Tourismus: die Erfolgsgeschichte des Zuges

Doch auch nach der endgültigen Fertigstellung der Strecke war ein reibungsloser Betrieb selten gewährleistet. Die Idee, die in der Region gewonnen Bodenschätze auf direktem Wege in den Hafen des chilenischen Antofagasta transportieren zu können, wurde nicht vom erhofften wirtschaftlichem Erfolg gekrönt. Vor allem die technischen Neuerungen im Bereich des Luft- und Straßentransportes schmälerten die Rentabilität. Erst als die Strecke 1992 für den Tourismus geöffnet wurde, begann die eigentliche Erfolgsgeschichte des Wolkenzuges. Jährlich besteigen ihn rund 28.000 Fahrgäste, um die ersten 217 der insgesamt mehr als 900 Kilometer langen Strecke in bequemen Personenwagen abzufahren.

Argentinien Nubes Purmamarca

Einsames Bergdorf an der Strecke

Unsere kleine Gruppe hat die Gleise jedoch vorerst hinter sich gelassen. Es geht weiter bergauf. Gut 3.000 Meter über dem Meeresspiegel bestimmen mittlerweile „los cordones“, über drei Meter hohe Baumkakteen, das Landschaftsbild. Wir halten in einem kleinen Bergdorf. Einige Hütten sind dort noch aus einer Mischung aus Erde und geschnittenem Gras gebaut. Dennoch sind die Bewohner merklich auf Touristen eingestellt. Auf wackelig zusammengezimmerten Holztischen bieten sie handgewebte Ponchos, Silberschmuck, Decken und Mützen feil. Auch ein frei herumlaufendes Lama ist offensichtlich Besucher gewohnt. Aufdringlich versucht es Pablos kleiner Schwester Sophie die mitgebrachten Cracker abzuluchsen. Erst als Pablo dem Lama einen Teil seines zweiten Frühstücks vor die Nase hält, lässt es von der sichtlich nervös gewordenen Zwölfjährigen ab.

Die Puna: viel Staub, kaum Regen

Wenig später erreichen wir die Puna. Der Weg über diese Hochebene ist das anstrengendste Stück der Tour. Mehrere Stunden fahren wir durch die staubige Wüste, die sich Argentinien mit Chile und Bolivien teilt. Sie zählt zu den sonnigsten und regenärmsten Gebieten der Erde. Im Osten und Norden gibt es eine kurze Regenzeit, die jedoch immer spärlicher ausfällt, je weiter man nach Südosten kommt. In Form von heftigen, aber kurzen Gewitterschauern, sogenannten „volcanes“, fallen hier teilweise nur fünfzig Millimeter Regen pro Jahr.

Argentinien Nubes Bergwelt

Es bleibt karg und steinig

Der Bus holpert über die steinige Piste. Aus dem Fenster beobachten wir einige Nandus, mit Straußen verwandte Laufvögel, die mit ihren Schnäbeln im vertrockneten Gras stochern. Dass in dieser lebensfeindlichen Umgebung auch Menschen wohnen, erscheint unglaublich. Dennoch können wir vereinzelt kleine Gehöfte, oft nicht mehr als grobe Bretterverschläge, ausmachen. Lange Zeit war der Bergbau für diese Einsiedler, oft Nachfahren verschiedener Indianerstämme, etwa der Kollas oder der Omaguacas, die Haupteinnahmequelle. Die Erschöpfung der Erzvorkommen hat diese Arbeit jedoch weitgehend obsolet gemacht. Langsam entwickelt sich jedoch der Tourismus zum eigenständigem Wirtschaftszweig.

Argentinien Nubes Serpentinen

Über Serpentinen hinauf und hinab

In einem kleinen Dorf essen wir zu Mittag. Auch die Einwohner dieser Ortschaft sind offensichtlich Fremde gewöhnt. Bettelnde Kinder scheinen schon auf unsere Ankunft gewartet zu haben und umringen den verstaubten Bus, während wir aussteigen. Das Essen in dem kleinen Gasthof ist einfach, aber gut. Wir sind die einzigen Gäste und sitzen an einem großen, rechteckigem Tisch aus dunklem Holz. Es gibt Rindersteaks mit Tomaten und grünem Salat. Der Wirt unterhält sich kurz mit uns. Er hat dunkle Haut mit tiefen Lachfalten. Seine sonnengegerbte Haut erinnert an zerknittertes Pergamentpapier. In gebrochenem Englisch fragt er, woher wir kommen, und ob es uns in seinem Lokal gefiele. Wir nicken artig.

