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Me & you and Känguru

Der Titel verspricht, was das Reisebuch bis ins kleinste Detail hält: Zwei unterwegs auf bekanntem und dennoch fremden Terrain, ungeahnt Neues in vielerlei Hinsicht, etliche Herausforderungen, Abenteuer und Spaß ohne Ende. On Tour und in den Herzen und Seelen der beiden Protagonistinnen: Hilla Finkeldei und ihrer siebenjährigen Tochter Marla. Ein Gespann, von dem man beim Lesen dieses Buches nicht genug bekommen kann – und von der großen Liebe der Autorin zu Australien auch nicht.

Wenn Hilla Finkeldei im Vorwort ihrer Reisebeschreibungen und im Bezug auf ihren Mann sagt, dass „die Wahl meines Lebenspartners eine der wenigen uneingeschränkt richtigen Entscheidungen meines Lebens war“ dann will man als Leser ihrer Bücher hinzufügen, dass es ein ebenso guter Entschluss der Münsteraner Oberstudienrätin war, mit dem Schreiben zu beginnen. Schafft sie es doch in ihren lebendigen Schilderungen selbst jenen das „schönste Ende der Welt“ nahe zu bringen, die im Leben noch nie eine Affinität für eben jenes Australien verspürt hatten.

Hilla Finkeldei: Me & you and Känguru

Das geschah schon bei der Lektüre ihres ersten Bandes „Cook doch mal.“ Entstanden während und als Fazit aus einer fünfwöchigen Reise mit ihrem zu der Zeit sechsjährigen Sohn Robin. Durch Victoria, Südaustralien, Teilen von Neusüdwales und Westaustralien. Aus dem niedlichen Begleiter ist ein Teenager geworden, der nach dem Abitur in „Down Under“ auf work and travel unterwegs sein wird. Ob die Tochter in Zukunft diese Leidenschaft ebenso kultiviert, kann, allen voran, ihre Mutter eindeutig prognostizieren, schließlich haben Marla und sie auch den Alltag „Down Under“ erlebt. Der für sie, man merkt es aus jeder Beschreibung des Buches, auch in Münster immer ein Stück Australien beinhaltet.

Weder macht sie einen Hehl aus dieser Sehnsucht, noch verklärt sie die Umstände, mit denen man nun mal klar zu kommen hat, wenn Mutter mit Tochter eine Reise in ein der Tochter gänzlich unbekanntes Land tut. Zumal die kleine Prinzessin erst ausdrücklich bewegt werden musste, sich dem Trip anzuschließen. Doch da Müttern in solchen Situationen sogar pinkfarbene Koffer als Erpressungsmethode nicht fremd sind, kam es schon beim Zwischenstopp in Singapur dazu, dass Marla das „mit dem im Ausland zu sein“ gar nicht schlecht findet. Und so, wie selbst Franz Kafka im Umland von Melbourne dem Schwermut abgeschworen hätte, so instinktiv taucht Marla „ein in dieses Land, das es scheinbar mit jedem gut meint und immer einen lustigen Spruch parat hat.“

So das Zitat der Mutter, die ihr Kind zunächst noch mit Argusaugen einerseits (damit sich die Süße bloß wohl fühlt) betrachtet, auf der anderen Seite aber bald schon „los lassen“ kann, da Marla sich zu einer echten Reisebegleiterin entwickelt. Zwar ist „travelling“ mit ihr längst nicht so unbekümmert und komplikationslos wie mit Robin vor einiger Zeit, doch in dieser Andersartigkeit liegt auch eine deutliche Faszination. Die der Prioritäten, die das kleine Mädchen setzt, ihre Art, entweder eindeutig pragmatisch auf eine Situation zu reagieren oder vor Bezauberung beinah dahin zu schmelzen – Hilla Finkeldei beschreibt diese zahlreichen Nuancen im doppelten Sinne: Einmal als Mutter, die ihrem Kind ihre Liebe zu dem faszinierenden kleinsten Kontinent nahe bringt und dabei auf ein gerüttelt Maß an überschwappender Empathie hofft, und als Australienliebhaberin ebenso.

Dass dieses Unterfangen deutlich anders geprägt war als das mit Sohn Robin, wird klar, wenn man beide Bücher kennt (was ein Muss sein sollte, selbst wenn man mit Down Under nicht so viel am Hut hat). Auch das ist eine herausragende Qualität der Autorin Hilla Finkeldei: Die Authentizität ihrer Berichterstattung. Die Eindrücke in „Cook doch mal“ sind anders beschrieben als im neuen Buch? Na klar! Es war ja auch komplett anders mit Marla zu reisen als dereinst mit Robin.

