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Filigranes Kunstwerk: Das indische Grabmal des I’timad ud-Daulah

Der Grundriss des kleinen Anwesens am Ostufer des indischen Flusses Yamuna, mit den Wasserkanälen in den Wegen und der Ornamentik der Gärten stellt die acht Paradiese der islamischen Kosmologie dar. Eine Anlage, die Gläubigkeit, Verehrung, Respekt, Kunstsinnigkeit und Reichtum vermuten lässt. Wer hat sie gebaut? Für wen?

Am Ostufer des Flusses Yamuna in der indischen Stadt Agra erhebt sich inmitten eines von einer Mauer umgebenen Garten ein kleines, leuchtend weißes Bauwerk, flankiert von vier Türmen. Dem flüchtigen Beobachter mag es wie eine Mischung aus Moschee und Palast erscheinen, gedrungen und ein wenig unproportioniert. Doch es handelt sich um ein Mausoleum, den Vorläufer eines viel berühmteren Mausoleums, des Taj Mahal.

Vier Tore aus rotem Sandstein, eins in jeder Himmelsrichtung, durchbrechen die Mauer, das schönste ist jenes zum Fluss. Es wirkt wie eine Art Lustschloss, luftig und gut geeignet, um darin die kühleren Stunden zum Sonnenuntergang zu verbringen. Von den Toren führen Wege, ursprünglich von Zypressen und Obstbäumen gesäumte Alleen, zu der Plattform in der Mitte, auf der das ganz von weißem Marmor verkleidete Gebäude mit seinen achteckigen Türmen steht. Mit feinsten Einlegearbeiten aus Stein und Halbedelstein setzen sich die floralen Motive aus dem Garten in der überaus filigranen Dekoration der Wände fort. Und stellen so einen Ort der Kunstfertigkeit und der Symbolik dar.

Denn mit seinem Grundriss, den Wasserkanälen in den Wegen und der Ornamentik verkörpern Garten und Gebäude die acht Paradiese des islamischen Kosmologie. Eine Anlage, die Gläubigkeit, Verehrung, Respekt, Kunstsinnigkeit und Reichtum vermuten lässt. Wer hat sie gebaut? Für wen?

Die Antwort verblüfft zunächst, denn die Bauherrin war Nur Jahan, eine der Ehefrauen des indischen Mogulkaisers Jahangir. Eine Frau, der von Zeitgenossen mehr Macht und Einfluss nachgesagt wird als ihrem Gatten, der, wie man sagt, ihr mit zunehmendem Alter auch zunehmend verfallen war.

Der Paradiesgarten hingegen war für Nur Jahans Eltern angelegt, die 1622 drei Monate nacheinander verstarben. Der Vater, Mirza Ghiyas Beg, in Teheran geboren, kam 1577 als Gelehrter an den Mogulhof und machte schnell Karriere als Beamter und Berater des Herrschers. Durch die Heirat mit seiner Tochter wurde der Herrscher zum Schwiegersohn, zu einem, der die Vorzüge und die Loyalität Mirza Ghiyas Begs zu schätzen wusste und ihm den Titel Itimad ud-Daulah, „Stütze des Staates“, verlieh.

Umso mehr leuchtet ein, dass diesem großen Menschen ein angemessenes Mausoleum errichtet werden musste. Und es war stilbildend, denn das 1628 vollendete Mausoleum war Vorbild für das großartigste Bauwerk dieser Provenienz, das 1632 begonnene Taj Mahal.

Zu dieser Zeit hatte Nur Jahan sich bereits als geachtete Förderin der Künste hervor getan. Sie schrieb Dichterwettbewerbe unter den Frauen am Hof aus, entwarf persönlich klassische Palastgärten, etwa in Kaschmir und in Lahore, stiftete Karawansereien und Schreine und vertiefte den Einfluss der persischen Kunst am Hof der Moguln.

Der Bildband zeigt in großer Detailfreudigkeit die unglaubliche Feinheit die Ornamentik dieser Kunst, seien es die Pietradura-Einlegearbeiten oder die Halbedelsteine, seinen es die Bemalungen innen oder die Präzision der Marmorgitter, die ein geheimnisvolles Licht auf die Sarkophage fallen lassen.

Die Texteinführung von Amina Okada, der Chefkuratorin der indischen Abteilung des Musée Guimet in Paris, ist sachlich und informativ, zudem ansprechend übersetzt. Zu bemängeln wäre lediglich, dass man sich nicht die Mühe machte, die hervorragenden Fotos durch Bildunterschriften eindeutig zu lokalisieren. Ansonsten ist dies ein Bildband, den man gerne in Muße betrachtet, um darüber zu staunen, mit wieviel Aufwand vor 400 Jahren Schönheit geschaffen wurde.

fjk@saw

Amina Okada (Text), Jean-Louis Nou (Fotos): Das indische Grabmal des I’timad ud-Daulah. München: Hirmer 2004, ISBN: 3-7774-2015-8, 185 Seiten, 49 Euro.

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