Reiseführer Prag Tour2: Rund um den Altstädter Ring
Mit seinen einzigartigen historischen Fassaden zieht der Altstädter Ring Touristen aus aller Welt an.
Altstädter Ring mit Goltz-Kinsky-Palast und Haus Zur Steinernen Glocke
Karte Tour 2: Rund um den Altstädter Ring
(1) Altstädter Rathaus (2) St. Niklaskirche (3) Geburtshaus Franz Kafkas (4) Jan Hus-Denkmal (5) Goltz-Kinsky-Palast (6) Haus Zur Steinernen Glocke (7)Teynkirche
Wo Händler einst Tuche und Rauchwaren, Fisch und Gewürze feilboten, wo festliche Turniere und Ritterspiele zur Aufführung gelangten, wo Anhänger der hussitischen Reformbewegung und Gegner der Habsburger Herrschaft öffentlich hingerichtet wurden - da ist heute der Tourismus die alles bestimmende Triebkraft. Ein kleiner Handwerkermarkt lässt mit Schmieden und Glasbläsern alte Zunfttraditionen auferstehen; bunt geschmückte Fiaker warten ebenso geduldig auf Kundschaft wie Straßenhändler mit Postkarten, Stadtplänen und Souvenirs. Dazwischen Straßenkünstler und Musikanten, die unter Dutzenden von Touristengruppen in der Hauptsaison fast untergehen. Während die Straßencafés bei schönem Wetter meist überfüllt sind, ermöglichen Bänke und Stufen rings um das Hus-Denkmal eine Rast ohne Verzehrzwang. Von hier aus kann man sich gut einen ersten Überblick verschaffen.
Die schriftlich belegte Geschichte des Altstädter Rings beginnt in der zweiten Hälfte des 12. Jhs., als sich um den Platz ein Ring von Holz- und Steinhäusern schloss, die wahrscheinlich von Kaufleuten, darunter auch deutsche Händler, bewohnt waren. Reste dieser romanischen Bauten sind bis heute in den Kellern einiger Häuser erhalten geblieben. Gotik und Barock hinterließen ihre Spuren in der Gestaltung des Platzes ebenso wie die Neuzeit, so dass Besucher mit einem Nebeneinander unterschiedlichster Stile konfrontiert werden. Auch wenn seit dem 19. Jh. im nordwestlichen Teil des Rings eine Lücke klafft und den Blick auf die St. Niklaskirche freigibt, so wurde doch die Harmonie des Altstädter Rings nicht grundsätzlich gestört: Ohne Übertreibung darf man ihn zu den schönsten Plätzen der Welt zählen.
Die Fassade des Altstädter Rathauses (1) dominiert den Platz. Bereits 1338 erteilte König Johann von Luxemburg die Erlaubnis zur Errichtung dieses Rathauses - Symbol für die gewachsene Macht des städtischen Bürgertums und Ausdruck seines Strebens nach Selbstverwaltung. Zu diesem Zweck bauten die Stadtväter das Eckhaus der Familie Wölflin vom Steine im westlichen Teil des Platzes um. Mit der Erhebung einer Weinsteuer sollte das nötige Geld aufgebracht werden. Schon 1360 war eine Erweiterung des Baus nach Westen hin erforderlich. 1364 schließlich konnte der 66 m hohe Rathausturm fertig gestellt werden.
Altstädter Rathaus und Jan-Hus-Denkmal
Die 1381 eingeweihte gotische Kapelle, deren Chor als Erker aus der Fassade ragt, zählt zu den kostbarsten Gebäuden aus der Zeit der Luxemburger. Im 15. Jh. eine erneute Erweiterung: 1458 wurde das Haus des Kürschners Mikes trotz einer dazwischen liegenden Gasse einbezogen. Dass im selben Jahr die Wahl des Königs Georg von Podebrad zum böhmischen König in diesem Rathaus stattfand, unterstreicht die gewachsene Machtposition der Stände. Im 19. Jh. schließlich fand die letzte Vergrößerung des Komplexes mit der Einbeziehung des Hauses Zum Hahn (U kohouta, 1835) und des mit seinen lebendigen Sgraffiti äußerst sehenswerten Hauses zur Minute (U minuty, 1896) nach Westen hin statt. Der neogotische Nordflügel, der sich einst im rechten Winkel an den Turm anschloss, fiel einen Tag vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges Bomben zum Opfer und hinterlässt bis heute eine schmerzhafte Lücke.
