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Die Liebe in groben Zügen

Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben ZügenBodo Kirchhoff hat einen Eheroman geschrieben, aber keinen gewöhnlichen Eheroman, denn Kirchhoff erzählt nicht vom Scheitern einer Beziehung, sondern vom steten Ringen um den Fortbestand einer langjährigen Ehe einhergehend mit einer steten Sehnsucht nach Liebe, die nur schwer zu stillen ist.

Vila und Renz, die seit fast drei Jahrzehnten verheiratet sind, führen ein gehobenes bürgerliches Leben, sie ist Moderatorin einer nächtlichen Kultursendung, er schreibt Drehbücher für seichte Vorabendserien. Finanziell sind die beiden abgesichert, sie wohnen in einem vornehmen Frankfurter Viertel, besitzen ein Ferienhaus am Gardasee und fahren Jaguar. Wer mit Kirchhoffs biographischen Eckdaten vertraut ist, wird unschwer Parallelen zwischen seinem Lebensumfeld und dem von Renz feststellen.

Erst als ihre längst erwachsene Tochter Katrin, die Vila und Renz in naher Zukunft zu Großeltern machen könnte, sich entgegen deren Hoffnungen in Havanna für eine Abtreibung entscheidet, gerät ihr eheliches Beziehungsgeflecht ins Wanken.

Während Renz eine Affäre mit seiner 20 Jahre jüngeren, an Krebs erkrankten Produzentin beginnt, wendet sich Vila einem Lehrer zu, dessen schriftstellerische Ambitionen ihn in Italien auf den Spuren des Franz von Assisi wandeln lassen. Im Gegensatz zu ihrem Mann verheimlicht Vila, mit welcher Intensität und Leidenschaft sie ihrem ebenfalls jüngeren Lover verfallen ist.

Kirchhoff schildert Renz, der nicht nur mit der Angst vor dem Altwerden kämpft, mit selbstentblößender Ehrlichkeit. Eine Scheidung kommt für ihn dennoch nicht in Frage: „"Trennen kann sich jeder, also trennte er sich nicht." Wer so lange zusammen ist, hat es gelernt, sich auszuhalten. Kirchhoff vergleicht alte Paare mit Archiven: „Weh dem, der sie öffnet“.

Bodo Kirchhoffs Buch ist als großer Wurf angelegt, als Roman eines reifen Schriftstellers mit altersweisen Einsichten über Liebesbeziehungen, Treue und Betrug. Doch trotz dieser großen Themen hat es „Die Liebe in groben Zügen“ nur auf die Longlist des deutschen Buchpreises geschafft.

Vielleicht zu Recht, denn die Begeisterung ist nicht ungetrübt: Mit fortschreitender Lektüre wird man der manchmal etwas ungelenken Aneinanderreihung von Halbsätzen überdrüssig, da sie sich störend auf den Lesefluss auswirkt. Manche Einschübe wirken zu gekünstelt und sperrig, der Satzbau ermüdet, vor allem, wenn er sich hin und wieder über eine halbe Buchseite erstreckt. Mehr Stringenz, weniger Verästelungen sowie der Verzicht auf ein paar Längen und Kirchhoffs Roman würde ganz oben auf der persönlichen Shortlist des deutschen Bücherherbstes stehen. Ralf Nestmeyer

Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2012, 670 S., 28.- Euro




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