Und so wird nichts durch die rosarote Brille betrachtet, aber auch keine Gelegenheit ausgelassen. Nicht das Zusammentreffen mit den ersten Koalas, nicht das hemmungslose Ins-Herzschließen von Kängurus, Wombats, Tasmanischen Teufeln, Kokaburras, Kakadus, Emus und noch mehr Kängurus, wildlebenden noch dazu. Ein Schauspiel, das sich in Greens Bush, einem Teil des Flinder´s Nationalpark zutrug und das Marla ganz nah an eine Herde wilder Kängurus brachte: „Von einem Tal aus stapfen wir kurze Zeit später eine Anhöhe voller wild wachsender Farne entlang. Der Boden gibt leicht unter unseren Schritten nach und wir schleichen nahezu lautlos durch die Landschaft, die sich langsam wieder mit winterlichem Nebel überzieht. Es ist kühl und still – und es passiert gar nichts! Oh bitte, bitte, höre ich mich selbst murmeln. Es wäre so schön, dieses Sahnehäubchen auf den Tag zu setzen. Die Landschaft hier ist ohnehin das Verweilen wert, ein einzelner Baum reckt sich stolz auf der hügeligen Hochebene.“ Aber! „Gerade als Marla sich enttäuscht umdreht und den Rückweg antreten will, tauchen plötzlich braun-graue Rücken vor uns auf. Rupfende Geräusche zeigen, dass eine ganze Gruppe Kängurus hier ihren Imbiss abhält. Wir bewegen uns wie in Zeitlupe. Selbst mein energiegeladenes Kind spürt, dass jetzt alles auf die Entdeckung der Langsamkeit ankommt und tastet unmerklich nach ihrem kleinen Fotoapparat. Vorsichtig laufen ihre kleinen Füße wie von einem Band gezogen den putzigen Figuren nach, die sich kaum vor ihr zurückziehen.

Vielleicht ist es ihre geringe Körpergröße oder ihre ganz ungewohnte Behutsamkeit, jedenfalls machen die Tiere höchstens mal einen oder zwei Schritte, wenn Marla ihnen zu nahe kommt. Ansonsten grasen sie selbstvergessen weiter. Kleine Joeys in ihren Beuteln recken neugierig die Nase in die Landschaft, Väter bauen sich schützend vor dem Nachwuchs auf und beugen bald darauf beruhigt die Köpfe zum gemeinsamen Mahl. Wie gebannt schaue ich diesem Schauspiel zu und lasse meine Tochter langsam den Hügel hinabschlendern, völlig schutzlos, ganz allein, aber gänzlich angstfrei mitten hinein in die Herde wildlebender Kängurus. Ich kann spüren, dass damit zugleich Australien für immer in ihre kleine Seele Einzug hält und dieser Moment zu den Schätzen ihres Lebens gehören wird. Wie gerührt ich bin, bemerke ich erst, als sich eine Träne meine Wange herunter schleicht. Wenn ich jemals gezweifelt habe, ob ein 24-Stunden-Flug und eine so lange Reise weit weg von vertrauten Freunden und dem heiß geliebten Papa das Richtige für ein Kind von sieben Jahrensein können, hier finde ich meine Antwort! Und wie auf Kommandodreht sie sich um und strahlt mich an.“

Was mehr gäbe es dazu zu sagen, als dass solche einfühlsam geschilderten Szenen das Buch von Hilla und Marla Finkeldei ausmachen. Dass Erleben und Erfahrungen sich so darbieten oder anders. Aber immer so, wie Leben nun einmal ist. Das, wenn man als kleines Mädchen ganz großes Glück hat, einen auch nach Australien bringt. In Gesellschaft einer Mutter, der keine Berührung verborgen bleibt und die in der Lage ist, sie auf unvergleichlich einfühlsame, witzige, manchmal freche, überschwängliche, aber auch ernüchternde und dann wieder atemberaubend faszinierende Art mitzuteilen.

So, dass der Leser nie mit dem Faktor Neid konfrontiert sein wird, wohl aber mit dem Erwachen einer Sehnsucht, die unheilbar ist, sobald man sich darauf einlässt.

Doch nur zu, „Me & you and Känguru“ firmiert in dem Genre „Reiseführer“ und darum kommen auch Tipps und Empfehlungen hierin nie zu kurz. Wohl ausgewogen, tatsachensicher und selbstverständlich nach allen Regeln des Reporterdaseins erprobt. Dass dabei zwar an erster Stelle, aber nicht nur Eltern mit Kindern angesprochen und informiert werden, stellt sich als weitere Qualität dieses Buches heraus. Das die Sehnsucht nach Australien-erleben weckt, herausfordert und bestätigt. Das Vorbehalte abbaut und darüber hinaus die Welt Down Under öffnet und auf Anhieb sympathisch sein lässt – immer durch zwei Augenpaare betrachtet und erlebt – durch ein ganz junges und durch das der Mama. Spannender, erkenntnis- und facettenreicher kann wahrhaftiges Reisen nicht beschrieben sein!

usch@saw

Hilla Finkeldei: Me & you and Känguru. Traveldiary.de Reiseliteratur-Verlag, Hamburg. ISBN 978-3-941-980. 12,80 Euro



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