Lingen

Zu Besuch bei Theo Lingen

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Theo Lingen – wer ist das denn, werden sich viele Fragen. Er war ein deutscher Schauspieler, der nicht aus Lingen stammte. Nein, sein Vater kam aus dem Emsstädtchen und war der Sohn einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie. Im Haus Am Markt 20 erblickte er das Licht der Welt. Heute kann man sich im Café am Markt bei Kaffee und Kuchen verwöhnen lassen. Theo Lingen hingegen wurde in Hannover geboren, wohin seine Eltern verzogen waren, weil sein Vater dort als Justiziar beschäftigt war. Lingen ist auch nicht der richtige Familienname. Der lautet nämlich schlicht Schmitz. Niemals hat Theo Lingen – er spielte in Filmklassikern wie „Das Testament des Dr. Mabuse“ (D 1933), aber auch in Filmklamotten wie „Der Lümmel von der letzten Bank“ oder in der Neuverfilmung der „Feuerzangenbowle“ – in Lingen gelebt. Nur einmal, im Sommer 1968, drehte er einen Werbespot für „Ein Platz an der Sonne“ in der Geburtsstadt seines Vaters. Den Namen Lingen legte er sich als Künstlernamen nur deshalb zu, weil sein Vater über seinen schauspielernden Sohn wenig erfreut war und ihn aufforderte, den guten Familiennamen niemals zu führen, auch nicht auf den Brettern, die die Welt bedeuten.

Lingen im Emsland - Theo Lingen

Wer mit der Bahn anreist, der wird auf dem Bahnhofsvorplatz auf den Theo-Lingen-Platz stoßen – und auf das Porträt des in manchen Rollen mit fistelnder Stimme und näselnd sprechenden Schauspielers. Jenseits des Bahnhofs (1) – ein stattlicher Bau aus rotem Backstein und einst die Visitenkarte der Königlich-Hannoverschen-Eisenbahn – liegt der Campus Lingen mit den Instituten für Kommunikationsmanagement, Theaterpädagogik, Management und Technik sowie der Berufsakademie Lingen. Umgenutzt wurden dazu Hallen des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerks, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand. In der Halle IV ist die Kunsthalle der Stadt untergebracht. Dort zeigt der Kunstverein Lingen etwa alle acht Wochen wechselnde Ausstellungen, die die aktuellen Strömungen der zeitgenössischen Kunst widerspiegeln. Übrigens, vor dem Hallenkomplex steht eine steinerne Dreiergruppe auf einem Sockel. Diese Figuren erinnern, so die angebrachte Gedenktafel, an die ausländischen Zwangsarbeiter, die von 1940 bis 1945 im Reichsbahn-Ausbesserungswerk Lingen eingesetzt waren! Ob die Überlebenden wohl angemessen entschädigt wurden, fragt man sich im Angesicht des Mahnmals.

Lingen im Emsland - Kunsthalle

Die Holländer waren auch mal hier

Lassen wir dieses Erbe der Industriekultur des 19. Jahrhunderts hinter uns und wenden uns der Stadt Lingen zu: Über die Burgstraße gelangen wir in die Stadt. In dieser Straße befindet sich das Emsland-Museum (2). Dieses Museum befasst sich ausführlich mit der Stadtgeschichte Lingens und mit der Entwicklung des südlichen Emslandes. Dabei wird auch die Zeit berührt, in der die Oranier das Sagen in der Stadt hatten. Das Haus Oranien löste die Grafen von Tecklenburg als Herrscher über die Stadt ab und brachte der Stadt die wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Unter der Regentschaft des Hauses Oranien wurde 1697 auch die bis 1820 bestehende Universität gegründet. Nach dem Tod Wilhelms III. von Oranien-Nassau ging Lingen an Preußen über.

Kiveling vor dem Emslandmuseum in Lingen

Vor dem Museum wacht ein Kiveling aus Bronze mit aufgepflanzter Hellebarde. Kivelinge waren unverheiratete Bürgersöhne, die sich schon im 14. Jahrhundert zu einem Bund zusammengeschlossen hatten, um die Stadt gegen feindliche Angriffe zu schützen. Das Haus der Kivelinge am Markt 8, eines der ältesten Bürgerhäuser Lingens, ist heute Heimat der „Nachfahren“ dieser Kivelinge. Doch nun geht es den jungen Männern nicht mehr um den Schutz der Stadt. Stattdessen sind die heutigen Kivelinge Mitglieder des Bundes der Junggesellen-Schützen und veranstalten regelmäßig einen historischen Umzug durch die Stadt!

Lingen im Emsland - Palais Dankelman

Von Flachpfeilern gegliedert wird die sandgelbe Fassade des Palais Dankelman, in dem seit Jahrhunderten Recht gesprochen wird. Gegenüber des Palastes erhebt sich der Turm der St.-Bonifatius-Kirche (3). Dabei handelt sich um einen Kirchenneubau aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts. Auf eine Höhe von 64 m ragt der Kirchturm dieses katholischen Sakralbaus auf. Prächtig ist in der Nähe dieses Gotteshauses ein ausladendes Fachwerkhaus mit farbigen Halbsonnen und einer geschnitzten Eule und Katze in einem der Balken. Es handelt sich um das zweitälteste Haus der Stadt mit Namen Haus Hellmann: „Ule, Ule, wat deist du mit min Spis in din Mule. Ratte du salt weten wer gunt Brodt wirdt viel Geten“ liest man, wenn man sich die Fassade genauer anschaut. Auch wer kein Platt versteht, kann sich beim Anblick von Eule und Katze seinen Reim daraus machen: Die Eule hat schlicht der Katze die Beute streitig gemacht!

