REIHE UNTERWEGS

Meersalz-Eis, Bockshornkleekäse und ein Helles

Kulinarisches aus Dingle (Irland)

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Irland - Blick auf Dingle Harbour

Wer nach Dingle kommt, der ist zumeist auf der Suche nach Fungie, einem Delfin, der sich in den Gewässern vor Dingle pudelwohl fühlt und scheinbar die Nähe zu den Menschen sucht. Unweit von Old Pier hat man diesem Meeressäuger gar ein Denkmal gesetzt, hat Fungie doch ganz wesentlich zur Belebung des örtlichen Tourismus beigetragen. Uns steht jedoch der Sinn nach Salz-Eis, nach Käse mit Lappentang und einem lokal gebrauten Hellen, mit dem einem irischen Helden der Polarforschung gleichsam ein Denkmal gesetzt wurde.

Mit dem Geschmack des Atlantiks

Hm, Eiscreme aus Irland – worin liegt denn da das Besondere? Wer Sean und Keiran Murphy in ihrem Eisladen besucht, der wird schnell merken, dass es derartiges Eis wohl nicht ein zweites Mal gibt. Das ist nicht ganz richtig: Auch in Killarney und Dublin muss man unterdessen auf Murphy's Ice nicht verzichten.

Irland - Dingle - Speiseeis

Was darf es denn sein? Eis mit Meeressalz? Eis mit Minze oder doch Eis mit Schokoladenchips?

Milchpulver, Konservierungsstoffe und künstliche Aromen sind für die Brüder Murphy ein absolutes Tabu. Wenn sie Vanilleeis machen, dann nutzen sie die Milch von schwarzen Kerry-Kühen, einer immer seltener werdenden irischen Milchkuh-Rasse, und natürlich pures Vanille aus Vanilleschoten. Minze-Eis erhält nicht durch Minze-Sirup das entsprechende Aroma, sondern dank feiner Minzeblätter. Eis mit Schokoladenchips gibt es ebenso im Angebot wie Zimt-Eis. Auf Eis mit Rum und Rosinen muss man ebenso wenig verzichten wie auf Eis mit dunkler Schokolade oder auf Karamell-Eis. Ganz besonders stolz sind die Murphys allerdings auf ihre Kreation eines Eises mit Meersalz. Da mag es den einen oder anderen schütteln. Doch warum sollte die Kombination von Eis und Salz nicht ebenso ein Gaumengenuss sein wie dunkle Schokolade mit Salzkristallen zu einem kräftigen Rotwein?

Irland - Dingle - Speiseeis

Wie, ja wie kommt man nur auf eine derart ungewöhnliche Idee? Keiran Murphy gab gerne Auskunft und dabei durfte auch die Geschichte des Eises mit einer Prise Atlantikwasser natürlich nicht fehlen. Auf meine Frage nach dem Beginn der Karriere als Speiseeismacher und nach der Entwicklung der verschiedenen Eissorten antwortete Keiran: „ Als wir begannen, hatten wir die Idee, Eis in ganz traditioneller Art und Weise herzustellen. Uns war klar, dass wir keine künstlichen Aromen verwenden und dass wir selbstverständlich irische Sahne und Milch einsetzen. Wir entwickeln nun mehr und mehr unsere eigenen Produkte. Früher zum Beispiel kauften wir Schokoladenchips, heute machen wir unsere eigene Schokolade. Wir schöpfen unser eigenes Meerwasser, sieden es und gewinnen so unser eigenes Salz aus dem Atlantik. Wichtig dabei ist, dass wir wie auch bei anderen Zutaten, die unserem Eis die entsprechende Note geben, ein unverwechselbares Eis kreieren. Nun mag es verwundern, dass wir gerade Eis mit einer Prise Meersalz anbieten. Es war meine Idee, als ich von einer Zeitung gefragt wurde, was mir beim Stichwort „Sommer-Eis“ einfiele. Ja, es ist die salzige Luft des Meeres und eine Prise Salz auf den Lippen. Das wollten wir unseren Kunden als ein erfrischendes Sommer-Eis anbieten. Als ich meine Idee erstmals kundtat, hielten mich alle für verrückt. Erdbeere oder Pflaume – ja, das wäre eine gute Geschmacksnote für ein spezielles Sommer-Eis, aber bitte nicht Atlantik-Meersalz. Doch für mich ist letztlich der Geschmack des Sommers Salz. Man badet im Meer und schmeckt das Salzwasser. Es ist heiß und man schwitzt – wiederum Salz auf der Haut. Ja, Salz-Eis - das ist für mich der ultimative Sommergenuss. Übrigens, unser Honigwaben-Eis wird nicht mit Honigwaben gemacht. Das würde dem Eis einen Wachsgeschmack geben. Es ist ein Art Karamell-Eis, dem wir Backnatron zugeben, damit es besonders flockig-fluffig wird und so ein wenig an eine Honigwabe erinnert. Obendrein machen wir auch Karamell-Eis ähnlich wie neuseeländisches Hokey Pokey Icecream. Nein, mit Gewürzen wie einige belgische Schokoladenmacher werde ich nicht experimentieren. Die Zutaten müssen alle einen Sinn machen, so zum Beispiel, ob man Melasse dem Eis zufügt oder nicht. Für mich ist schließlich ganz wichtig, dass mir das Eis schmecken muss. Nur dann kann ich es mit Überzeugung anbieten.“