Ruta 40: der argentinische Mythos

Nach dem Essen fahren wir weiter. Langsam macht sich die Höhe bemerkbar. Der Körper reagiert auf die sauerstoffarme Luft und die intensive Sonneneinstrahlung mit Kopfschmerzen und leichten Schwindelgefühlen. Aus seiner Hosentasche zaubert Pablo ein kleines Plastikbeutelchen hervor. Es ist mit dunkelgrünen Blättern gefüllt. „Getrocknete Coca-Blätter“, erklärt er. Als kleine Päckchen zusammengerollt steckt man ein paar davon in die Mundhöhle. Von den Bewohnern der höher gelegenen Andenregionen werden die Blätter des Coca-Strauchs schon seit Jahrhunderten für kultische und medizinische Zwecke genutzt. Gekaut oder als Tee betäuben sie Hunger und Kälte und sind außerdem ein wirksames Mittel gegen die Höhenkrankheit. Die getrockneten Blätter fühlen sich in der Hand wie weiches Laub an. Sie schmecken etwas bitter und anfangs sehr intensiv. Mit den Pflanzen im Mund müssen wir zudem an eine Busladung voller Hamster erinnert haben. Die Kopfschmerzen jedoch verschwinden fast augenblicklich.

Argentinien Nubes höchster Punkt

Auf dem höchsten Punkt der Strecke

Am Nachmittag erreichen wir wieder eine asphaltierte Straße: Die Ruta 40 ist ein Mythos, eine Art argentinische „Route 66“. Mit einer Länge von rund 4.600 Kilometern ist sie die längste Straße des Landes. Parallel zu den Anden führt sie einmal längs durch das Land bis hinunter nach Patagonien. Nachdem wir ihr ein paar Kilometer gefolgt sind, ändert sich die Landschaft beinahe schlagartig. Rund um uns herum breitet sich plötzlich eine schier endlose, weiße Fläche aus. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich nicht um Schnee, sondern um Salz handelt. An der Oberfläche hat es kleine Sechsecke gebildet und scheint sich als trockene Kruste am Horizont zu verlieren.

Salz: Kristalle im Hochgebirge

Ein leichter Wind weht über die ebene, weiße Fläche. Im ersten Augenblick fühlen wir uns wie Schneeblinde. Als sich die Augen an die Helligkeit gewöhnt haben, bietet sich ein völlig surreales Bild: quer über die Salzwüste radelt ein alter Mann auf einem Fahrrad auf uns zu. Geschickt umkurvt er dabei die unzähligen, gut einen halben Meter tiefen Löcher, die zur Salzgewinnung ausgehoben wurden und sich in schier endlosen Ketten aneinander reihen. Im Gepäck hat er aus Salz geschnitzte Figuren, die er uns verkaufen möchte.

Argentinien Nubes Salzsee

Der Salzsee im großen ...

Nach einer halben Stunde fahren wir weiter. Langsam sinkt die Sonne im Westen den Gipfeln der Anden entgegen. Mit fast 4.200 Metern über dem Meeresspiegel erreichen wir höchsten Punkt unserer Tour. Dann geht es über eine steil gewundene Straße innerhalb von wenigen Minuten wieder bis auf rund 2.200 Meter hinab. Wir besuchen das kleine Dorf Purmamarca, den letzten Stopp unseres Ausfluges in Argentiniens wilden Nordwesten. Der kleine, von hohen Bergen eingerahmte Ort besteht nur aus wenigen Häusern. Es gibt eine Lehm-Kirche aus dem 17. Jahrhundert und einen Markt, auf dem gewebte Stoffe und Ponchos, Silberwaren und Heilkräuter verkauft werden.

Argentinien Nubes  Salz

... und im Detail

Die Hauptattraktion des Dorfes ist jedoch der Cerro de los Siete Colores, der siebenfarbige Berg. Wie eine Wand scheint er sich am Ortsrand dem Himmel entgegen zu recken. Dabei leuchtet er in den verschiedensten Gelb-, Rot- und sogar Grün-Tönen. Es ist spät, als wir wieder in den Bus steigen. Selbst Pablo wirkt nun müde. Während die letzten Sonnenstrahlen das Andenpanorama hinter uns in ein weiches, gelbes Licht tauchen, fahren wir zurück nach Salta.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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