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Der Orientalist

Der OrientalistAls der amerikanische Journalist Tom Reiss 1998 nach Baku reiste, hatte er den Roman „Ali und Nino“ im Gepäck, der ihm empfohlen worden war, um das Land Aserbaidschan besser zu verstehen. Fasziniert von dem Buch begann Reiss eine jahrelange Spurensuche nach dem Autor und entdeckte hinter dem Pseudonym Kurban Said eine schillernde Persönlichkeit, deren Leben er in seiner Biographie „Der Orientalist“ spannend nacherzählt.

Kurban Said wurde 1905 als Lev Nussimbaum in Baku am Kaspischen Meer geboren. Zusammen mit seinem Vater, einem vermögenden Ölhändler, floh er nach der russischen Revolution mit einer Kamel-Karawane durch die Wüsten Turkestans bis nach Persien. Er lernte den Kaukasus und das zusammenbrechende Osmanische Reich kennen, bevor er über Istanbul und Paris schließlich nach Berlin gelangte, wo Lev mit den Schwestern von Boris Pasternak zur Schule ging und mit den Nabokovs verkehrte. Deutsch hatte er bereits als Kind von seiner Gouvernante gelernt, so dass es sich schnell integrieren konnte.

Die Anforderungen auf dem russischen Gymnasium genügten Lev Nussimbaum nicht, so dass er sich als 17jähriger verbotener Weise an der Universität einschrieb, um Türkisch und Arabisch zu studieren. Der Orient faszinierte ihn derart, dass er kurz darauf zum Islam konvertierte und sich fortan Essad Bey nannte. Um seine jüdische Herkunft zu verschleiern, inszenierte sich Bey als kaukasischer Krieger mit Pelzmütze und Dolch, rauchte Wasserpfeife und träumte von einer Verschmelzung von Orient und Abendland.

Schriftstellerisch begabt, verfasste er bereits in jungen Jahren Biographien von Zar Nikolaus II., Lenin, Stalin und Mohammed; er arbeitete für die „Literarische Welt“ und schrieb Romane, die zu Bestsellern wurden. Die Nazis schätzten den überzeugten Antikommunisten, doch als sie entdeckten, dass er Jude ist, musste Bey erneut fliehen. Eine Zeitlang lebte er in New York, bevor er 1942 mit nur 36 Jahren schwerkrank im italienischen Positano starb, wo er eine Biographie Mussolinis schreiben wollte.

Da es nicht immer leicht war, bei den halb-autobiographischen Zeugnissen von Essad Bey zwischen Wahrheit und Dichtung zu unterscheiden, füllt Tom Reiss diese Lücken, indem er in langen Exkursen die politischen Rahmenbedingungen schildert und den kulturhistorischen Hintergrund erhellt.

Er beschreibt das Deutschland der Weimarer Republik genauso kenntnisreich wie den europäischen Antisemitismus im 19.- und anbrechenden 20. Jahrhundert sowie die Geschichte der Bergjuden in Aserbaidschan. Nicht zuletzt sind es diese fundierten Kenntnisse, die das Buch zu einer ungemein lehrreichen und lohnenden Lektüre machen.

ran@saw

Tom Reiss: Der Orientalist. Auf den Spuren von Essad Bey. Aus dem Amerikanischen von Jutta Bretthauer. Osburg Verlag. ISBN: 3940731056. 17,00 Euro.

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