Im Zentrum touristischer Gunst steht die (orloj). Zu jeder vollen Stunde versammelt sich davor eine größere Menschenmenge, um dem immer gleichen Schauspiel zu folgen: Gevatter Tod eröffnet den Reigen, er zieht am Glockenseil und hebt die Sanduhr. Daraufhin öffnen sich die zwei Türen im oberen Teil der Uhr und Christus mit den Aposteln zieht vorbei. Schließlich kräht ganz oben in einer Nische der Hahn und dann schlägt die Turmglocke die Stunden.
An der Südseite des Rathauses verdient vor allem das mit reichem plastischen Schmuck verzierte Portal Beachtung. Mit dem angrenzenden kleineren, ebenfalls gotischen Portal und dem Renaissancefenster darüber gehört es noch zum ursprünglichen Haus des Wölflin vom Steine. Über dem großen Renaissance-Fenster des heutigen Festsaals prangt in goldenen Lettern die Inschrift PRAGA CAPUT REGNI: "Prag, Hauptstadt des Königreichs", ein Hinweis auf die glanzvolle Geschichte der Stadt unter der Herrschaft Kaiser Ferdinand I. (1526-1564).
Die Mosaiken der Eingangshalle - "Die Huldigung des Slawentums" und "Libussas Prophezeiung" - wurden 1937 nach Vorlagen des tschechischen Malers der Romantik, Mikolas Ales (1852-1913), erneuert. Im Rahmen einer Führung kann man auch die spätgotische Ratsstube mit ihrer sehenswerten Balkendecke besichtigen. Im weitaus jüngeren Sitzungssaal (1879) thematisieren zwei Gemälde von Václav Brozik zentrale Stationen der tschechischen Geschichte: Jan Hus vor dem Konzil in Konstanz (1415) und die Wahl Georgs von Podebrad zum böhmischen König (1458). Einen herrlichen Blick auf den Altstädter Ring sowie umliegende Gassen und Gebäude gewährt der Rathausturm; um eine Besteigung zu Fuß kommt man allerdings nicht herum.
Im Nordwesten des Altstädter Rings erhebt sich die 1735 von dem in Prag stets gegenwärtigen Kilian Ignaz Dientzenhofer (1689- 1751) für die Benediktiner errichtete barocke St. Niklaskirche(2) (Kostel sv. Mikulase). Der reiche und ungewöhnlich lebendig gestaltete Skulpturenschmuck an ihrer Fassade stammt von Anton Braun, einem Neffen des berühmteren Matthias Bernhard Braun. Im Sommer finden fast täglich klassische Konzerte in diesem Gotteshaus statt (Aushang am Portal beachten!).
Am Nachbarhaus (U radnice) weist eine unscheinbare Gedenktafel auf das Geburtshaus Franz Kafkas (3) hin (1883-1924). Ein kleine Ausstellung informiert über den Schriftsteller und seine Zeit. Von dem ursprünglichen Gebäude ist allerdings nur noch das Portal übrig, erst im Jahr 2000 wurde der Platz vor dem Haus nach diesem herausragenden Schriftsteller benannt: Namesty Franze Kafky.
Das Jan-Hus-Denkmal(4), anlässlich des 500. Todestages des großen tschechischen Reformators (1369-1415) von Ladislav Saloun 1901 entworfen und 1915 enthüllt, beeindruckt durch seine expressive Gestaltung, die an die Plastiken Auguste Rodins erinnert. Die idealisierende Überhöhung der Gestalt des Hus ist auch ein Ausdruck für die zu Beginn des Jahrhunderts wachsende Forderung der Tschechen nach Selbstbestimmung. Die übrigen Figuren stellen Verfolgung, Niedergang und Erneuerung der hussitischen Bewegung dar.
Der vielleicht schönste Rokoko-Bau Prags erwartet uns mit dem ehemaligen Goltz-Kinsky-Palast(5). Er wurde von Kilian Ignaz Dientzenhofer entworfen, aber erst nach dessen Tod von Anselmo Lurago in den Jahren 1755-65 ausgeführt. Die Attika-Plastiken, Allegorien der Naturkräfte, stammen wie die Stuckarbeiten aus einer der bedeutendsten Werkstätten des Prager Barockzeitalters, der des Bildhauers Ignaz Platzer (1717-1787). Die Geschichte des Hauses ist mit zahlreichen Berühmtheiten verknüpft: Die Familie Kafka unterhielt hier einen Galanteriewarenhandel, das zeitweise hier untergebrachte deutschsprachige Humanistische Gymnasium wurde von berühmten Schriftstellern wie Franz Kafka, Max Brod und Franz Werfel besucht. Teile des Gebäudes werden für wechselnde Kunstausstellungen genutzt.
