjetzeit war die Sophienkathedrale ein staatliches Museum - und als solches fungiert sie auch heute. Eine salomonische Entscheidung – denn die ukrainisch katholische Kirche sowie die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats und die ukrainisch-orthodoxe Kirche Kiewer Patriarchats erhoben gleichermaßen Anspruch auf den Sakralbau, an dessen Eingang ein 76 Meter hoher Glockenturm gen Himmel ragt.

Noch zwanzig Meter höher ist der Glockenturm des Kirchenkomplexes in der oberen Lawra des Kiewer Höhlenklosters. Das Höhlenkloster, seit 1990 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO, ist heute Sitz des ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats – und steht auch bei Wiktor Janukowitsch, dem derzeitigen Präsidenten der Ukraine, hoch im Kurs. „Der Abt des Höhlenklosters ist der Beichtvater unseres Präsidenten“, berichtet Olga Prokofjewa, die regelmäßig Touristen durch das Areal des Höhlenklosters führt.

Ukraine - Kiew - Kiewer Höhlenkloster
Kiewer Höhlenkloster

Das Höhlenkloster besteht aus der unteren und der oberen Lawra. Zur unteren Lawra, die der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gehört, gehören verschiedene Höhlen, in denen Heilige bestattet sind. Diese können von Touristen und Pilgern mit Kerzen in der Hand durchschritten werden. Die obere Lawra hingegen verwaltet bislang noch der ukrainische Staat – dieser hat dort unter anderem von 1998 bis 2000 die Maria Himmelfahrts-Kathedrale wieder aufgebaut. Diese wurde im Zweiten Weltkrieg gesprengt, die genauen historischen Hintergründe sind unklar. Und auch um den Bau des ursprünglichen Gebäudes ranken sich Legenden: Glaubt man dem Chronisten Nestor, der einst im Höhlenkloster lebte, ist die ursprüngliche Kathedrale im 12. Jahrhundert von zwölf griechischen Brüdern innerhalb einer einzigen Nacht erbaut worden.

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