Lingen im Emsland - Haus Hellmann

Vom Universitätsplatz zur Posthalterei

Weiter geht es zum Universitätsplatz (4). An der einen Seite des Platzes erhebt sich seit 1737 die evangelisch-lutherische Kirche, die noch deutliche barocke Spuren aufweist. In den Anfängen diente das Gotteshaus auch als Aula der vom Haus Oranien gegründeten Universität. Gegenüber der Kirche stoßen wir auf das sogenannte Professorenhaus. Wilhelm III., Prinz zu Oranien und Erbstatthalter der Niederlande ordnete den Bau des zweigeschossigen Vierflügelbaus an. Während des Bestehens der Universität Lingen waren im Untergeschoss die Lehrer und im Obergeschoss die Zöglinge der Lateinschule untergebracht. Diese Schule befindet sich gleichfalls am Universitätsplatz. Grammatik, Rhetorik und Dialektik lernte man an der Lateinschule, aus der dann 1697 die Universität der Stadt wurde. An ihr konnte man Theologie, Jura, Philosophie und sogar Medizin studieren. Heute teilen sich der Kunstverein und die Kunstschule die ehemalige Lateinschule.

Beim Weitergehen nehmen wir Notiz von der Erläuterung zum Straßenschild „Henriette-Flatow-Straße“: Henriette Flatow war Lingener Jüdin und als Küchenhilfe im nahen Bonifatius-Hospital beschäftigt, ehe sie ins KZ Theresienstadt verschleppt und dort umgebracht wurde. Unser Weg führt uns durch diese Straße am Hospital vorbei zur evangelisch-reformierten Kirche (5), ein weiß geschlämmter Sakralbau in der Kirchstraße. Dass es sich um eines der ältesten Bauwerke Lingens handelt, können wir beim Blick auf den wuchtigen Turm erahnen. Er stammt vermutlich aus dem 13. Jahrhundert. Das neue Langhaus wurde erst im 18. Jahrhundert anstelle eines verfallenen Langhauses in Fachwerktechnik erbaut.

Lingen im Emsland - evangelisch-reformierte Kirche

Von der Kirchstraße aus ist es ein Katzensprung zur Alte Posthalterei und zum Marktplatz (6) von Lingen. Eine „Hausmarke“ mit einem goldenen Postillon zu Pferd macht deutlich, was es mit dem siebenachsigen, zweigeschossigen Fachwerkhaus mit rotem Walmdach auf sich hat. Hier war seit 1550 über zwei Jahrhunderte hinweg die Poststation untergebracht. Die genutzten Stallungen an der Rückseite des Hauses sind noch heute gut zu erkennen. Postkarten, Briefe und Einschreiben kann man hier jedoch nicht mehr abgeben. Stattdessen serviert man in der Alten Posthalterei Hackbraten mit Jägerkohl, Grünkohl mit Kassler oder selbst gebeizten Lachs auf münsterländischem Pumpernikel mit Honigsenf nebst Büble-Bier.

Lingen im Emsland - Alte Posthalterei

Der Marktplatz

Am Marktplatz steht auch das im 15. Jahrhundert als Gerichtslaube erbaute Rathaus, dessen Treppengiebel auf die niederländische Architektur des 16. Jahrhunderts verweist. Ins Auge springt die zweiläufige Freitreppe ebenso wie das von zwei Löwen gehaltene Wappenschild im Giebel, das drei Türme zeigt. Dabei handelt es sich um die ehemaligen Stadttore Lingens. Im Turm des Rathauses befindet sich ein Glocken- und Figurenspiel. Fünfmal am Tag erklingen die Glocken und dreimal am Tag bewegen sich die Figuren zum Klang der Glocken. Das Figurenspiel ist ebenso wie das Glockenspiel ein Geschenk der Kivelinge. Es besteht aus dem Trommler, der Kivelingskönigin, dem Kivelingskönig, dem Kommandeur, dem Bürgermeister, dem Fahnenträger, der Bürgertochter und dem Kiveling.

Lingen im Emsland - Rathaus am Marktplatz

Umstanden wird der Markt von schmucken Bürgerhäusern aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Darunter ist auch die „Wiege“ der Familie von Theo Lingen, eigentlich Franz Theodor Schmitz, zu finden.

Von der Festung gibt es fast keine Spuren mehr

Dass Lingen einst eine Festung war, merkt man heute kaum, es sei denn, man begibt sich auf die Stadtgrabenpromenade, die dem Verlauf des Festungsrings entspricht. Letztes Zeugnis der im 17. Jahrhundert geschliffenen Festung ist der Pulverturm in Sichtweite zur St.-Bonifatius-Kirche. Ohne einen Wiederaufbau des Turms durch die Knivelinge im Jahr 1961 gäbe es auch dieses historische Zeugnis heute nicht mehr. Auf dem Platz am Pulverturm hat man die Festung mittels Bodenpflasterung „skizziert“ und den Standort des Pulverturms vermerkt.

Lingen im Emsland - Pulverturm

Informationen

Lingen, https://www.lingen.de

Alte Posthalterei, http://posthalterei-lingen.de

Die Knivelinge, http://www.kivelinge.de/aktuelles/civis_civis_civibus.html

 

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