Unterwegs mit Lord Jim - oder: Ein Gemälde von Seefahrt, Reisen, Abenteuer
Sicher, es ist eine Geschichte von Tugend und Versagen, von Feigheit und Mut, ein philosophischer Rundumschlag über menschliche Werte. Aber das könnten andere Autoren auch. Joseph Conrad hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass er all das in einen spannenden und aufregenden Abenteuer- und Seefahrerroman verpackt. Er lässt niemanden kalt, der schon einmal von fremden Ländern und entfernten Meeren geträumt oder sich gar in den Weiten des Pazifiks herumgetrieben hat, jenes „taktvollsten aller großen Ozeane“, wie Conrad vielsagend und verschleiernd bemerkt. Der Roman „Lord Jim“ ruft die Atmosphäre orientalischer Hafenstädte herbei, als sei man im selben Augenblick dort. Er beschwört die alte Seefahrerromantik, nur um sie sogleich mit der harten Wirklichkeit des Lebens auf dem Meer wieder auszuhebeln. Er ruft die Träume der Jugend zurück und macht sie so lebendig und dringlich, dass man sofort sein Bündel packen und aufbrechen möchte. Er zeigt die Ideale und die Realität des britischen Kolonialismus, und er handelt von der Überheblichkeit der weißen Händler, Militärs und Abenteurer und von der Liebenswürdigkeit der exotischen Länder und ihrer Bewohner. Kurzum – er ist das umfassende Porträt einer Epoche, einer Lebensweise, einer Weltgegend. Ein faszinierendes Gemälde von Seefahrt, Reisen und Abenteuer.
Viele Jahre stand das Buch im Regal, gelesen und danach immer wieder angeschaut mit der Absicht, es erneut in die Hand zu nehmen. Und nun kommt dieses Hörbuch des über 80jährigen Hans Dieter Zeidler daher, der den erzählenden Kapitän Marlow mit Weisheit, Esprit und Überzeugungskraft verkörpert und damit der Sprachgewalt dieses monumentalen Romans eine weitere Dimension hinzufügt. So muss er gemeint gewesen sein, Conrads Erzählton, denn schließlich bedient sich der Autor des Stilmittels eines kommentierenden Erzählers, der Jims Geschichte bruchstückweise zusammenträgt.
Zeidler zieht den Hörer hinein in diese sich immer wieder verzweigende Story und erweckt jede der vielen Abschweifungen, in die sich Conrad verliert, zu literarischem Leben. Viel mehr als beim eigenen Lesen wird diese Vorlesung zu einem Lehrstück über die Fähigkeiten des genialen Autors, Spannung zu erzeugen, ohne auf künstliche oder brutale Überraschungen zurückgreifen zu müssen, Spannung zu halten, ohne billige Tricks anzuwenden. Er erzählt und erzählt und erzählt einfach immer weiter, und man selbst möchte nicht mehr aufhören zuzuhören. Am Ende nimmt man das gedruckte Buch wieder in die Hand und liest noch einmal selbst. Denn das ist der einzige Nachteil am Hörbuch: Man kann nicht so einfach auf einer Seite verweilen, locker zurückblättern und die schönsten Sätze ein zweites Mal in Ruhe durchlesen und genießen.
vm@saw
Joseph Conrad: Lord Jim. 14 CDs, ca. 980 Minuten, gelesen von Hans Dieter Zeidler. Marebuchverlag 2007. ISBN 978-3-86648-004-9. 49,90 Euro.
Sicher, es ist eine Geschichte von Tugend und Versagen, von Feigheit und Mut, ein philosophischer Rundumschlag über menschliche Werte. Aber das könnten andere Autoren auch. Joseph Conrad hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass er all das in einen spannenden und aufregenden Abenteuer- und Seefahrerroman verpackt. Er lässt niemanden kalt, der schon einmal von fremden Ländern und entfernten Meeren geträumt oder sich gar in den Weiten des Pazifiks herumgetrieben hat, jenes „taktvollsten aller großen Ozeane“, wie Conrad vielsagend und verschleiernd bemerkt. Der Roman „Lord Jim“ ruft die Atmosphäre orientalischer Hafenstädte herbei, als sei man im selben Augenblick dort. Er beschwört die alte Seefahrerromantik, nur um sie sogleich mit der harten Wirklichkeit des Lebens auf dem Meer wieder auszuhebeln. Er ruft die Träume der Jugend zurück und macht sie so lebendig und dringlich, dass man sofort sein Bündel packen und aufbrechen möchte. Er zeigt die Ideale und die Realität des britischen Kolonialismus, und er handelt von der Überheblichkeit der weißen Händler, Militärs und Abenteurer und von der Liebenswürdigkeit der exotischen Länder und ihrer Bewohner. Kurzum – er ist das umfassende Porträt einer Epoche, einer Lebensweise, einer Weltgegend. Ein faszinierendes Gemälde von Seefahrt, Reisen und Abenteuer.