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Leben am Kurfürstendamm - 100 Jahre Geschichte und Geschichten um die Mietshäuser Kurfürstendamm 48–50

Dorothea Zöbl: Leben am Kurfürstendamm - 100 Jahre Geschichte und Geschichten um die Mietshäuser Kurfürstendamm 48–50Die Autorin hat sich das Motto des Berliner Essayisten und Chronisten Franz Hessel zu eigen gemacht: „Ist also die Straße eine Art Lektüre, so lies sie, aber kritisiere sie nicht zuviel.“ Zugleich mit der Chronik, der Mietshäuser 48-50, die einst im Auftrag von Heinrich Munk entstanden, hat die Autorin eine Hausbiographie gegen das Vergessen verfasst, wie es in der Einleitung heißt. Sie erinnert an die verschiedenen Bewohner des Hauses an dem wohl bekanntesten innerstädtischen Boulevard von Berlin.

Zöbl schlägt gekonnt einen Bogen zwischen dem ausgehenden 19.Jahrhundert, als der Bau realisiert wurde, über die „goldenen Zeiten“ des Prachtboulevards Ku'damm und die „braunen Zeiten“ bis hin zur Zeit der Wiederbelebung als d i e Einkaufsstraße West-Berlins. Dabei beginnt die Besinnung auf Geschichte des Ku'damms damit, dass er im 16 Jh. nichts weiter als ein befestigter Knüppeldamm war. 1871 erst regte von Bismarck den Ausbau als Prachtstraße an. Danach schlug dann die Stunde von Heinrich Munk, dem Bauherrn der Häuser Nr. 48-50.

Heute weiß man nichts mehr von der Buffalo Bill's Wild West-Show, die einst am Ku'damm gezeigt wurde und auch nicht von einer Schau wie „Die letzten Tage von Pompeji“ oder gar von dem Freizeitpark am Halensee. Doch die Autorin ist diesen Spuren ebenso nachgegangen wie der Baugeschichte des Ensembles Ku'damm 48-50.

Dass 1913 an dieser Berliner Prachtstraße 113 Millionäre lebten, wird von Zöbl ebenso erwähnt wie das Romanische Café, in dem die Berliner Boheme, u. a. der Maler Georg Grosz und die Schriftstellerin Else Lasker-Schüler, verkehrten. Dank intensiver Quellenforschung und Durchsicht von Primärliteratur auch jenseits bauhistorischer Abhandlungen gelingt es Zöbl, ein „Soziogramm“ des Ku'damms vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen, auch weil sie sich mit den Mietern des Hauses 48-50 ausführlich befasst, darunter auch mit dem Geheimen Medizinalrat Prof. Dr. Fritz Rinne.

In der Zeit nach 1918 wandelte sich das Gesicht der Straße: Zahlreiche Tanzdielen eröffneten. Doch auch das Elend der Bettler bestimmte das Straßenbild. In die Pension Fischer am Ku'damm 31 zogen Anfang der 1920er Jahre russische Emigranten, darunter Alexander Tolstoi. Der Bildhauer Archipenko hatte sich in der Erdgeschosswohnung im Haus Ku'damm 126 niedergelassen. Auch in die Nebenstraßen zogen kreative Geister ein, ob nun die TänzerinTatjana Gsovsky oder die Fotografin Else Ernestine Neuländer, genannt Yva. Von ihr, so bekannte ein Starfotograf unserer Zeit, Helmut Newton (eigentlich Neuländer), habe er viel gelernt.

Die goldenen 20er Jahre waren wohl die Blütezeit des Ku'damms. Damals tanzte auch Josephine Baker ihren legendären Bananentanz im Nelson-Theater, in dem heute Tommy Hilfiger Mode verkauft. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde die „Hassmeile der braunen Herren“ von Negerplastik, Niggersongs und Jazzbands gesäubert, so Zöbl in ihren Ausführungen. „Der ganze Kurfürstendamm ergießt sich über Paris.“ notierte Harry Graf Kessler. Was er meinte, war der Exodus der Intellektuellen nach 1933. Darunter waren Max Reinhardt und Erwin Piscator, zwei der wichtigsten Theaterregisseure jener Tage. Der Eigentümer des Kempinskis wurde 1937 enteignet; der Besitz arisiert. Nun traf sich hier die neue Elite: Gründgens, Leander, Udet und Rökk!

Zur Nachkriegsgeschichte des Ku'damms, die die Autorin gleichfalls abhandelt, gehören der Wiederaufbau, die Eröffnung der ersten privaten Kunstgalerie Deutschlands – sie öffnete am 8. August 1945 im Haus Ku'damm 215 –, der Abbruch des Burgtheater-Gastspiels mit Werner Krauß, der an Veit Harlans antisemitischen Film „Jud Süß“ mitgewirkt hatte und der Salon Kitty, der sich vom Puff zum Künstlertreff wandelte.

fdp@saw

Dorothea Zöbl: Leben am Kurfürstendamm - 100 Jahre Geschichte und Geschichten um die Mietshäuser Kurfürstendamm 48–50, 248 S. m. 107 Abb., davon 14 farbig, Berlin 2011, ISBN 978-3-7861-2641-6, Preis 39,00 Euro [D] | 52,90 SFR [CH] 



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