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Ackroyds London

LondonLondon ist alles. Die Stadt historischer Kirchen, gigantischer Museen, einer der ältesten Monarchien der Welt. Jung, schrill, wummernd laut. Spielfeld geleckt-schöner Börsenjünglinge und rabaukenhafter Fußballprofis. Strammstehen zu Pferd für die betuliche Queen, spitze Schreie für den gerade volljährigen Enkel, Liebe und Kabale hinter allen Palasttoren und in allen Schmutzgazetten. Theaterhauptstadt der Welt von Shakespeare bis Lloyd Webber. Schmelztiegel aller Ethnien aus dem Weltreich, in dem die Sonne niemals unterging.

Der Literaturwissenschaftler Peter Ackroyd vergleicht die britische Hauptstadt mit einem Körper und geht dann auf die Suche nach „Londons warmem, pochendem Herz“, nach den „dünnen Adern“ in den vielen Seitenwegen der Stadt, nach den grünen Lungen seiner Parks. Er erkundet die Krankheiten des Körpers, seine lange Leidensgeschichte, aber auch seine Triumphe. Er sieht die Stadt als „missgestalteten Riesen“ und als Jüngling, „der sich erfrischt vom Schlaf erhebt“. Und so schreibt er die Biographie, also die Lebensgeschichte dieses Körpers London.

Dieses umfangreiche Buch ist kein Reiseführer. Niemand wird damit durch die Straßen Londons wandeln – nicht nur wegen des Gewichts. Denn in dem Buch geht es nur gemäßigt systematisch zu. Ackroyd folgt dem Körper auf seinen verschlungenen Wegen, findet hier eine Abzweigung, dort einen dunklen Gang, dem er gerne eine Strecke folgt, hier eine Anekdote, dort eine längere Geschichte und dann wieder nur einen kurzen Hinweis, wo dieses oder jenes Detail noch erwähnt wurde. Der Leser reist, im Kopf, in einer bereichernden Auseinandersetzung zwischen sich selbst und dem Körper London, der schon soviel mehr erlebt hat als der eigene Kopf. Eine äußerst faszinierende Reise, auch wenn sie ziemlich lange dauert.

Peter Ackroyd hat schon eine Biographie über Charles Dickens geschrieben und mehrere Romane, die alle in London spielen, meist in viktorianischer Zeit oder noch früher, etwa während des Großen Feuers von 1666. Er beweist darin eine besondere Vorliebe für das dunkle und schmutzige, das mysteriöse und abstoßende London, das nach seiner Überzeugung Teil der Identität der Stadt ist. Und in die Biographie stopfte er so ziemlich alles, was seine Recherche und seine Zettelkästen zu diesem Thema hergaben. Wir erleben also auch ein London der Galgen und Pesthäuser, der Straßenhändler und Taschendiebe, der Irren und Verbrecher, der Bettler und Ausgestoßenen. Dagegen ist die „Dreigroschenoper“ ein Fest und Edgar Wallace ein Waisenknabe. Aber das gehört zum Leben eben dazu.

fjk@saw

Peter Ackroyd, London: Die Biografie, München: Knaus 2006, ISBN: 3813502902, 800 S., 25,00 Euro

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