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Little Bee

„Das Buch ist voll schmutziger Geheimnisse, Überraschungen und Wunder“ schreibt die Scotland on Sunday und fasst damit zusammen, was die Story der sechzehnjährigen Little Bee erzählt. Was sie in ihrer Heimat Nigeria am eigenen Leib erleiden musste, wird sie nie vergessen können und dennoch verlässt sie der Mut zum Überleben nicht. Im Gegenteil: Sie beobachtet ihre Welt dadurch noch aufmerksamer und ordnet diese Betrachtungen zu derart klaren und unmissverständlichen Sentenzen, dass es dem Leser nicht nur die Sprache verschlägt, sondern darüber hinaus einen Gutteil seiner bisherigen Ansichten zu dem komplexen Thema Afrika auf den Prüfstand zitiert.

Chris Cleave: Little Bee

Immerhin ist Little Bee Afrikanerin und wenn sie bei der Betrachtung eines Holzfußbodens sinniert „Stellt euch vor, wie ermüdend es für mich wäre, den Mädchen zu Hause meine Geschichte [ihres neuen Lebens] zu erzählen. Das ist der wahre Grund, warum keiner uns Afrikanern irgendetwas erzählt. Es liegt nicht daran, dass man meinen Kontinent in Unwissenheit halten will. Es liegt daran, dass niemand Zeit hat, sich hinzusetzen und die erste Welt von Beginn an zu erklären. Vielleicht würdet ihr das ja gerne, aber ihr könnt es nicht. ... Schon gar nicht den Mädchen, die ihr Holz als Feuerholz neben dem Haus aufstapeln“ – dann drängt sich dies auf als einer der Schlüsselsätze in der Problematik „Erste Welt – Afrika“ und vice versa. Was ungleich beeindruckender ist, da eine Afrikanerin unseren Eingriffen in ihre Kultur quasi eine Absolution erteilt – einfach, weil wir aufgrund unserer kulturellen Sozialisation nicht anders können.

Als Little Bee den Holzfußboden „Schiffsbodenparkett, hergestellt in Schweden“ unter ihren Füßen betrachtet, ist sie nach einer für uns unvorstellbar mühseligen und erniedrigenden Flucht aus Westafrika im britischen Kingston-upon-Thames angekommen. Bei Sarah und Andrew O´Rourke, einem wohlhabenden Journalistenehepaar, das vor zwei Jahren einen kostenlosen Urlaub in einer Hotelanlage am Strand von Nigeria verbrachte. Sie hatten ihre Ehe retten wollen, da war das Angebot der westafrikanischen Tourismusbehörde gerade recht gekommen.

Um diese Zeit ist Little Bees Leben fast zu Ende, dort am Strand, wo die drei in einer unsäglichen Tortour zusammenfinden. Was Little Bee zunächst davon bleibt ist, neben ihrem Leben, die Visitenkarte der O´Rourkes und das Wissen, erneut zu ihnen finden zu müssen.

In England angekommen und nach zwei Jahren in Asylhaft, macht sie sich auf den Weg zu der Adresse, nicht jedoch, ohne Andrew zuvor von ihrem Kommen telefonisch zu unterrichten. Dass der sich daraufhin das Leben nimmt, ist der Auftakt zu einer Lebensgeschichte, die das bisherige Dasein aller Beteiligten komplett umschreibt – bis hin zum unvorstellbar bitteren, aber auch süßen Ende.

In Rezensionen wird oft gesagt, dass man dieses und jenes Buch nicht aus den Händen legen wird, bis man es von Anfang bis Ende gelesen hat. In diesem Fall trifft das zu, denn selten hat eine Sprache in unverfälschter Klarheit so gefesselt.

„Oft wünsche ich mir,“ sinniert Little Bee, „ich wäre kein afrikanisches Mädchen, sondern eine britische Pfundmünze. Dann würde sich jeder freuen, mich zu sehen.“ Was gibt es dem hinzuzufügen, außer, dass man dankbar sein muss, dass die Geschichte von Little Bee als Roman verfasst wurde – damit man am Ende angekommen noch weiteratmen kann.

usch@saw

Chris Cleave: Little Bee. Dtv. ISBN 978-3-423-24819-8. 14,90 Euro.



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