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Lea

Drei Jahre hat Pascal Mercier sich Zeit gelassen. Oder besser: sich die Zeit abgerungen, denn der Schriftsteller lehrt unter seinem richtigen Namen Peter Bieri an der Freien Universität Berlin Philosophie. Drei Jahre Zeit, um die tragische Geschichte einer begnadeten Musikerin und ihres Vaters zu erzählen.
Nicht nur im "Nachtzug nach Lissabon", in allen Büchern von Pascal Mercier stehen reife Männer im Mittelpunkt, die von Selbstzweifeln und Sehnsüchten gepeinigt ihr bisheriges Leben hinter sich gelassen haben. Diesem Grundmuster ist er auch in "Lea" gefolgt.
Als Rahmenhandlung dient Mercier die zufällige Begegnung zweier Schweizer in einem provenzalischen Café. Beide befinden sich im letzten Lebensdrittel, zwei illusionslose ältere Herren, der eine ein geschiedener Chirurg, der andere ein ehemals erfolgreicher Biokybernetiker namens Martijn van Vliet. Letzterer legt Zeugnis ab, zieht die Bilanz eines gescheiterten Lebens. Das einzige, was ihm geblieben ist, sind die Erinnerungen an Lea, seine verstorbene Tochter.

Lea hat ihre Mutter früh verloren. Sie wächst als schwieriges, verschlossenes Kind heran, das erst wieder an Lebensfreude gewinnt, als sie als Neunjährige eine Straßenmusikantin Bach spielen hört. Seither hat sie ihr Leben der Musik verschrieben, ihre Geigenlehrerin wird zur Ersatzmutter.
Schnell erkennt man ihre außergewöhnliche Begabung, ein musikalisches Wunderkind, das mit ihrer Violine die Zuhörer fasziniert. Doch während Lea von Erfolg zu Erfolg eilt, leidet der alleinerziehende Vater an der wachsenden Entfremdung, bis er schließlich die eigene berufliche und soziale Existenz aufs Spiel setzt, um wieder Zugang zu seinem einzigen Kind zu bekommen.

Und wie es sich für eine Künstlernovelle gehört, taumelt die Geschichte zwischen Genie und Wahnsinn, Selbstzweifel und Schaffenskrisen, Liebe und Verrat. Es gibt kaum ein Klischee, das Mercier nicht bedient.
Vor allem, wenn er die obsessive Kraft der Musik beschreiben will, benutzt Mercier immer wieder schwülstige Formulierungen, er lässt Lea eine "heilige Messe der gestrichenen Töne" zelebrieren und mit ihrer Musik einen "Dom aus Klarheit und nachtschwarzem Azur" errichten, Geigenklänge werden zu "Gottes wortloser Stimme". Doch nicht genug: Leas "sakrale Sprödheit" erinnert an eine Porzellanfigur vor dem Zerspringen.
Keine Frage, die Novelle ist spannend aufgebaut, die Dialogführung überzeugt, und der Leser kann sich leicht mit dem erzählenden Vater identifizieren; dennoch runzelt man ständig die Stirn und fragt sich, warum Mercier soviel Kitsch und Pathos in seine Geschichte gerührt hat.

ran@saw

Pascal Mercier: Lea. btb 2009. ISBN 344273746X. 9,90 Euro

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