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Essens bekannte Gartenstadt: Margarethenhöhe

Dem Stadtplaner und Architekten Georg Metzendorf ist der Entwurf der Gartenstadt geschuldet, die von 1909 bis 1934/38 errichtet wurde. Sein Enkel, der seit 1998 Professor für das Lehrfach Entwurf im Fachbereich Architektur an der Hochschule Mainz ist, ist einer der Autoren der vorliegenden Veröffentlichung.

Ob man die Siedlung als „Dichtung in Stein und Grün“ wie der Essener Baudezernent Ernst Bode 1931 bezeichnet oder als in die Landschaft komponiertes Gesamtkunstwerk oder als die Umsetzung einer sozialreformerischen Idee, ist allein eine Frage der Betrachtung und des Standpunkts. Wie aus der Einleitung zu entnehmen ist, geht es in der Veröffentlichung darum, die wechselvolle Geschichte der Siedlung nachzuzeichnen, auch die der errichteten Tochtersiedlung Margarethenhöhe II“.

Essen Gartenstadt Margarethenhöhe

Dass auf einer Postkarte von 1913 die Siedlung als „Wohn-Enklave Essens“ für 16000 Bewohner bezeichnet wurde, sei an dieser Stelle angemerkt. Zugleich stellt der Text der Karte auch klar, dass die Wohnungsfrage eines der dringendsten Probleme öffentlicher und privater sozialer Arbeit sei. Wie aktuell dies ist, wird angesichts der Wohnungsnot in unseren Großstädten heute sehr deutlich.

Die Abhandlung über die Margarethenhöhe verdeutlicht, dass die Wohnungsfrage ohne die fortschreitende Verelendung der Arbeiterschicht nie Priorität gehabt hätte. Auch das Anwachsen Essens zu einer Stadt mit über 600000 Einwohnern wurde im frühen 20. Jh. als Herausforderung angesehen. Die Gussstahlfabrik von Alfred Krupp war das größte Unternehmen in Europa und beschäftigte beinahe18000 Arbeiter, die damals ganz wesentlich zur virulenten Wohnungsfrage beitrugen.

Die Siedlung Margarethenhöhe wäre ohne die Kruppsche Wohlfahrtspflege und die Stiftung von Margarethe Krupp nie zustande gekommen. Ihr ist es zu verdanken, dass wegen der sogenannten Promenaden-Schenkung das Stiftungsgelände, sprich die Gartenstadt, von einem nicht zu überbauenden Grüngürtel eingefasst ist. In den ersten Jahren betrug der Anteil der Werksangehörigen an der Bewohnerschaft der Siedlung 45%. 27% der Bewohner waren Arbeiter, die übrigen Bewohner waren Beamte und Angestellte.

In einem gesonderten Kapitel befasst sich die Veröffentlichung mit dem Reformarchitekten Georg Metzendorf, der unter anderem den Prototyp des sogenannten Essener Arbeiterhauses entwickelte und im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ bzw. des „Westdeutschen Impulses“ die Gartenstadt plante und entwarf. Metzendorf, darauf wird verwiesen, entwarf auch Wohnungen für Kruppsche Beamten in der Goethestraße am Museum Folkwang sowie die Siedlung Glückauf in Altendorf. Auch das Ruhrhaus in der Kronprinzenstraße trägt Metzendorfs Handschrift.

Ausführlich wird auf die Planungsgeschichte der Margarethenhöhe eingegangen. Das beinhaltet auch den Aspekt des experimentellen Städtebaus. Wegebeziehungen auf der Hügelkuppe, die bebaut wurde, wurden planerisch berücksichtigt. Schonend war der Eingriff in die vorhandene Landschaftssubstanz, wie man nachlesen kann. Schutz und Geborgenheit sollte die Siedlungsarchitektur ausstrahlen, was durch die Anlage von Kopfbauten und die Gruppierung der Häuser bestens gelang. Besondere Bedeutung erlangte der Brückenkopf als Stadtzugang. Weiteres findet man dazu im Kapitel „Identität“. Bezogen auf den Straßenraum wurde ein abgestuftes System konzipiert, teilweise mit Erschließungsstraßen und kurzen Straßenstücken als räumliche Einheiten, wie es im entsprechenden Abschnitt der Abhandlung heißt. Auf den Kleinen Markt als Zentrum der Siedlung wird gesondert eingegangen. Hier befinden sich auch der Schatzgräberbrunnen und das Konsumgebäude, das die Architektur der damaligen Warenhäuser mit gotisierender Rippenstruktur zitiert.

Die Autoren befassen sich desweiteren mit dem Grünkonzept der Siedlung. Darin eingeschlossen ist auch die Gastronomie im Grünen, wozu der Hülsmannshof gehört, einst ein landwirtschaftliches Anwesen, das in Stiftungsbesitz gelangte. Unter den Sonderbauten der Siedlung sind die Schule und das Kleine Kaufhaus zu finden, deren (Bau)geschichte selbstverständlich vorgestellt wird. Ausführlich werden die Wohnkonzepte der Siedlungen erläutert. Das schließt auch das Kleinwohnhaus ein, wie man es in der Steilen Straße findet, zugleich aber auch den Typengrundriss in der Wohnanlage in der Sommerburgstraße.

Die Siedlungsgeschichte wäre unvollständig, würde nicht auch von der neuen Margarethenhöhe die Rede sein. Schließlich wird auch auf die kulturellen Einrichtungen von heute Bezug genommen. Dazu gehört die Musterwohnung in der Sternstraße 25, das Heimatgeschichtliche Zentrum und das Kleine Atelierhaus sowie der Halbachhammer im Waldpark des Nachtigallentals als Symbol vorindustrieller Stahlerzeugung. Fazit: Der Band macht auf die Gartenstadt überaus neugierig und überzeugt durch seine prägnanten Texte. © fdp

Rainer Metzendorf, Achim Mikuscheit, Ruhr Museum (Hrsg.): Architekturführer durch die Gartenstadt Margarethenhöhe, Kleine Schriften des Ruhr Museums, Band 4, 120 Seiten, zahlr. farb. Abb. und Pläne, Broschur, 12,95 €, ISBN:978-3-8375-1142-0, Essen 2016 (Klartext-Verlag)

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