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Drei Männer auf Bummelfahrt

Drei Männer machen sich zu einer Radtour durch Deutschland mit Ziel Schwarzwald auf. Lange werden die Platzverteilung auf einem Tandem und einem Einzelrad, die technischen Neuerungen bei modernen Fahrräder, Kleidung und Wetter diskutiert. Nichts Ungewöhnliches mag man denken, doch die drei Herren sind Briten, und die verfügen ja immer über ein besonders ausgeprägtes Deutschlandbild und häufig über eine spezielle Art des Humors, mit dem sie der Außenwelt dieses Bild vermitteln.

Bei Jerome K. Jerome ist dies in besonderem Maße der Fall. Der Name des 1859 geborenen Autors sagt heute kaum noch jemandem etwas, doch eines seiner Werke ist gerade in Deutschland bekannt und, vielleicht vor allem in seiner Verfilmung, beliebt: Drei Männer in einem Boot. Drei Männer auf Bummelfahrt, oder wie es im englischen Original heißt „Three Men on the Bummel“, ist die erstmals im Jahr 1900 veröffentlichte Fortsetzung des humorvollen Themse-Romans. Der englische Titel verrät schon, dass Jerome von Deutschland und den Deutschen durchaus angetan war, so dass er mit seiner Familie für zwei Jahre nach Dresden zog, um dort die Sprache und wohl auch die Eigenarten der Leute genau zu erforschen.

Nachdem die Vorbereitungen zur Radtour abgeschlossen sind und vor allem die Frage geklärt ist „Wohin mit den Frauen?“, deren Beantwortung teuer zu stehen kommt, legt der Autor die, wie er sagt, Nachteile seiner Reiseschilderung dar: keinerlei nützliche Informationen, keine Städtebeschreibungen, keine Folklore, keine Legenden, keine Landschaftsbeschreibungen, „weil ich mich beherrschen kann“. Für den Leser erweisen sich diese Versprechungen als ungeheurer Vorteil, denn statt mit einem elend langweiligen Reiseführer sieht er sich mit kurzweiligen Anekdoten, genauen Personenbeobachtungen und groben Verallgemeinerungen konfrontiert: „… in Deutschland hält man nichts von dem Gerede über die freie Entfaltung der Natur. In Deutschland muß die Natur sich benehmen und darf den Kindern kein schlechtes Beispiel geben. Einem deutschen Dichter, der einen Wasserfall wie den in Lodore sähe, … würde es vor lauter Schreck nicht im Entferntesten einfallen, innezuhalten und ihn alliterierend zu besingen. Er würde schleunigst zur Polizei laufen und den Wasserfall anzeigen. Dann wäre es bald aus mit seinem Schäumen und Schallen.“

Sicher ist hundert Jahre später manches übertrieben, doch das Spiegelbild, es ist noch gut zu erkennen. Ordnungsliebe, Bierseligkeit, Uniformsucht. Manches glaubten wir schon überwunden, das jetzt mit Großem Zapfenstreich wieder auftaucht. Dabei darf man nicht vergessen, dass das Buch lange vor den großen Kriegen erschien, die zwischen Deutschen und Briten so viele Wunden aufrissen, und dass es mehr Sympathie und wohl auch Scharfsinn verrät als die stupiden Kriegsfilme, die im britischen Fernsehen immer noch zur Erheiterung langweiliger Sonntagnachmittage gesendet werden.
So lassen wir gerne über uns ergehen, wie Jerome die These vertritt, allen englischen Jugendlichen sei eine Reise nach Deutschland sehr zu empfehlen. Schließlich mache doch nur das Spaß, was verboten ist, und da in England fast nichts verboten ist, sei das Leben dort eben so uninteressant. In Deutschland hingegen sei praktisch alles verboten, und man könne sich für fünfzig Pfennig, denn auch der Strafkatalog sei genau festgelegt, schon einen amüsanten Vormittag machen.

Nehmen wir also dieses kleine Bändchen mit auf eine Wanderung oder eine Radtour und schmökern darin an dem einzig möglichen Ziel. „Was die edle angelsächsische Seele sehr verstimmt, ist die profane Neigung des Deutschen, ans Ende jeden Wanderwegs ein Gasthaus zu stellen. Auf Berges Gipfel, in lieblichem Tal, auf einsamer Paßhöhe, an Wasserfall oder glucksendem Bach – überall findet man die geschäftige Wirtschaft. Wie kann man zwischen bierfleckigen Tischen eine Aussicht besingen, wie sich – umwabert von Kalbsbraten- und Spinatdüften – in historischen Träumereien versenken?“ … „‚Nach meiner Berechnung’, bemerkte ich, ‚könnten wir, wenn wir nicht trödeln, kurz vor eins da sein.’“ (S. 284/5)

fjk@saw

Jerome K. Jerome: Drei Männer auf Bummelfahrt. Zürich: Manesse 2005. ISBN: 3-7175-2088-1. 382 Seiten. 19,90 Euro.

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