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Die scheußlichsten Länder der Welt

Wenn die Begriffe „Vorurteile“ und „Boshaftigkeiten“ damals noch nicht geprägt waren, hat die Bestsellerautorin Mrs Mortimer in ihrer Lebenszeit zwischen 1802 bis 76 Jahre später sich aller Copyrights und Meriten darum verdient gemacht.

Sie ist nur zwei Mal aus England heraus gekommen, einmal nach Brüssel und einmal nach Paris (wenn man die Reise ins schottische Edinburgh nicht dazu zählt) und wusste dennoch ihren Senf zu allem dazu zu tun, was es in der Welt zu sehen und zu erleben gab. So waren laut ihren Einschätzungen alle Asiaten versoffen, alle Neger Menschenfresser und die Araber sind „wilde und hitzige Menschen“, deren einer der besten Charakterzüge es ist, dass sie dem Essen und Trinken nicht übermäßig frönen. Darüber hinaus wissen die Griechen nicht, wie sie ihre Kinder erziehen sollen, während die Preußen nicht so versessen aufs Essen sind wie die Österreicher, wohl aber sehr aufs Trinken. „Sie behaupten, bei ihnen gibt es kein gutes Bier und keinen guten Wein. Das stimmt, aber können Sie nicht etwas Besseres zu trinken finden als Branntwein, wovon ihre Gesichter fahl werden, der ihrer Gesundheit schadet und viel Streit erzeugt?“

Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan (Hrsg.): Die scheußlichsten Länder der Welt

Nun, dass man auf der Insel noch nie mit Wohlwollen Richtung Deutschland geschaut hat, ist kein völkerpolitisches Geheimnis, und ja, das Zeitalter in dem Mrs Mortimer lebte und sich zum Verfassen ihrer Traktate genötigt sah, war kein Einfaches. Ein kleines Beispiel gibt Einblick in eines der größten persönlichen Dilemmas, das Mrs Mortimer zu durchleben hatte: Dass im November 1850 Mr Mortimer starb, ihr Ehemann, fiel ihr nicht leicht zu bewältigen, dass jedoch ein Jahr später ihr Freund Henry Manning römisch-katholisch wurde, stürzte sie in eine kaum zu bewältigende Krise.

Nichts desto Trotz verfasste die rührige, aber überhaupt nicht politisch korrekte Schriftstellerin weiterhin ihre „Geografiebücher“ voller anthropologischer Allwissenheit. So erfährt man, dass die Schweizer Bergbewohner „schlichte, ehrliche Kreaturen“ sind, „doch, die, die in den Tälern leben, sind mutiger und klüger“ und dass Italien fürchterlich ist, „wenn man bedenkt, wie viel Morde dort begangen werden.“ Und woher sie wohl wusste, dass „die Straßen Petersburgs voller torkelnder und wankender Trunkenbolde“ sind?

Man liest „Die scheußlichsten Länder der Welt“ nicht mit ernsthaften Erwartungen, partout nicht, doch wird man selten so gestaunt haben wie über das, was diese durchgeknallte, selbstbewusste, ganz und gar undiplomatische Mrs Mortimer so an Weltanschaulichem zu Papier gebracht hat.

Wie sagt Todd Pruzan in seiner Einleitung zu diesem Buch abschließend: „Schöpfen Sie Mut. Es sind erst 156 Jahre vergangen, seit Mrs Mortimer The Countries of Europe Described veröffentlichte, und nur 146, seit Charles Darwin Vom Ursprung der Arten herausbrachte. Die Evolution braucht nun mal Zeit.“

Stimmt. Sie ist übrigens noch immer nicht abgeschlossen.

usch@saw

Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan (Hrsg.): Die scheußlichsten Länder der Welt. Mrs Mortimers übellauniger Reiseführer. Piper Verlag. ISBN: 978-3-492-25374-1. 8,95 Euro.



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