Unbekanntes Reykjanes Naturschönheiten in Islands Süd-Westen

Text und Fotos: Uwe Lexow

Im Jahr 2016 erwartet Island einen Besucheransturm: 1,2 Millionen Touristen aus Europa und den USA besuchten die Insel im Nordatlantik im Jahr 2015, dieses Jahr will das Land die 1,5-Millionen-Besucher-Marke knacken.

Island - Reykjanes

95% der Island-Touristen kommen auf dem Leifur Erikson Airport in Keflavik an und stürzen sich per Bus oder Mietwagen auf die geologischen Highlights der Insel, den Golden Circle mit dem Thingvellir Nationalpark, dem Gullfoss und dem Geysir-Gebiet, oder fahren zum Myvatn, umrunden Snaefellsnes oder noch weiter nach Westen.

Fast unbeachtet bleiben die Schönheiten auf der Reykjanes-Halbinsel, nur ein paar Kilometer vom Flughafen entfernt, die den geologischen Highlights weiter nördlich um nichts nachstehen. Reykjanesskagi (1) heißt die stiefelförmige Halbinsel im äußersten Südwesten von Island. Übersetzt bedeutet dies "Rauchhalbinsel", benannt nach den zahlreichen dampfenden und brodelnden Quellen ( auch Reykjavik hat seinen Namen vom Dampf, den die ankommenden Seefahrer schon von Weitem sahen: Reykjavik bedeutet: rauchende Bucht ).

Island - Reykjanes

"Brücke zwischen den Kontinenten"

Durch Island verläuft die Grenze der eurasischen und amerikanischen Kontinentalplatte, die sich von Nordost nach Südwest erstreckt. Reykjanes befindet sich direkt über dieser Riftzone, und man sagt, hier käme der mittelatlantische Rücken an Land, die Zone der Plattenverschiebungen und des aktiven Vulkanismus.

Eine der Spalten wird durch die "Brücke zwischen den Kontinenten" markiert, über die man symbolisch die Kontinente überwinden kann, die auch gern als Kulisse für Werbeaufnahmen Verwendung findet.

Island - Reykjanes - Thymian

Kaum zu glauben, dass in der unwirtlichen Gegend eine Fülle von Pflanzen gedeihen wie zum Beispiel der früh blühende Thymian.

Island - Reykjanes

Malerisch ist auch die Felsenküste bei Valahnúkur mit fantastischen Lavaformationen, die die ungeheuren Kräfte der Natur erahnen lassen.

Island - Reykjanes

Eine Statue erinnert an die ausgestorbenen Riesenalke, die dem Hunger der Einwohner zum Opfer gefallen sind

Hier auf Reykjanes findet sich Islands heißester Ort: Unter dem Zentralvulkan Gunnuhver wurden in 1000 m Tiefe 300 Grad Celsius gemessen.

Zwar fand die letzte nachweisbare Eruption im Vulkansystem von Reykjanes an submarinen Ausbruchsstellen auf dem Reykjanesrücken 1926 südöstlich des Inselchens Eldey statt. Seit 2006 ist das Hochtemperaturgebiet aber wieder aktiver geworden: Schon seit 1967 gab es vereinzelte Schlackenausbrüche und schleuderte Gunnuhver kochend heiße Lehmfetzen bis zu 4 Meter in die Luft. Im Jahr 2008 musste eine Zufahrtsstraße zu Gunnuhver gesperrt werden, weil plötzlich mitten auf dem Weg eine neue Lehmquelle in Aktion trat und einen Krater bildete, der heute einen Durchmesser von 20 Metern aufweist. Inzwischen hat sich das Gebiet wieder etwas beruhigt.

Island - Reykjanes - Gunnuhver

"Gunnuhver" ist nach dem Gespenst Gudrun Önundardsdottir, kurz Gunna, benannt. Es geht die Sage, dass Gunna im Jahre 1703 als Bewohnerin der Kate Kirkjubol in Sandgerdi verzeichnet war, die zum Besitz des Rechtsgelehrten Vilhjálmur Jónsson gehörte. Weil Gunna ihm Geld schuldete, beschlagnahmte er Gunnas einzigen Besitz, einen Kupferkessel, worüber Gunna den Verstand verlor und starb. Als die Sargträger Gunnas Sarg von Kirkjubol abholten, registrierten sie, dass dieser auf halber Strecke zum Friedhof deutlich leichter wurde. Während ihr Grab ausgehoben wurde, waren deutlich Laute aus dem Sarg zu vernehmen:"Nicht tief graben, will nicht lange liegen!" Die Männer glaubten Gunna als Gespenst zu erkennen. In der darauf folgenden Nacht wurde Vilhjálmur blau und tot mit gebrochenen Knochen im Freien gefunden. Offenbar ging Gunna um und rächte sich. Nach diesem Vorfall spukte es mächtig auf der Halbinsel. Vilhjálmurs Frau starb kurz danach, andere wurden verrückt, andere starben, nachdem ihnen Gunna erschienen war. Schließlich suchten die Bewohner Rat beim zauberkundigen Pfarrer von Vogsósar, der den Ratsuchenden ein Knäuel gab. Gunna sollte das lose Ende fassen, und dann sollte das Knäul an eine Stelle rollen, wo Gunna keinen Schaden anrichten konnte. Das gelang, und als man Gunna das letzte Mal sah, stürzte sie hinter dem Knäuel in die Schlammquelle, die heute Gunnuhver heisst. Hellsichtige haben Gunna angeblich später auf dem Kraterrand balancieren sehen und lachen hören.