Das Haus Zur Steinernen Glocke(6) (U kamenného zvonu) zählt ebenfalls zu den architektonischen Kostbarkeiten der Stadt. Seitdem die neubarocke Fassade in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts abgetragen wurde, vermittelt es mit seinen klaren gotischen Formen heute wieder eine Vorstellung von der herrschaftlichen Wohnarchitektur des 13. / 14. Jhs., auch wenn es einst wohl noch weitaus prächtiger geschmückt war. Möglicherweise diente es einst als Palast für die königliche Familie, u.a. für die Premyslidin Elisabeth von Böhmen. An der Hausecke ist eine Nachbildung einer steinernen Glocke zu sehen, die dem Haus einst den Namen "Zur Steinernen Glocke" bzw. " Zur weißen Glocke" eintrug. Diese Namen tauchen zum ersten Mal im 15. Jh. auf. Den stärksten Eindruck hinterlässt eine Kapelle im Erdgeschoss, Reste von Wandmalereien - darunter "Christus der Märtyrer unter dem Baldachin" (an der Ostwand) sowie zahlreiche Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier - wirken in unseren Augen fast kurios, wie von Kinderhand gemalt. Wenn dann noch eine der wechselnden Kunstausstellungen oder eine kleines Konzert in den historischen Räumen einlädt, erlebt man einen wirklich kulturellen Höhepunkt.
Die Teynkirche, deren markante Türme den Altstädter Ring nicht weniger als das gegenüber stehende Rathaus dominieren, grenzt nicht unmittelbar an den Platz. Wer sie durch das Hauptportal betreten will, muss einen ungewöhnlichen Weg wählen: durch einen schmalen Gang der Teynschule (Tynská skola). Dieser im Renaissance-Stil umgestaltete Komplex von ursprünglich zwei Häusern beherbergte vom 15. bis ins 19. Jh. die Pfarrschule der Kirche, in der u.a. Matthias Rejsek, Baumeister des Pulverturms, unterrichtete. Vorgelagerte Bogengänge stammen noch aus dem 13. Jh.
Rathausuhr
Türme der Teynkirche
Die Ursprünge der Teynkirche(7) gehen auf das 12. Jh. zurück, als in der Nähe des benachbarten Teynhofs (s. Tour 1) ein Spital und eine Kirche errichtet wurden. Der Jungfrau Maria geweiht, bürgerte sich bald der Name "Kirche der Jungfrau Maria vor Teyn" ein. Der Mitte des 14. Jhs. in Angriff genommene Neubau zog sich bis ins 16. Jh. hinein. Noch während der Bauzeit war das Gotteshaus die Hauptkirche der hussitischen Bewegung. Obwohl seither mehrere Brände die Kirche heimsuchten, blieb sie doch in ihren wesentlichen Teilen bis heute unverändert.
Bevor man die Kirche betritt, sollte man einen Blick auf das Nordportal werfen, das von dem kleinen Gässchen Týnská aus zu erreichen ist. Ein Tympanon über dem Eingang - übrigens eine Kopie, das Original ist im St. Georgskloster auf der Burg ausgestellt - zeigt Szenen aus der Leidensgeschichte Christi. Dieses Meisterwerk spätgotischer Bildhauerei stammt aus der Dombauhütte (Parlerhütte) der Jahre 1380-90, wenngleich wohl von verschiedenen Künstlern gefertigt.
Die birgt eine Reihe hervorragender Werke böhmischen Kunsthandwerks aus verschiedenen Jahrhunderten.
Die barocke Fassadenfront an der Südseite des Altstädter Rings wird durch das Haus Zur steinernen Jungfrau Maria (Nr. 16) ergänzt. 1897 vom Architekten Bedrich Ohmanns für das Verlagshaus Storch errichtet, bürgerte sich bald der Name Storch-Haus (Storchuv dum) ein. Nach einem Entwurf von Mikulas Ales entstand die Fassadenmalerei mit dem hl. Wenzel im Zentrum.
Am Haus Zum steinernen Lamm (U kamenného beránka) ist
noch das Hauszeichen aus dem 16. Jh., eine Frau mit einem einhörnigen Schaf, erhalten.
Man sollte es nicht verwechseln mit dem Haus Zum Weißen Einhorn (U bílého jednorozce) schräg gegenüber, das durch einen gotischen Laubengang aus dem 13. Jh. mit der benachbarten Teynschule verbunden ist. Berühmte Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Franz Werfel, Max Brod und Franz Kafka verkehrten hier im literarischen Salon des Ehepaars Otto und Bertha Fanta. Frau 'Fanta hielt hier u.a. philosophische Vorträge.
