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Kirchenschätze, eine romanische Stiftskirche und ein Schweinehirt

Ein Ausflug nach Freckenhorst

Mit dem Drahtesel ist man schnell in diesem beschaulichen Flecken südlich von Warendorf. Über die Freckenhorster Straße geht es schnurgerade aus Warendorf hinaus. Nachdem wir eines der ehemaligen Stadttore von Warendorf und die Skulptur des ins Horn stoßenden Postillons passiert haben, führt die Tour zunächst am ehemaligen Lehrerseminar, einem aus Backstein im ausgehenden 19. Jahrhundert errichtetes Baudenkmal des Historismus vorbei. Etwa fünf Kilometer liegen noch vor uns, ehe wir vor der Stiftskirche im Zentrum Freckenhorsts stehen.

Warendorf - Blick auf eines der erhaltenen Torhäuser der Stadt mit barocken Torgitter
Blick auf eines der erhaltenen Torhäuser der Stadt mit barocken Torgitter

Auf dem Weg liegt das Kreishaus, das der Erwähnung nur deshalb wert ist, weil vor ihm moderne Kunst ihren Platz hat. Ja, Warendorf ist kunstsinnig, denn nicht nur hier sondern auch im Stadtzentrum gibt es Kunst im öffentlichen Raum. Der Postillon, ein Werk des Osnabrücker Künstlers Hans-Gerd Ruwe, wurde bereits erwähnt. Die riesige Skulptur einer Lesenden, die Bernhard Kleinhans zu verdanken ist, entdeckt man ebenso wie ein Kunstdoppelurinal in einem offenen Pavillon, gleichsam eine Verbeugung vor Marcel Duchamp. Von Michael Elmgreen und Ingar Drugset aus Berlin stammt dieses provozierende Werk mit dem Titel „Powerless Struktures fig. 255“. Das im Freien aufgestellte Doppelpissbecken entstand als ein Projekt im Rahmen der Skulptur-Biennale Münsterland 2003. Bis zu seinem überraschenden Tod im Januar 2009 stellte am Ortsrand von Freckenhorst der Bildhauer Heinz-Josef Recker seine Arbeiten in seinem Atelier und davor öffentlich aus. Ihm ist der sogenannte Geschichtsstein in Warendorf zu verdanken, der zu den „Steinen des Anstoßes“ in der Kreisstadt gehört.

Warendorf - Kunstwerk
Michael Elmgreen & Ingar Dragset aus Berlin
schufen dieses provozierende Werk mit dem Titel
„Powerless Struktures fig. 255“

Im Ortskern von Freckenhorst angekommen, beeindruckt der gewaltige Bau der Stiftskirche. Etwas abseits steht eine Skulptur des Schweinehirten Freycko, der in Diensten des Edelmanns Everword stand und eines Nachts eine Lichterscheinung hatte, die sich in den nachfolgenden Nächten wiederholte. Diese Erscheinungen teilte der Hirte seinem Herren mit. Dieser hatte gleichfalls eine Vision und hörte die Stimme des Apostels Petrus. Dieser forderte ihn auf, in Freckenhorst ein Gotteshaus zu stiften. Soweit die Legende. Die wahre Geschichte des Klosters und der Stiftskirche beginnt im Jahre 856 mit der Gründung eines Klosters, das im Laufe der Zeit in ein Damenstift umgewandelt und schließlich am 13. August 1811 aufgelöst wurde.

Freckenhorst - Ansicht des Westwerks der Sankt-Bonifatius-Stiftskirche
Ansicht des Westwerks der Sankt-Bonifatius-Stiftskirche

Der mächtige Sakralbau mit seinem imponierenden Westwerk ist dem hl. Bonifatius geweiht und gilt unter Kennern neben der Patroklikirche in Soest als der wohl wichtigste romanische Sakralbau Westfalens. Dabei handelt es sich weder um den Ursprungsbau, noch um den im 11. Jahrhundert geweihten Kirchenneubau. Eine Feuersbrunst hatte verheerende Folgen, sodass noch im frühen 12. Jahrhundert in zwölfjähriger Bautätigkeit die bestehende Stiftskirche erbaut werden musste. Fünftürmig ist das Gotteshaus – und das ist unter den romanischen Gotteshäusern einzigartig. Lang gestreckt ist die dreischiffige Kirche, deren abgebrochene Bauelemente in der Pflasterung vor dem Westwerk und vor dem südlichen Seitenschiff auszumachen sind. Dass es einen Niveauunterschied des ursprünglichen Kirchenareals gegenüber der heutigen Situation gegeben haben muss, zeigt der Kreuzgang mit seinen Würfelknaufsäulen. Dessen Zugänge sind teilweise unter dem Bodenniveau von heute verborgen.

