Brautflug

Als sich der zum Passagierflugzeug umgebaute Frachtflieger der KLM in Amsterdam in die Lüfte erhebt, um bei einem Jubliäumswettflug nach Neuseeland zu gewinnen, strahlen auf dem Foto 68 Menschen in die Kamera. Viele von ihnen sind Bräute auf dem Weg zu den ihnen vorausgeeilten Männern, um am anderen Ende der Welt ein neues, besseres Leben als das im Holland der Nachkriegszeit zu führen.

Dieser Flug jedoch wird auch die Lebenslinien von Ada, Esther, Marjorie und Frank für immer miteinander verweben. Und das, obwohl sie sich in dieser Konstellation nur dreimal in ihrem Leben begegnen werden. Die dritte Begegnung, mit der der Roman im Wesentlichen beginnt, ist eigentlich das Ende, nämlich Franks Ableben. Erst die Todesanzeige führt die drei Frauen tief in ihre Vergangenheit und auf die Nordinsel Neuseelands zurück.
Die filigranen und unvorhersehbaren Fäden, die die Existenzen aller Vier wie einen mal schützenden, mal erdrückenden Kokon umgeben, entwickelt Marieke van der Pol mit unendlicher Sympathie für ihre so verschiedenen Figuren.

Eine jede lernt der Leser im Verlauf der auf Rückblenden basierenden Handlung intensiver kennen, als es sich diese Protagonisten selbst oder gegenseitig eingestehen würden. Seien es Esthers innere Raubtiere, deren Pranken ihr den nächtlichen Schlaf aus den Augen schlagen, sei es Marjories Kampf um ein Vorzeigeleben, in dem perfekte Sonntagsbraten und gewaschene Gardinen ihren Gral nur dürftig schützen. Die schöne Ada van Holland, die an der erlernten und erlebten puritanischen Religiosität schier zerbricht und nicht zuletzt Frank de Rooy, der eine jede so berührt, dass sie sich letztlich auf den Weg machen, ihm sein letztes Geleit zu geben. Ihm, dessen Traum vom perfekten Wein der Ersatz für ein erfülltes Leben geworden ist.

„Tage mit Goldrand“, wie Marjorie sagen würde, wechseln sich ab mit tiefen inneren Rissen, die die Abgründe des Danteschen Infernos ahnen lassen. Und all das wird beschrieben in geschickten Einblendungen und mit einer pointierten Sprache, die die Emotionalität an keiner Stelle mit banalen Plattitüden auszuschmücken braucht. Ohne die obligatorischen Adjektivhäufungen, eher sparsam entsteht dennoch eine atemberaubende innere wie äußere Landschaft, denn nicht nur die Figuren lernt man zu mögen, sondern auch ihre neue Heimat, Neuseeland.
Fazit: Zwischen den Buchdeckeln mit dem unscheinbaren Titel „Brautflug“ entfaltet sich eine Welt, die alle Höhen und Tiefen eines Lebensfluges umfasst. Lesen! Unbedingt!

hf@saw

Marieke Van Pol: Brautflug. Fischer-Verlagsguppe, Krüger Verlag.  ISBN 978-3-8105-1580-3. 19,95 Euro.

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