52 Wanderungen

Welch eine ungewöhnliche Idee, nach dem 60. Geburtstag für ein Jahr lang jede Woche wandern zu gehen. „Vor vier Tagen bin ich sechzig geworden. Als ich das kommen sah, habe ich beschlossen, von meinem Geburtstag an ein Jahr lang keine Auftritte abzumachen, keine Lesungen, keine Schulbesuche, kurz, nichts von alledem, was mich zum Gefangenen meiner eigenen Agenda macht. Ich möchte, so sagte ich mir, in dieser Zeit für das Alter üben.“

So beginnt das Buch des Franz Hohler, das zum Tagebuch wird und das neben den Aufzeichnungen der Streifzüge ein Spaziergang auch in die Seele des Kabarettisten ist.

Der wohl nicht vor jeder neuen Wanderung vorfreudig umher hüpfte, der sich von jeder Wanderung dann aber mitreißen ließ und Beobachtungen mitbrachte, die es dem Leser seines Buches ermöglichen, nicht nur die Landschaften vor seinem geistigen Auge entstehen zu sehen, sondern beispielsweise die Nonne, die im Gasthof auch, wie er, einen Schnaps getrunken hatte, „weil’s gut ist für das Knie“, wie sie mit roten Wangen verrät. Man sieht Hohler eine Bikerin auf ihrer Talfahrt entgegen rasen und ihm einen „schönen Tag zuschreien“ und man folgt seinen Erinnerungen an einen Ritt, den er für einen Film absolvieren musste, ohne richtig reiten zu können, mühelos, und schmunzelt dabei genauso wie er wahrscheinlich, während der an das Drama zurück dachte.

Oft sind ihm über die Betrachtungen hinaus, Geschichten eingefallen – er hat sie in den Fluss seiner Impressionen eingebunden. Nicht selten haben seine Frau, sein Sohn oder Freunde ihn begleitet – entweder hat Hohler deren Beobachtungen wieder gegeben oder er erblickte die Welt seiner Wanderungen durch sie.

Es ist mühelos, seinen Spuren zu folgen, so eindrücklich beschreibt er die Reviere, so offen seine Beziehungen dazu – man sollte jedem, der in der Schweiz unterwegs sein will, diese Lektüre dringend empfehlen.

usch@saw

Franz Hohler: 52 Wanderungen. btb. ISBN 3442735696. 8,00 Euro.

Dieses Buch bei Amazon kaufen: