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Kämpfe für dein Leben. Der Boxer und die Kinder vom Waldhof

Zugegeben der Rezensent war recht skeptisch und dachte vorab, dass hier wieder mal ein Ghostwriter auf den Zug der Sportler-Biografie gesprungen ist. Doch im vorliegenden Falle ist das nicht der Fall, zumal die sportliche Karriere von Charly Graf, in den 1980er Jahren einst Deutscher Meister im Schwergewichtsboxen, recht lange zurück liegt. Ganz ungeschminkt erzählt uns Graf, der auch immer wieder im Gefängnis gelandet ist, aus seinem Leben als „Negerkind“, aber auch von der ehrenamtlichen Arbeit und dem Boxtraining mit sogenannten Problemkindern.

Charly Graf / Armin Himmelrath: Kämpfe für dein Leben. Der Boxer und die Kinder vom Waldhof

Aufgewachsen in den Benz-Baracken in Mannheim-Waldhof kannte und kennt Graf die Schattenseite des Lebens. Vor diesem Hintergrund schien das Leben für Charly Graf vorbestimmt. Das Geld, das es im Umfeld des Rotlichtmilieus und des illegalen Glückspiels zu verdienen gab, lockte ihn. Als Türsteher fing er an, aber bald war er ein Großer im Milieu.

Dass der Schwergewichtler Graf, der noch heute recht ansehnliche Oberarme besitzt, sich im Hochleistungsgeschäft des Profiboxens versuchte, ist nur die eine Seite der Lebensgeschichte, dass er seine Erfahrungen, auch leidvollen Erfahrungen an Jugendliche mit Problemen weitergibt und von diesen als authentisch angesehen wird – ganz im Gegensatz zu gut meinenden Sozialarbeitern – ist die andere Seite. Zufall, so führt Graf im einleitenden Kapitel des Buches aus, ist es nicht, dass er im Katholischen Kinderheim St. Josef Boxtraining anbietet. Er ist dorthin zurückgekehrt, wo er aufgewachsen ist und zwar aus einem einfachen Grund: „Ich arbeite hier ehrenamtlich, und auch ich war ein gesellschaftlicher Außenseiter und habe in meiner Kindheit schreckliche Dinge erlebt, die mein ganzes Leben geprägt haben. Ich weiß, wie es ist, wenn die eigene Familie keinen Halt mehr bietet, und wahrscheinlich bin ich deshalb von den Kindern im Heim so schnell … akzeptiert worden.“ Was will Graf vermitteln? Dass man wieder aufstehen muss, wenn man am Boden liegt und weiterkämpft, dass man fair bleibt und dass man an seine Träume glaubt, so wie auch Graf an seine Träume glaubte, wenn dies auch mit Umwegen geschah. Nicht nur die Tatsache, dass er im „Abschaum der Gesellschaft“ aufwuchs und als Kind mit einer Mutter zusammenlebte, die nie ihre Liebe zeigte und sich mehr mit wechselnden Männerbekanntschaften befasste, formte Graf nachhaltig für sein späteres Leben, sondern auch die Erfahrungen in der Boxwelt, in der er sich als Leibeigener von Boxpromotern vorkam. In der Welt zwischen Sparring, Training und Wettkampf im Boxring, an dem sich bei Veranstaltungen Ganoven und Luden gern sehen ließen, erlebte er auch, wie Kämpfe manipuliert wurden und schreckt dabei auch nicht davor zurück, in diesem Kontext den bis heute als Veranstalter von Ringschlachten tätigen Herrn Sauerland zu nennen. An verschiedenen Stellen des Buches finden sich Schilderungen über Grafs Boxkämpfe, auch Berichte von Journalisten über Grafs ersten Kampf während der Haftzeit. Der „Ali von Waldhof“ erlebte in seiner Boxerkarriere Höhen und Tiefen – darunter die Niederlage gegen Preberg – , wurde enttäuscht, menschlich enttäuscht u. a. von seinem Manager Wolfgang Müller – und auch das war gewiss nicht unwichtig für Grafs Lebensweg, wie er selbst schreibt. Doch die größte Verführung war das schnelle Geld, das man als Zuhälter oder in Spielcasinos erwirtschaften konnte. So geriet er auch immer wieder in die Fänge der Justiz.

Die Begegnung mit dem RAF-Mitglied Peter-Jürgen Book scheint für Graf ein Schlüsselerlebnis gewesen zu sein, liest man die vorliegende Veröffentlichung. Auch die Meuterei im Mannheimer Knast, in dem Graf eine wichtige Rolle spielte, gehört zur Lebensgeschichte eines Mannes, der von ganz unten kam und es geschafft hat, sich bis heute vom Rotlichtmilieu fernzuhalten. Zum Motto seines Lebens wurde schließlich: „Ich bin konzentriert und kämpferisch, glücklich und erfolgreich!“ Es ist ein Motto, dass Graf heute an Jugendliche erfolgreich weitergibt, an Jugendliche, die auf dicke Hose machen, aber eigentlich innerlich vor Angst und Einsamkeit geplagt werden. Diese Angst und Einsamkeit zu überwinden, ist die neue Lebensaufgabe des „Alis von Mannheim“. Und der Leser kann dies anhand der sehr eindrücklichen Lebensbeschreibung gut nachvollziehen.

© fdp

Charly Graf / Armin Himmelrath: Kämpfe für dein Leben. Der Boxer und die Kinder vom Waldhof, 192 Seiten mit vielen Fotos, 2011, ISBN: 978-3-8436-0015-6, Preis 19,90 Euro.

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