Auf schnuckeligen Pfaden

Auf dem Heidschnuckenweg durch die Lüneburger Heide

Text: Dagmar Krappe
Fotos: Dagmar Krappe und Axel Baumann

„Es ist so still, die Heide liegt im warmen Mittagssonnenstrahle,...“ Wäre da nicht in diesem Moment das Blöken der Schnucken von Schäfer Carl Wilhelm Kuhlmann zu hören, dann dränge tatsächlich „kein Klang der aufgeregten Zeit noch in diese Einsamkeit“. Das Gedicht „Abseits“, vor 166 Jahren von Theodor Storm verfasst, könnte so manchem Wanderer auf vielen Abschnitten des 223 Kilometer langen Heidschnuckenwegs in den Sinn kommen. Spätestens dann, wenn nichts mehr außer dem Summen der Bienen und Hummeln im süßlich duftenden lila Heidekraut zu hören ist.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Heide und Wacholder

2012 wurde der Weg, der über 30 große und kleine Heideflächen der Lüneburger Heide zwischen Hamburg-Fischbek und der Fachwerkstadt Celle miteinander verbindet, eröffnet. Als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“. 14 Etappen zwischen sieben und 27 Kilometern Länge verlaufen über heidebedeckte Hügel, durch Wacholder-Täler, zwischen Getreidefeldern, grünen Wiesen oder entlang gurgelnder Bäche. Dschungelartig wirkt der Fluss-Wald-Erlebnispfad am Ufer der Örtze bei Müden in der Südheide. In dem wildromantischen Flüsschen, den Dichter Hermann Löns als „der Heide echtester Fluss“ bezeichnet haben soll, lebt der märchenhafte „Otterbock“.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Schäfer Carl Wilhelm Kuhlmann

Nur wenige Kilometer weiter bei Niederohe weidet Schäfer Kuhlmann seine 900-Schnucken-starke Herde. Eine der letzten zehn, die es noch in der gesamten Lüneburger Heide gibt. Zwölf Kilometer ziehe er täglich mit seinen Tieren über eigene und Gemeindeflächen, erzählt der 49-Jährige, während seine beiden altdeutschen Hütehunde Kira und Roody die emsig fressende Herde zusammen halten.

Die Heide ist keine Ur-, sondern eine Kulturlandschaft. Sie entstand durch Raubbau des Menschen. Im Mittelalter wurden große Mengen Holz zum Floß- und Schiffbau und zum Heizen der Salzsiedepfannen in der Lüneburger Saline benötigt. Auf den Kahlschlägen entwickelte sich die Heide. „Seit Jahren ist Heidschnuckenhaltung in Deutschland nicht mehr rentabel. Aber ohne die Tiere gäbe es auch keine offenen Heideflächen mehr, da der Wald die Flächen zurückerobern würde“, erklärt Kuhlmann: „Im Gegensatz zu australischer, neuseeländischer oder südamerikanischer ist diese Wolle zu hart. Auch die Aufbereitung als Isoliermaterial ist zu teuer. Es entstehen sogar noch Kosten für die Entsorgung auf der Deponie. Doch wir arbeiten an der Idee, sie mit Mist zu vermischen und als Dünger auszubringen.“ Heidschnuckenfleisch hingegen ist eine schmackhafte, fettarme Delikatesse.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Heidschnucken

Im Sommer fressen die vierbeinigen „Landschaftspfleger“ Gras und verbeißen die unerwünschten Baumschösslinge von Birken und Kiefern. Im Winter ernähren sie sich vom Heidekraut und sorgen so dafür, dass dieses im nächsten Jahr wieder neu austreibt und blüht. „Die Heidschnucke ist eine der kleinsten Schafrassen in Deutschland und sehr genügsam“, meint der Schäfer, während die Tiere um die Wette blöken: „Sie stammt vom Mufflon ab, dem Bergschaf Korsikas und Sardiniens.“ Der Kopf der grauen gehörnten Heidschnucke ist auch das Symbol auf den Wegweisern des Heidschnuckenwegs. Ansonsten ist er mit einem weißen H auf schwarzem Grund gekennzeichnet.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Wegbeschilderung

Auch an der Heidehonigproduktion sind die zotteligen Schnucken beteiligt. „Sie zerreißen die zahlreichen Spinnweben zwischen Calluna vulgaris (Besenheide) und Erica (Glockenheide), so dass Bienen ungestört Nektar sammeln können“, berichtet Imker Klaus Ahrens. Er ist ein Meister seines Fachs. Mit Kennerblick hat er sofort die Königin zwischen Hunderten schwarz-gelb gestreifter Honigbienen erspäht, die auf den Waben herumwuseln. Arbeiterinnen, die mit Brutpflege und Wabenbau beschäftigt sind, um letztere mit Honig und Pollen zu füllen. Auf dem Wietzer Berg am Löns-Denkmal, das dem im Ersten Weltkrieg gefallenen Heidedichter gewidmet ist, stehen einige seiner Beuten. Längst sind es nicht mehr die typischen runden Bienenkörbe, die Lüneburger Stülper, sondern grüne Kästen aus Styropor. Darin hängen Holzrähmchen mit vorgefertigten Wachsmittelwänden.

Im Wildpark Müden (1) , der direkt am Heidschnuckenweg liegt, hat der Imker einen Lehrbienenstand. „Ein Volk besteht aus 35.000 bis 50.000 Bienen und verteilt sich über mehrere Kästen“, erzählt der 45-Jährige. Rund 200 Völker gehören zu seiner „Familie“. Er ist Imker in dritter Generation. 1910 begann sein Großvater mit der Bienenzucht. „Eine Imkerpfeife wie er verwendet heute niemand mehr“, sagt Klaus Ahrens. Er selbst verzichtet auch auf eine Imkerhaube. Um die Bienen abzulenken, steht ein „Smoker“ bereit. In einem Metallgerät entzündet der Imker Buchenspäne und erzeugt den Rauch mittels Blasebalg. Sobald er den Deckel einer Beute öffnet, räuchert er die Bienen ein. Diese „denken“ an einen Waldbrand, versuchen, ihre Waben zu schützen und schwärmen deshalb nicht aus. Was dem Imker die Arbeit erleichtert und vor manchem Stich bewahrt.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Imker Klaus Ahrens am Lehrbienenstand im Wildpark Müden

Außer durch abwechslungsreiche Natur führt der Wanderweg auch durch einige Heidedörfer und Kleinstädte. In Faßberg (2) lässt sich an der Erinnerungsstätte Luftbrücke Berlin ein Stopp einlegen. In den Jahren 1948 und 1949 wurden von hier über 500.000 Tonnen Kohle ins damalige Westberlin geflogen. Ein Original-Luftbrückenflugzeug, ein „Faßberg-Flyer“, und eine Ausstellung erinnern an die ehemalige West-Berlin-Blockade. Soltau, Bispingen, Schneverdingen, Handeloh, Wilsede, der Inbegriff des Heidedorfs mit dem Heidemuseum „Dat ole Huus“, und Undeloh sind weitere Orte auf dem Weg Richtung Norden, in denen man ein wenig Kultur schnuppern und seinen Gaumen mit Spezialitäten aus der Heide verwöhnen lassen kann.

Lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Faßberger Flyer

Im Heide-Erlebniszentrum in Undeloh (3) erfährt der Besucher, wie die heutige Landschaft von Eis und Wind modelliert wurde und welche Maßnahmen notwendig sind, um sie zu erhalten. Doch um nach Undeloh zu gelangen, muss erst einmal die höchste Erhebung der Region erklommen werden. Der Wilseder Berg (4) misst 169,2 Meter. „Zur Heideblütezeit im August und September reiht sich rund um den Berg Kutsche an Kutsche, um Spaziergänger und müde Wanderer durch das Radenbachtal zu schaukeln“, weiß Iris Schöndube. Deshalb lenkt die Natur- und Landschaftsführerin ihren Planwagen lieber etwas abseits des Trubels durch die Töpsheide (5). Entspannt kann man sich so ein Stück von den beiden Haflinger-Ponys Askana und Sandokan ziehen lassen. Seit fast zwanzig Jahren zuckelt die 42-Jährige schon durch die Nordheide. Was als Semesterferienjob begann, wurde zum Zweitberuf. Inzwischen ist sie auch ausgebildete „Fahrlehrerin für Kutschen“. Zwischen Wacholderheide und von Blaubeeren übersätem Mischwald verspricht Iris Schöndube ihren Gästen, einen Blick auf Hamburg werfen zu können. Vom 109 Meter hohen Töps, was Anhöhe bedeutet, öffnet sich ein Panorama bis zum Treppenviertel von Blankenese am nördlichen Elbufer. Der Heidschnuckenweg aber endet südlich des großen Stroms. Mitten im Wohngebiet des Hamburger Stadtteils Fischbek. Und schon wird die eben noch inhalierte Stille wieder von vielen „Klängen der aufgeregten Zeit“ durchbrochen.

lüneburger Heide - Heidschnuckenweg - Kutscherin Iris Schöndube mit Haflinger Ponys

 

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