Von einer ersten astrologischen Uhr des Meister Mikulas von Kadan wird bereits im Jahre 1410 berichtet. Um den Uhrmachern Hanus, der sie um 1490 umbaute, rankt sich eine blutige Legende: Die Kunde von den Fähigkeiten des Meisters hatte sich weit über die Grenzen des Landes ausgebreitet. Um ihn daran zu hindern, ein noch vollkommeneres Uhrwerk in anderen Städten zu entwickeln, ließen die Prager Ratsherren ihn angeblich mit einem glühenden Eisen blenden. Mit letzter Kraft habe Hanus sich zum Uhrwerk begeben und es durch das Entfernen eines winzigen Teilchens außer Kraft gesetzt. Lange Zeit sei niemand in der Lage gewesen, den komplizierten Mechanismus zu reparieren.
Ganz in der mittelalterlichen Weltanschauung verhaftet, zeigt das Ziffernblatt noch die Erde als Mittelpunkt für den Umlauf von Sonne und Mond. Der äußere, bewegliche Ring mit den Ziffern 1 bis 24 gibt die nach altböhmischer Weise berechnete Zeit an: Sie teilt den Tag von einem Sonnenuntergang zum nächsten in 24, wegen des veränderten Sonnenstandes jeweils unterschiedlich lange Stunden ein. Die römischen Ziffern auf dem nächsten Ring geben die mitteleuropäische Zeit an. Rechts und links des Ziffernblattes stehen bewegliche Figuren aus dem 17. Jh. Sie symbolisieren die Eitelkeit und den Geiz (links) sowie den Tod und das Heidentum, verkörpert durch einen Türken (rechts). Am Kalendarium lassen sich Monat und Tag ablesen. Die zwölf Tierkreiszeichen auf der unteren Scheibe gruppieren sich um das Stadtzentrum der Prager Altstadt, umgeben von Szenen aus dem Landleben - jeder Monat wird durch eine typische Tätigkeit veranschaulicht. Heute ist am Rathaus nur noch eine Kopie dieser filigranen Uhr zu sehen, das Original von Josef Mánes aus dem Jahr 1865 kann im Stadtmuseum aus nächster Nähe bewundert werden.
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Teynkirche
Gegenüber der Kanzel erhebt sich über dem Grab des hussitischen Bischofs Lucian von Mirandola (gest. 1493) ein kunstvoller spätgotischer steinerner Baldachin, ein Werk von Matthias Rejsek. Zu den Werken, die während der nachhussitischen Rekatholisierung nicht zerstört wurden, zählt das Grabmal des Tycho Brahe, (1546-1601), des dänischen Astronomen, der seine letzten Lebensjahr in Prag, am Hofe Rudolfs II. verbrachte. Er trägt eine Rüstung, seine rechte Hand ruht beziehungsreich auf einem Globus. Wenn man genau hinschaut, sieht man seine künstliche Nase. Auch die Holzschnitzereien eines unbekannten Künstlers (um 1420) blieben von den Zerstörungen verschont: Nach seinem Hauptwerk im nördlichen Seitenschiff wird er allgemein als "Meister der Kreuzigungsgruppe in der Teynkirche" bezeichnet. Die Madonna mit dem Jesuskind neben Brahes Grabmal stammt ebenfalls von ihm.
Die barocke Ausgestaltung der Kirche kommt vor allem an den zahlreichen Altären zum Tragen; bemerkenswert vor allem der Altar Johannes des Täufers neben der Kanzel, in den geschnitzte spätgotische Reliefs Eingang fanden. Sie stellen - von unten nach oben gelesen - Szenen aus dem Leben Christi dar. Eine besondere Plastizität erhalten die Figuren durch den Verzicht auf Bemalung, lediglich über die Verwendung unterschiedlicher Beizmittel erreichte der Künstler eine Nuancierung der Farbgebung. Viele der Altarbilder sind Werke des tschechischen Malers Karel Skréta (1610 - 1647), der zu den Begründern der Barockmalerei in Prag zählt, darunter Mariä Himmelfahrt und das Bild der Heiligen Dreifaltigkeit im Zentrum des Hauptaltars. Die Orgel aus dem Jahr 1673, gebaut von Hans Heinrich Mundt aus Köln, ist die älteste erhaltene Orgel in Prag. Ein Konzert in der Teynkirche sollten sich Musikfreunde wegen der guten Akustik der Kirche nicht entgehen lassen (Aushänge am Portal beachten !).