Irland - Dingle - Keiran Murphy, einer der Besitzer von Murphy's Eissalon

Keiran Murphy, einer der Besitzer von Murphy's Eissalon

Von Pforzheim nach Dingle

Maja Binder, die aus Pforzheim stammt und in der Schweiz, in Italien und in Deutschland auf Almen und in Käsereien gelernt hat, wie man Käse macht, steht hinter Dingle Peninsula Cheese – und das seit 1988. Dabei lernte sie das Herstellen von Ziegenkäse ebenso wie von Schnittkäse und Hartkäsen wie Appenzeller oder Gruyère. Nur Vollfettkäse kommt bei Maja auf den Ladentisch. Fett reduzierter Käse schmecke einfach nicht, ist ihr Einwand auf eine entsprechende Nachfrage.

Irland - Dingle - Maja Binder, in Dingle die Frau für leckeren Käse

Maja Binder, in Dingle die Frau für leckeren Käse

Der Käse von Maja Binder lagert einige Zeit in einem 200 Jahre alten „Käse-Speicher“, um voll zu reifen. Wichtig dabei ist auch, dass die Rinde des Käses einmal am Tag sorgfältig abgerieben wird. Es gibt, so Maja Binder, allerdings eine Besonderheit bei ihren Käsen. Sie sind alle salziger, da auch die hier gewonnen Milch ein wenig salzig schmeckt. Kein Wunder, weiden doch die Kühe nahe dem Atlantik, sodass die salzhaltige Luft sich auch im Futter der Tiere wiederfindet. Die Milch stammt sowohl von einigen Kerry-Kühen als auch von friesischen Milchkühen.

Irland - Dingle Käse mit ausgesuchten Zutaten wie Lappentang

Dingle Käse mit ausgesuchten Zutaten wie Lappentang

Auf die Frage, wie sie denn auf Lappentangkäse gekommen sei, antwortete Maja Binder: „Ich habe in Deutschland in einem Bioladen gearbeitet. Dort gab es einen Gouda mit sehr fein geschnittenen Algen. Ich belasse Tang ein wenig gröber geschnitten, damit man diese Zutat auch noch im Käse schmecken kann. Nur zu bestimmten Jahreszeiten und bei Niedrigwasser kann man den Tang pflücken. Anfangs habe ich das noch selbst gemacht. Nun macht die Käserei zu viel Arbeit, und ich lasse pflücken und trocknen.“

Irland - Dingle - Käse

Hellgelb und halbweich ist Majas Kilcummin-Käse, der einen sehr milden Geschmack besitzt. Aus Rohmilch wird derjenige Käse hergestellt, in dem als Zutaten Seetang beigegeben wird. Sechs Monate sollte er reifen, um sein vollmundiges „Meeresaroma“ zu entwickeln. Mozzarella gehört ebenso zu Majas Angebot wie Dingle-Trüffel-Käse. Neben diesen Käsesorten gibt es noch Bockshornkleekäse in Majas Käselädchen, aber auch Emmentaler, Ziegengouda, Cheddar und St. Bridget, sodass Käseliebhaber auf ihre Kosten kommen.

Ein Helles aus einer ehemaligen Meierei

Letzte Station unserer kulinarischen Stippvisite in Dingle ist Dingles Brewing Company am Rand des Hafenstädtchens. Ja, wer auf untergäriges Bier und auf Pils oder Budweiser steht, der wird auch Tom Creans's Fresh Irish Lager schätzen. Fragt man den Braumeister Xavier Baker, dann ist die Antwort für ein untergäriges Bier simpel: Es träfe als recht leichtes Bier den Massengeschmack, nicht nur in Irland, sondern auch anderswo. Doch der wirkliche Biergenießer dürfte eher enttäuscht sein, dass eine noch recht junge Brauerei ein derart traditionelles Gebräu ausschenkt und nicht experimentierfreudiger ist. Warum wird nicht ein Porter, warum nicht ein Stout gebraut?

Irland - Dingle - Crean's – frisch gezapft vom Braumeister Xavier Baker

Crean's – frisch gezapft vom Braumeister Xavier Baker

Während des Rundgangs durch die Brauerei erfährt man, dass 90% des Malzes, aus dem das Bier gebraut wird, Standard-Malz für untergärige Biere und 10% Karamalz sind. Sicher, ohne Braugerste nützte das Malz auch nichts. Nur mit Braugerste und Saaz-Hopfen kann Bierwürze herstellt werden, aus der im Zuge der Fermentierung durch Hinzufügen von Weihenstephan-Hefe Bier entsteht. Zudem, so erklärte Steven Ghesguier, der die Tour begleitete, benötigt man 70 Grad heißes Wasser aus einem gesonderten Tank, um mit dem Brauprozess überhaupt beginnen zu können. Die Lagerung des Gebräus, so Steven, ist auch sehr wichtig. Sie dauert zwischen sieben und 30 Tage, je nachdem welche feine Biernote man bevorzugt. In der Dingle Brewing Company lagert man Bier für zwölf Tage. Danach leitet man es in andere Tanks und setzt Kohlensäure hinzu, ehe dann die Abfüllung in Fässern geschieht. Innerhalb von zehn Tagen muss dann das Bier umgeschlagen werden, so Steven.

Untergebracht ist die Brauerei in einer ehemaligen, aus dem 19. Jahrhundert stammenden und einer Familie aus Trallee gehörenden Meierei, was durch die vorhandene Rauminszenierung auch noch sichtbar ist. Hier lieferten bis in die 1970er Jahre die umliegenden Milchbauern ihre Milch ab. Um zu untersuchen, ob die Bauern zu viel Wasser der Milch beigemengt hatten, wurden Proben gezogen und Milch gegebenenfalls zurückgewiesen, wie Steven sachkundig erläutert.

Ein Held bekommt sein Bier

Interessant an dem Bier aus Dingle ist eigentlich nur der Name. Benannt wurde es nach einem irischen Abenteurer, der im Dienste der britischen Krone an der Erforschung der Antarktis beteiligt war und nach seiner Rückkehr in Annascaul einen Pub mit dem Namen South Pole Inn eröffnete. Wer aber war dieser Tom Crean?

Irland - Dingle - Ein Helles für einen Helden der britischen Antarktis-Expeditionen

Ein Helles für einen Helden der britischen Antarktis-Expeditionen

Hört man Steven Ghesguier zu, der in der Brauerei arbeitet, so wird die Geschichte Creans sehr lebendig und es scheint, als brauche Irland derartige Helden bis heute. Crean trat – das haben ihm einige Iren zu Lebzeiten nie verziehen – mit 15 Jahren in die Königliche Marine ein und erreichte nach jahrelangem Dienst den Grad eines Petty Officer 2nd Class. Er war zudem Mitglied der Expedition von Robert Falcon Scott, der unbedingt den Südpol erreichen wollte. 150 Meilen vor dem Ziel schickte Scott drei seiner Männer, darunter Crean zurück, um Hilfe zu organisieren. Dieser absolvierte die letzten 35 Meilen des 750 Meilen langen Rückwegs alleine. Crean war es, der eine Mannschaft zusammenstellte, die nach Scott und seinen Männern suchte, und das mit Erfolg. Zudem war Crean an der Endurance-Expedition von Ernest Shackleton beteiligt. Wiederum war Crean ein Retter in der Not: Ihm gelang mit weiteren fünf Expeditionsteilnehmern eine waghalsige Überfahrt von Elephant Island nach Südgeorgien, um die übrigen Teilnehmer dieser Antarktisexpedition zu retten. Ein Mann, der derartige Strapazen und auch das Eingeschlossensein im antarktischen Eis überlebte, fand dann, zurück in der Heimat, ein tragisches Ende: Er starb 1938 an einem Blinddarmdurchbruch. Diese Geschichte erzählte Steven während der Brauereitour so lebendig, dass man den Eindruck bekam, der Besitzer des South Pole Inn sei noch unter uns. Mit dem Bier, das man in Dingle braut, bleibt Tom Crean jedenfalls unvergessen.

Irland - Dingle - Prost auf Tom Crean

Prost auf Tom Crean

Übrigens, die Brauerei wird noch eine Whiskey-Brennerei aufbauen, um dort Single Malt Whiskey zu produzieren. Und nun darf man mal raten, wie der Whiskey wohl heißen soll? „Shackelton“ – und so steht am Ende ein weiterer Held der Polarexpeditionen für ein neues Produkt aus Dingle!

Informationen

Irland Informationen
www.discoverireland.com/de/‎

Aer Lingus
www.aerlingus.com

Murphy's Handmade Icecream
www.murphysicecream.ie

The Little Cheese Shop
www.thelittlecheeseshop.net

West Kerry Brewery
www.tigbhric.com

Dingle Peninsula Food & Wine Festival
1.Oktoberwochenende
www.dinglefood.com

Danksagung

Die Recherche zu diesem Artikel wurde durch Irland Information unterstützt. Der Flug nach Irland wurde durch Aer Lingus gesponsert.

 

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