Island - Reykjanes - Gunnuhver

Auch wenn man vor Ort Gunna heute vielleicht nicht trifft, lohnt der Besuch des Gebietes allemal, zumindest wenn man etwas für Fumarolen und den Gestank nach faulen Eiern übrig hat.

Nur ein paar Kilometer weiter befindet sich das Hochtemperaturgebiet von Krýsuvik (2). Die Solfataren von Seltun an den Berghängen des Sveifluháls sind schon weitem an ihrer gelben Farbe erkennen.

Island - Reykjanes - Solfataren von Seltun

Bis vor einigen Jahren wurde das Hochtemperaturgebiet noch zur Energiegewinnung genutzt: Ein 1990 gesetztes Bohrloch versorgte die Stadt Hafnarfjördur mit Energie. 1999 explodierte die Anlage. Seitdem wird das Geothermalgebiet nicht mehr wirtschaftlich genutzt, so dass man als Besucher bei einer Wanderung das Farbspiel der Natur ungestört genießen kann, - ungestört auch von Touristenmassen.

Island - Reykjanes

Unweit der farbenprächtigen Berghänge des Sveifluháls liegt der rund 8 Quadratkilometer große und rund 90 m tiefe See Kleifarvatn, an dessen Ufern der isländische Schriftsteller Arnaldur Indridason einen gleichnamigen Krimi spielen lässt, der in Deutschland unter dem Titel "Kältezone" veröffentlicht wurde.

Island - Reykjanes - See Kleifarvatn

Nach schweren Erdbeben im Jahr 2000 begann der See zu schrumpfen und teilweise zu versickern. Inzwischen hat er sich wieder gefüllt, die Spalten haben sich wieder geschlossen. Die Kulisse ist bei schönem Wetter spektakulär, insbesondere, wenn sich die Palagonitrücken der Umgebung im See spiegeln.

Island - Reykjanes - See Kleifarvatn

Die Gegend war in früheren Zeiten bewohnt. Ein alter Hof namens Krýsuvík wurde durch die Lava des Ögmundarhraun 1151 zerstört, gleichnamige Höfe waren an anderer Stelle bis 1857 bewohnt.

Von dem Weiler stand als einziges Gebäude noch im Südwesten des Sees das Kirchlein Krísuvíkurkirkjan, aus dem Jahr 1857. In der Nacht vom 2.1.2010 brannte die Kapelle allerdings ab.

Island - Reykjanes

Noch vorhanden ist die ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert stammende Strandakirkja. Sie wurde aus Spenden dankbarer Seeleute auf dem Gebiet des Hofes Strönd errichtet, nachdem sie in einen Sturm geraten waren und geschworen hatten, im Falle des Überlebens an dem Ort eine Kirche zu errichten, an dem sie das Land erreichten. Strandakirkja gehört zu den reichsten Kirchen der Insel, die Bucht an der die Männer an Land gehen konnten heißt Engelsvik, Bucht der Engel.

Island - Reykjanes

Auf dem Weg nach Nordwesten in Richtung Hafnarfjördur findet man auch heute noch Holzgestelle, auf denen Fisch getrocknet wird. Es steht zu befürchten, dass diese Bilder bald der Vergangenheit angehören.

Island - Reykjanes - Fisch wird getrocknet

Nur ein paar Kilometer weiter ist man dann wieder im "touristischen Island".

Die Blaue Lagune (3) gehört zu den meist besuchten Orten der Insel. Der See entstand als „Abfallprodukt“ des nahe gelegenen Geothermalkraftwerkes Svartsengi, das die Energie des gleichnamigen Vulkansystems nutzt.

Dort wird ein Gemisch aus Meer- und Süßwasser aus einer Tiefe von etwa 2000 Meter, das in dieser Tiefe bis zu 240 °C heiß wird, zur Oberfläche gepumpt, wo es zur Stromerzeugung und zum Betrieb eines Fernwärmenetzes genutzt wird. Anschließend fließt es in das umliegende Lavafeld. So bildete sich dort ein Salzwassersee in der typisch blau-weißen Farbe, die von Kieselalgen herrührt. Zuerst kam die lokale Bevölkerung auf die Idee, darin zu baden, bis schließlich das Thermalbad errichtet wurde. Dieses pumpt mittlerweile auch eigenes Thermalwasser aus der Erde.

Das Wasser im Thermalbad hat eine Temperatur von etwa 37 bis 42 °C und enthält Mineralsalze, Kieselerde und Algen. Der See hat eine Fläche von etwa 5000 Quadratmetern.

Island - Reykjanes - Blaue Lagune

Auch wenn die Badepreise astronomisch sind: Das Baden in der Lagune ist ein Erlebnis, das sich der Island-Besucher nicht nehmen lassen sollte - genauso wenig wie die Zeit die Naturschönheiten auf Reykjanes nur ein paar Kilometer entfernt zu besuchen. Es lohnt sich.

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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