NEU IN DER BÜCHERECKE / BÜCHER UNSERER AUTOREN / BIOGRAFIEN / FOTOBÄNDE / HÖRBÜCHER
KINDER- u. JUGENDBÜCHER / LIFESTYLE / REISEBERICHTE / REISEFÜHRER / ROMANE / SACHBÜCHER

Ausflug nach Absurdistan

Der Kanadier Guy Delisle ist ein solcher „künstlerischer Leiter“ und so kommt er in die chinesische Stadt Shenzhen, die direkt an Hongkong angrenzt. In den 1970-er Jahren gab es hier nur ein Fischerdorf und eine Menge Reisfelder, doch nachdem 1978 die chinesische Wirtschaftsreform begann, wurde Shenzhen zur „Wirtschaftssonderzone“, in der gegen harte Devisen von schlecht bezahlten Wanderarbeiterinnen einfache Produkte zusammengeschraubt wurden. Gleichzeitig wurde aus dem Nichts eine Hochhausstadt geschaffen, die sich ebenfalls an das nahe Hongkonger Vorbild anlehnte.

Shenzhen

Kein besonders attraktiver Ort für einen jungen Kanadier, der tagsüber reichlich damit zu tun hat, schlecht gezeichnete oder von falschen Bewegungen bestimmte Blätter auszusortieren, zu korrigieren und zurück in die Produktion zu geben. Damit macht man sich spontan keine Freunde, und das Geld der Produktionsgesellschaft verschlingt es auch noch. Da will man doch wenigstens abends einen draufmachen und etwas erleben. Aber wo? Die einzige Sehenswürdigkeit von Shenzhen ist – ganz typisch – ein „Themenpark“, in dem die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Erde en miniature nachgebaut sind. Shenzhen ist eine kulturelle Wüste. Was bleibt dem Zeichner also übrig als zu zeichnen? Also verarbeitet Delisle seine oft skurrile Umgebung, einige sehr typische Eigenarten der Chinesen und die Erlebnisse in der Arbeitswelt zu einem Comic.

Ein paar Jahre später dann trifft es Guy Delisle noch härter. Inzwischen nämlich wird auch in Nordkorea gezeichnet, also muss er nach Pjöngjang reisen. Durch Dolmetscher und „Guide“ streng von der Bevölkerung abgeschirmt, erlebt er den Kim-Staat wie in einem Film. Die Stadt ist steril, ohne Leben und dominiert von gigantischen und brutalen Zeugnissen der Macht: Statuen, Denkmäler, Repräsentationsgebäude. Die Kader fahren S-Klasse-Mercedes, das Volk hungert. Und ein Zeichner versucht das alles auszuhalten.

Die Comics zeichnen eine geradezu groteske Realität nach. Dass sie nicht wirklich witzig sind, liegt daran, dass man diese Realität kaum noch überzeichnen kann. Was hier dargestellt wird, ist nicht eine Übertreibung wie das Leben in Entenhausen, sondern schlicht Alltag. In den uns Guy Delisle aber dennoch auf unterhaltsame Art Einblick gewährt.

Den Machthabern in Peking und Pjöngjang dürften solche Bücher nicht unbedingt Gefallen bereiten. Aber ist es nicht die beste Herangehensweise an zwei der schlimmsten Diktaturen der Welt, sie einfach lächerlich zu machen?

fjk@saw

Guy Delisle: Shenzhen. ISBN 978-3-938511-07-7. Pjöngjang. ISBN 978-3-938511-31-2. je 18,- Euro.

Dieses Buch bei Amazon kaufen:

zurück zu Übersicht "Sachbücher"