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Die Odyssee des Fälschers

Konstantin Simonides gehört fraglos zu den bekanntesten Kunstfälschern der Geschichte. Wenn sein Name in Zusammenhang mit dem Kauf eines antiken Manuskripts genannt wird, schrillen die Alarmglocken der Sachverständigen, so auch unlängst in der Debatte um den Papyrus von Artemidor. Doch wer war diese mysteriöse Figur, dieser griechische Konrad Kujau, der in ganz Europa mit echten und gefälschten antiken Dokumenten herumreiste, die er Sammlern und Bibliotheken zum Kauf anbot?

Rüdiger Schaper: Die Odyssee des Fälschers

Der Berliner Kulturjournalist Rüdiger Schaper ist der Fährte von Konstantin Simonides gefolgt und hat mit seiner „Odyssee des Fälschers“ versucht, aus den wenigen verlässlichen Quellen das Leben von Simonides zu rekonstruieren. Ein schwieriges Unterfangen, denn von Simonides gibt es nur wenige Eckdaten, selbst sein mit 1820 angegebenes Geburtsjahr ist nicht gesichert.

Überliefert ist nur, dass Simonides einige Jahre bei den Mönchen auf dem Berg Athos gelebt hatte und Mitte des 19. Jahrhunderts, als ganz Europa nach antiken Funden gierte und Engländer wie auch Deutsche in der Ägäis und in Ägypten Kunstschätze plünderten, nach Paris, London und Leipzig gereist war, wo er Sammlern und Museen kostbare antike Dokumente und Papyri zum Kauf anbot. Viele dieser Papyrusfragmente hatte Simonides gefälscht, indem er sie durch angeblich ältere Originaltexte ergänzte. Als seine Betrügereien aufflogen und sein Ruf ruiniert war, flüchtete er nach Ägypten, wo sich 1867 seine Spuren verlieren.

Rüdiger Schaper hat allerdings keine – wie er im Nachwort behauptet – „Biographie“ über den genialen Fälscher geschrieben, sondern vielmehr eine Art Abenteuerroman, der kaum wissenschaftlichen Kriterien folgt und sich wie eine Ansammlung von Mythen und Spekulationen liest. Hierzu passt auch, dass das Buch durchgängig im Präsens geschrieben ist. Auch bleibt Schaper bis zum Schluss die Antwort schuldig, wieso Simonides, wie im Untertitel behauptet, die „Antike erfunden haben soll“.

Ärgerlich ist die Lektüre aber vor allem, weil Schaper sich zum Psychoanalytiker aufspielt und Simonides quasi auf die Couch legt. Als Jugendlicher soll Konstantin von einem väterlichen Freund missbraucht worden sein, weswegen Schaper messerscharf folgert: „Simonides adelt den Mann, der ihn missbraucht hat, er verwandelt seine Scham in zählbares Kapital. Ein Akt der Fälschung, um weiterleben zu können.“ Anschließend zieht er noch ein paar so eigenartige wie überflüssige Querverbindungen zu Johann Joachim Winckelmann und Pier Paolo Passolini.

An anderer Stelle fordert Schaper den Leser auf, Simonides „als Naturtalent“ zu verstehen und spekuliert über dessen Kreativität, um dann seine Überlegungen in die ohne Bezug zum vorherigen Satz stehende Frage münden zu lassen: „Warum und aus welchem Grund entstehen Religionen?“

Der Rezensent fragt sich hingegen: „Warum und aus welchem Grund werden solche Biographien geschrieben?“ Die Fakten über Simonides bleiben so dünn wie die Liste der im Anhang aufgeführten Sekundärliteratur, aber glücklicherweise endet die Odyssee schon nach zweihundert Seiten.

ran@saw

Rüdiger Schaper: Die Odyssee des Fälschers. Siedler Verlag 2011. ISBN-10: 3886809668.16,99 Euro.



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