Freckendorf - St-Bonifatius-Stiftskirche - Blick auf den Kreuzgang
Blick auf den Kreuzgang

Das mehrgeschossige Westwerk besitzt zwei runde Treppentürme, die an den viereckigen Mittelturm angeschlossen sind. Stilunpassend ist die barocke Turmhaube über dem steilen, mit roten Ziegeln bedeckten Pyramidendach des Mittelturms. Dieser Turm ragt 56 Meter in den Himmel und weist drei Etagen mit rundbogigen Schalllöchern auf. Äußerlich fehlt der aus Bruchsandstein errichteten Kirche jeder Bauzier. Schlicht ist sie die „feste Burg Gottes“.
Im Inneren setzt sich die Schlichtheit fort: Chor, Vierung und Querschiff weisen recht flache Kreuzgratgewölbe auf. Spätgotisch ist das Kreuzrippengewölbe des dreijochigen Langhauses. Reste des Fräuleinchors und des Zugangs vom Dormitorium des Konvents finden sich in der Thiatildiskapelle im südlichen Querhausarm. Hier findet sich auch der Thiatilsdisschrein aus Silber, in dem die Gebeine der hl. Thiatildis, der Nichte des Stifters der Kirche, ruhen. Zur Kirchenausstattung gehört zudem der aus Marmor, Alabaster und Sandstein gefertigte Aufsatz des ehemaligen Hochaltars. In einem Flachrelief in der Mitte des Aufsatzes ist die Geburt Christi dargestellt. Über der Szene schwebt ein Engelchen. Eine besondere Kostbarkeit ist das Heilige Kreuz, das hinter einem Schrankgitter im Tabernakelturm (um 1500) aufbewahrt wird. Die Verehrung dieses Kreuzes geht bis ins 11. Jahrhundert zurück. Unbedingt sollte der Kirchenbesucher einen Blick auf den Freckenhorster Taufstein werfen, insbesondere auf die szenische Gestaltung der steinernen Trommel. In der unteren Zone der Trommel erkennt der Betrachter sechs Löwen, in der oberen einen Blattfries. Der Mittelteil ist der christlichen Heilsgeschichte vorbehalten, darunter die Verkündigung der Geburt Christi, die Geburt Jesu, die Taufe im Jordan, der Tod am Kreuz und Christus im Weltgericht. Moderne Sakralkunst findet sich an den Kirchenportalen, die Heinz Gerhard Bücker gestaltete. In dessen Kunst wird die Apokalypse des Johannes ebenso aufgegriffen wie die Geschichte des Klosters und der Sündenfall.

Freckenhorst - St-Bonifatius-Stiftskirche - Detail des romanischen Taufsteins von 1129
Detail des romanischen Taufsteins von 1129

Die Stiftskammer ist in der Petrikapelle vor dem Westwerk der Stiftskirche untergebracht. Bei der Kapelle handelt es sich um eine mehrfach umgebaute kleine Saalkirche, die ursprünglich im 9. Jahrhundert an dieser Stelle erbaut wurde. Zeitweilig wurden hier die Äbtissinnen offiziell in ihr Amt eingeführt, erhielten Kinder ihren Unterricht, ehe 1973 aus der Kirche ein Ausstellungsraum wurde. Im  Inneren sind in einer sehr überschaubaren Sammlung Meisterwerke sakraler Kunst zu sehen. Neben liturgischen Geräten und Reliquiaren ist die Schatzkammer besonders auf das wertvolle Emma-Evangeliar stolz.

Weitere Informationen

http://www.warendorf.de/
http://www.warendorf-freckenhorst.de/cms/zumort/sehenswuerdigkeiten

Stiftskammer Freckenhorst
http://www.stiftskammer.de/

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